Ehemalige Spitzenkandidatin tritt aus der Partei aus
Neuwieder Linke in der Krise: Mitglieder systematisch vergrault?
Linke Neuwied
Tatiane Kühnapfel ist bei den Linken ausgetreten. Foto: Jörg Niebergall (Archiv)
Jörg Niebergall

Manipulative Geschichten, Hetze gegen Mitglieder und permanente Kritik am Neuwieder Ortsverband der Linken - so beschreibt die bisherige Schriftführerin im Ortsverband und ehemalige Linken-Spitzenkandidatin die aktuelle Situation. Jetzt zieht sie Konsequenzen.

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Auflösungserscheinungen im Neuwieder Ortsverband der Linken: Mit einem Posting im Sozialen Netzwerk Insta­gram hat Tatiane Kühnapfel ihren Austritt aus der Partei erklärt. Kühnapfel gehörte als Schriftführerin zum Vorstand des Ortsverbands und war bei der Wahl zum Neuwieder Stadtrat noch die Spitzenkandidatin der Linken. Ihren Austritt begründet sie mit dem Umgang der Linken untereinander.

In ihrem Posting schreibt Kühnapfel: „Die Vorgänge innerhalb des Orts- und Kreisverbands Neuwied machen es mir unmöglich, weiterhin Mitglied zu bleiben.“ Es herrsche ein „Klima, in dem Mitglieder systematisch vergrault und ausgeschlossen werden“. Kühnapfel nennt als Beispiel den Fall eines Linken-Mitglieds, über das „manipulative Geschichten verbreitet“ würden, „um seinen Ruf zu schädigen und bewusst Mitglieder gegen ihn zu hetzen“.

Kein Beitrag wurde gewürdigt, keine Anstrengung anerkannt. Stattdessen wurde der gesamte Ortsverbandsvorstand, der demokratisch gewählt wurde, um die Partei zu repräsentieren, permanent kritisiert und untergraben.

Tatiane Kühnapfel

Auch sie selbst sei ständig angegangen worden, zuletzt sogar vom Kreisvorstand. „Kein Beitrag wurde gewürdigt, keine Anstrengung anerkannt“, erklärt Kühnapfel. „Stattdessen wurde der gesamte Ortsverbandsvorstand, der demokratisch gewählt wurde, um die Partei zu repräsentieren, permanent kritisiert und untergraben.“

Auch das Verhalten von Tsiko Amesse sei enttäuschend. Amesse hatte bei der Kommunalwahl den einzigen Sitz der Linken im Neuwieder Stadtrat gewonnen und sich dort dann der CDU-Fraktion angeschlossen. Ihm wirft Kühnapfel vor, „seit Beginn des Wahlkampfes seinen Alleingang verfolgt und sich von der Partei abgekapselt“ zu haben, außerdem spricht sie von „ständigen Drohungen und Einschüchterungsversuchen“, ohne das zu erläutern.

Weder links noch sozial

Der Ortsverband hatte sich nach Amesses Schritt von einer Zusammenarbeit mit der CDU distanziert – „ein Schritt, der in meinen Augen dem Standard einer linken Partei entsprechen sollte“, betont Kühnapfel. Tatsächlich vertrete die Linke in Neuwied für sie inzwischen aber weder die Ideale einer linken noch einer sozialen Partei. „Deshalb sah ich keine andere Möglichkeit, als die Konsequenzen zu ziehen und aus der Partei auszutreten“, schreibt Kühnapfel.

Dass der Kreisverband der Linken Kritik an Kühnapfel geäußert hat, räumt dessen Vorsitzende Julia Eudenbach auf Nachfrage ein. Dabei sei es etwa um die Wahlplakate der ehemaligen Spitzenkandidatin gegangen. „Die Plakate hingen nach der Wahl noch sehr lang“, sagt Eudenbach. So lang, dass das Ordnungsamt mit einem Ordnungsgeld gedroht habe. „Sie hat sich nicht dafür verantwortlich gefühlt“, sagt Eudenbach, die sich wünscht, „dass diejenigen, die sich für ein politisches Ehrenamt entschieden haben, sich ihrer Verantwortung bewusst werden.“

Unangemessene Kritik

Ein weiterer Konfliktpunkt war der Umgang des Ortsverbands mit Tsiko Amesse. „Die öffentliche Kritik an ihm war unangemessen“, sagt Eudenbach. Sie kann Amesses Gründe, sich der CDU anzuschließen, nachvollziehen. „Wir wollen alle nur das Beste für die Stadt und den Kreis, und Tsiko Amesse hat sich bei der CDU gut aufgehoben gefühlt, um seine Vorstellungen umzusetzen.“

Hinter den Neuwieder Linken liegen turbulente Monate. Der Ortsverband musste sich teilweise neu aufstellen, nachdem einige Mitglieder sich dem Bündnis Sahra Wagenknecht zugewandt hatten. Neue Leute mit neuen Ideen kamen in verantwortungsvolle Positionen. Tatiane Kühnapfel berichtet, dass im Ortsverband Aufbruchsstimmung geherrscht habe. „So kam es dazu, dass ich auf den Listenplatz 1 kam. Das ging nicht von mir aus, sondern ich wurde gefragt.“

Wie geht es weiter?

Diese positive Stimmung ist längst dahin. Sie selbst habe kein Interesse mehr an Parteiarbeit, erklärt Kühnapfel. Sie wolle sich aber „weiterhin sozial engagieren und wichtige politische Arbeit leisten, nur dass ich nicht mehr bei jedem Schritt Kritik abbekomme“. Auch ihre Kollegen im Vorstand des Ortsverbands seien nicht erpicht auf weitere politische Arbeit in Neuwied. Die Rede ist davon, den Ortsverband vorerst ruhen zu lassen.

Das wiederum ist nicht so einfach möglich, wie Julia Eudenbach erklärt. „Ein Vorstand kann nicht so einfach aufhören“, sagt sie. „Nur die Mitgliederversammlung kann den Vorstand auflösen.“

Wie geht es also weiter mit den Neuwieder Linken? „Ich weiß es nicht“, sagt Eudenbach. „Das Kind ist jetzt erst einmal in den Brunnen gefallen.“

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