Eine Frau in Jeans und weitem Kapuzenpulli kniet in der Mitte eines hellen, lichtdurchfluteten Raums. Vor ihr türmt sich eine Konstruktion aus unterschiedlichen Stoffen in schwarz, grau, silber auf. Mit sicheren Handgriffen fixiert sie das Material in mehreren Lagen aneinander. Was sie dafür braucht, hat sie in einer kleinen transparenten Dose dabei.
Die Frau ist Künstlerin Sabine Hack, der Ort die Neuwieder Stadtgalerie Mennonitenkirche. Dort entsteht Hacks Werk „Peak“ – zu Deutsch: Höhepunkt oder Gipfel –, ein Bergmassiv aus Stoff, das die Verletzbarkeit der Natur im scheinbaren Verfall von Material sichtbar macht. Das wichtigste Werkzeug für Hacks Arbeit sind Nadel und Faden, erläutert die Stadtverwaltung in einer Pressemitteilung.
Ein schwarzer Faden auf weißem Stoff
Im selben Raum: Ein Bild wie eine poetische Geschichte, von Andrea Hess aus einem einzigen schwarzen Faden auf weißen Stoff gebracht. Sinnliche Lippen aus Nylon an den Figuren von Cora Volz. Und Martina Ziegenthalers großformatiger Hahnentritt aus Stoffen.
Diese und weitere zeitgenössische Perspektiven textiler Kunst zeigt die neue Ausstellung „Leidenschaft – Kunst – Textil“ in der Stadtgalerie Mennonitenkirche. Viele der ausgestellten Arbeiten weisen auf Unbequemes hin, bringen zum Schmunzeln, bis es einem wieder vergeht.
Krieg, Klima, Körper, Konsum
Große Themen werden mit teils filigranster Technik verhandelt: Krieg, Klima, Körper, Konsum, unser Verhalten im Internet, heißt es in der Mitteilung. Wer beim Ausstellungstitel an weiche Wolldecken und Omas Strickarbeiten denkt, wird überrascht sein von der Detailtreue, mit der Lisa Reichmann Hände stickt, von Gasmasken, Wirbelsäulen, tanzenden Röcken und Autohimmeln und davon, dass sich das Internet-Phänomen Meme bei Lucia Mattes auch mit starker Botschaft filzen lässt.
Viele Handarbeitstechniken boomen heute auch bei jungen Menschen. In der Kunst erfahren sie eine regelrechte Renaissance. Stricken, nähen, sticken, häkeln, filzen, weben: 65 Arbeiten von 16 Künstlerinnen und Künstlern zeigen eine beeindruckende Bandbreite auf. „Textiles ist sehr nahbar“, sagt Kuratorin Christina Körner. „Das Material macht es uns leicht, einen Zugang zur Kunst zu bekommen.“
Die Ausstellung ist bis zum 30. Juni immer mittwochs bis freitags von 14 bis 18 Uhr sowie an Wochenend- und Feiertagen von 12 bis 18 Uhr geöffnet.