Konklave in Rom
Neuwieder Katholiken wünschen sich reformwilligen Papst
Kardinäle nehmen an einer Messe am achten von neun Trauertagen für den verstorbenen Papst Franziskus im Petersdom im Vatikan teil.
Alessandra Tarantino. picture alliance/dpa/AP

Wer wird das neue Oberhaupt der Katholischen Kirche? Wie sieht die Zukunft der Kirche aus? Vertreter der Katholischen Kirche im Kreis Neuwied haben da klare Erwartungen und Hoffnungen.

Etwa 135 Kardinäle besprechen sich ab heute in der Abgeschiedenheit der Sixtinischen Kapelle in Rom, um einen neuen Papst zu wählen. Für wen am Ende weißer Rauch aufsteigt, das interessiert auch die Katholiken im Kreis Neuwied. Unsere Zeitung fragte Vertreter der Katholischen Kirche an Rhein und Wied nach der Rolle von Papst Franziskus und den Erwartungen an das Konklave und damit an einen Nachfolger.

Es geht auch um die Zukunft der Kirche

Hierzulande geht es beim Konklave nicht nur um die Wahl des nächsten Kirchenoberhaupts, sondern auch um die Zukunft der Katholischen Kirche. Allein im Jahr 2024 hat die Kirche, wie aus der aktuellen Statistik der Deutschen Bischofskonferenz hervorgeht, 320.000 Mitglieder verloren. 2023 haben 402.694 Menschen der Kirche den Rücken gekehrt. 2022 verließen sogar mehr als 520.000 Katholiken ihre Kirche.

Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund hat die Mehrzahl der von unserer Zeitung Befragten eine klare Meinung dazu, wie der neue Papst sein soll. Sie wünschen sich eine mutige, freie, glaubwürdige und kommunikative Persönlichkeit. Sie müsse tief im Glauben verwurzelt sein, die Menschen wahrnehmen und das Erbe ihres Vorgängers Franziskus weiterführen. Zum Meinungsbild im Einzelnen:

„Ein Rückschritt wäre sicherlich eine Katastrophe. Man fragt sich: Warum hat die Kirche so viel Angst vor Reformen? Angst ist immer ein schlechter Ratgeber.“
Pfarrer Lothar Anhalt zum Konklave

„Die Wahl sendet auch ein Zeichen an die Katholiken im Land. Viele Gläubige signalisieren bereits jetzt, dass sie im Hinblick auf den Reformkurs von Franziskus einen Schritt zurück nicht akzeptieren werden“, hat Pfarrer Lothar Anhalt, leitender Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft Linz, in vielen Gesprächen mit Gläubigen erfahren. Auch er wünscht sich, dass der neue Pontifex den Reformkurs von Franziskus fortführt. „Er hat der Kirche gutgetan. Er hat viele Tore geöffnet, auch wenn er selbst nicht überall durchgegangen ist oder gehen konnte. Er ist auf viele Widerstände gestoßen“, so Anhalt.

Die Katholische Kirche sei zwar global und auf allen Kontinenten präsent, aber die Ansprüche an die Kirche und der Umgang mit strittigen Themen seien nicht überall gleich. Franziskus habe trotzdem Wert darauf gelegt, Kardinäle von allen Rändern der Erde einzusetzen, weil er hoffte, so den Zusammenhalt zu stärken und die Kirche in eine starke Zukunft zu führen, so Anhalt. Wörtlich sagt er: „Ein Rückschritt wäre sicherlich eine Katastrophe. Man fragt sich: Warum hat die Kirche so viel Angst vor Reformen? Angst ist immer ein schlechter Ratgeber.“

„Da hilft nur das Vertrauen auf den Heiligen Geist.“
Dekan Peter Dörrenbächer zur Papstwahl

Peter Dörrenbächer, Dekan des Pastoralen Raumes Neuwied, sagt auf die Frage nach einem persönlichen Favoriten für die Papstwahl: „Ich kenne keinen der Kardinäle so gut, dass ich einen Wunschkandidaten hätte. Ich sehe nur, dass die Herausforderungen für jeden fast nicht zu leisten sind. Da hilft nur das Vertrauen auf den Heiligen Geist.“

Vom verstorbenen Papst zeichnet Dörrenbächer hingegen ein klares Bild und hebt dessen Bescheidenheit als einen wesentlichen Verdienst heraus. Er habe es geschafft, trotz aller „alter“ Strukturen und Gebräuche glaubhaft darzustellen, dass Kirche anders sein muss: „Er sprach von einer verbeulten Kirche, die zu den Armen gehen muss, aber nicht von oben herab wie eine Wohltäterin, sondern im Bewusstsein, dass das die wahre Kirche ist.“ Franziskus habe ernst gemacht mit dem Gedanken einer synodalen Kirche, „einer Kirche, die nicht vom Machtzentrum aus die Geschicke bestimmt, sondern die Ortskirchen weltweit ernst nimmt“, so der Dekan. Und Franziskus habe schwierige Themen wie den Umgang mit homosexuellen Menschen und Frauen in der Kirche „zumindest zugelassen und Diskussionen möglich gemacht“.

Feuerwehrleute platzieren den Schornstein auf dem Dach der Sixtinischen Kapelle, in der sich die Kardinäle zur Wahl des neuen Papstes versammeln werden.
Gregorio Borgia. Gregorio Borgia/AP/dpa

Der Nachfolger müsste aus Sicht von Dörrenbächer ähnlich wie Papst Franziskus sein. Demnach bräuchte es einen, „der die Nöte der Menschen sieht, der den Mut hat, sie offen anzusprechen und auch den Mächtigen ins Gewissen zu reden“. Dabei sei es wichtig, die Einheit der Weltkirche zu sehen und sie zu ermöglichen, ohne den Fortschritt und die Weiterentwicklung auch von inhaltlichen Positionen dadurch zu vernachlässigen. „In meinen Augen bleibt aus christlicher Sicht die ungerechte Verteilung und Nutzung der Ressourcen ein entscheidendes Feld, in dem der Papst vielleicht keine direkte Handlungsmacht hat, aber durch sein Wort und seine Gesten mithelfen kann, dass die Menschheit umdenkt.“ Nur wenn Gerechtigkeit annähernd gelinge, könne Frieden und Bewahrung der Schöpfung möglich werden. „Damit ist für mich auch klar, dass es für einen neuen Papst nicht in erster Linie um innerkirchliche Themen und Veränderungen geht. Wir brauchen einen Propheten, der der Welt ins Gewissen redet.“

„Ein ebenso wichtiges Handlungsfeld wäre, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Leitung und Diakonie voranzutreiben.“
Pfarrer Christian Scheinost, Neuwied

Der Neuwieder Pfarrer Christian Scheinost wünscht sich, dass nach dem Konklave die angestoßenen Reformen weitergeführt werden, besonders der Weg einer synodalen Kirchenstruktur. „Ein ebenso wichtiges Handlungsfeld wäre, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Leitung und Diakonie voranzutreiben“, sagt Scheinost. Der neue Papst sollte zudem diplomatische Fähigkeiten besitzen, um in den Konflikten dieser Welt vermitteln zu können. Und es brauche einen, der glaubwürdig und jesuanisch die Kirche in die Zukunft führe. Für die Wahl vertraut der Pfarrer auf „die Heilige Geistkraft Gottes“.

Den Seelsorger Franziskus hätten die Werte Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Synodalität ausgezeichnet. „Ich schätzte persönlich seine Einfachheit und seine Vision von einer Kirche, die den Blick auf die Menschen am Rand von Gesellschaft und Kirche richtet. Er war ein Mensch auf dem Papstthron, provozierte mit Aussagen und regte die Christinnen und Christen in der Leitung und an der Basis zum Nachdenken an.“ Und Franziskus habe eine stärkere Dezentralisierung der Kirche, die Synodalität gefördert und eine Wirtschaft ohne Gesicht kritisiert.

„Ich hatte Hoffnung auf noch mehr Veränderungen. Aber er war ein herzlicher Mensch.“
Gemeindereferentin Eva Dech (Linz) zu Papst Franziskus

Pfarrer Marco Hartmann, Pfarreiengemeinschaft Waldbreitbach-Kurtscheid, beschreibt Franziskus als einen Papst, „der versuchte, den Menschen auf seine eigene Weise nahe und nahbar zu sein“. Vom neuen Pontifex erhofft sich Hartmann – angelehnt an das Evangelium vom vergangenen Sonntag (Joh 21,1-19) – „eine sichtbare und spürbare Liebe zu Jesus und zu den Menschen“. Und er soll die Kirche „in einer guten Kontinuität zu seinen Vorgängern im Papstamt, Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus, in die Zukunft führen“. Einen Wunschkandidaten hat Hartmann nicht: „Ich bete momentan täglich dafür, dass Gott uns aus der Mitte der Kardinäle einen guten Nachfolger für Papst Franziskus schenken wird.“

Auch die Gemeindereferentin der Pfarreiengemeinschaft Linz, Eva Dech, wünscht sich unbedingt einen reformfreudigen neuen Papst. „Er sollte offen für das Thema Frauen in der Kirche sein. Man kann doch nicht 50 Prozent der Menschheit von den Ämtern in der Kirche einfach ausschließen. Und auch das Thema Homosexualität sollte er vorbehaltlos angehen.“ Franziskus sei ein den Menschen zugewandter Papst gewesen, der die Schwachen und Armen im Blick hatte und neue Wege gehen wollte. „Ich hatte Hoffnung auf noch mehr Veränderungen. Aber er war ein herzlicher Mensch. So jemanden brauchen wir erneut. Und ich wünsche mir mehr Reformen.“

„Wir brauchen jetzt keinen konservativen Papst.“
Dariusz Glowacki, leitender Pfarrer des Seelsorgebereichs Rheinischer Westerwald

Dariusz Glowacki, leitender Pfarrer des Seelsorgebereichs Rheinischer Westerwald, schätzt das Engagement von Franziskus für die Armen: „Er hat versucht, etwas zu ändern, er hat nicht alles geschafft. Wir brauchen jetzt keinen konservativen Papst. Wir brauchen einen Papst, der die Zeichen in der Welt richtig deutet, die Menschen wahrnimmt und das fortsetzt, was Franziskus begonnen hat.“

Pfarrer Pater Magnus Ifedikwa, Pfarreiengemeinschaft Bad Hönningen-Rheinbrohl, will sich nicht festlegen, ob er ein neues Kirchenoberhaupt favorisiert, das den Reformkurs vorantreibt oder eine konservative Linie verfolgt. „Der neue Papst soll alle Menschen in ein Boot holen. Er soll die gesamte Christenheit führen. Franziskus hat im Sinne der Barmherzigkeit sein Bestes gegeben. Konservativ oder liberal ist doch nur ein Etikett. Ich hoffe, der Heilige Geist leitet die Kardinäle beim Konklave. Ich vertraue auf eine gute und wohltätige Kirche.“

„Direkte Kommunikation war sein Ding, das war toll.“
Michael Kremer, Diakon und Religionslehrer aus Neuwied, zu Papst Franziskus

Für Michael Kremer, Diakon und Religionslehrer aus Neuwied, soll der neue Papst mehr schweigen als reden. „Ein Papst und die Kirche insgesamt sollten sich auf das Kerngeschäft konzentrieren und nicht zu jedem Thema den Senf dazugeben.“ Das Kerngeschäft wäre, das Evangelium zu verkünden, ob gelegen oder ungelegen.

An Papst Franziskus schätzte Kremer, dass er sich ohne Wenn und Aber für die Menschen am Rand eingesetzt hat. „Direkte Kommunikation war sein Ding, das war toll.“ Zudem hat Kremer einen Wunschkandidaten: Pierbattista Pizzaballa, Patriarch von Jerusalem.

Superintendent wünscht sich Annäherung an andere Kirchen

Auch die evangelischen Christen im Kreis Neuwied blicken auf das Konklave in Rom. Superintendent Detlef Kowalski sieht Papst Franziskus so: „Er war ein Mensch, dem Demut wichtig war, der die Armen ins Zentrum rückte. Der bescheiden lebte, ebenso starb und so auch bestattet sein wollte.“ In seinem Köfferchen habe der Argentinier die Befreiungstheologie Lateinamerikas mit in den Vatikan gebracht, bezog eine schlichte Unterkunft und ließ sich in einem kleinen Fiat kutschieren. Seine erste Reise habe ihn zu den Geflüchteten auf der Insel Lampedusa geführt. „Er wusch auch muslimischen Abschiebehäftlingen die Füße und küsste ihnen die Zehen. Solche rührenden und zu Herzen gehenden Gesten prägten sein Bild weltweit – unerlässlich in einer Zeit politischer Härte“, sagt der Superintendent. „Von einem Nachfolger wünsche ich mir weitere Annäherungen an andere christliche Kirchen und einen gemeinsamen Dialog mit muslimischen Vertreterinnen und Vertretern“, betont Kowalski. rgr

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