Seit mehr als 30 Jahren werden Paradieskraniche im Zoo Neuwied gehalten. Das aktuelle Pärchen der imposanten blaugrauen Vögel mit den auffällig langen Federn ist bereits seit 2004 zusammen, hatte jedoch noch nie Nachwuchs – bis jetzt. Jonas Feinkohl, der Revierleiter des Vogelreviers, ist hoch erfreut: „Nach den Saruskranichen, die ebenfalls nach jahrzehntelanger Haltung im vergangenen Jahr erstmals erfolgreich Nachwuchs großgezogen haben, ist dies nun die zweite Kranichart, bei der unsere Bemühungen endlich belohnt werden.“
Neue Anlage begünstigt Zuchterfolg
Für die beiden Arten wurde 2023 eine neue Anlage eröffnet. Im „Kranichufer“ haben die Vögel mehr Platz als zuvor, bessere Möglichkeiten, sich zurückzuziehen, eine komplett übernetzte Außenanlage und mehrere miteinander verbundene Räume im Stallgebäude, die Menschen und Tieren einen entspannteren Umgang miteinander ermöglichen. Für den Tierpfleger sind das alles Faktoren, die zur erfolgreichen Nachzucht beigetragen haben: „Die Saruskraniche hatten durch die neue Anlage erstmals genug Ruhe um entsprechend ihrer Art zu balzen und dann auch erfolgreich zu brüten.“

Bei den Paradieskranichen sieht die Situation etwas anders aus: „Die beiden haben schon seit Jahren regelmäßig Eier gelegt, die jedoch immer wieder durch das Männchen zerstört wurden“, sagt der Tierpfleger. In der Vergangenheit haben Zoomitarbeiter mehrmals Eier entnommen und im Inkubator bebrütet, aber oft waren diese nicht befruchtet oder haben sich ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr weiterentwickelt. „Ein einziges Mal hatten wir ein Küken, das zunächst auch von den Eltern angenommen, dann aber nicht ausreichend versorgt wurde.“
Der aktuelle Zuchterfolg ist daher eine große Sache: „Das Problem mit dem Brüten haben wir noch nicht gelöst. Das Zerstören der Eier ist bei unserem Männchen leider ein fest etabliertes Verhalten, das dieses Individuum auch nicht mehr ablegen wird“, weiß Feinkohl. Auch dieses Küken stammt also aus einem Ei, das im Inkubator bebrütet wurde. „Um ganz sicherzugehen, dass das Küken die kritischen ersten Tage übersteht, haben wir uns außerdem dazu entschieden, es auch in dieser Zeit noch selbst zu versorgen“, verrät Feinkohl.
„Um die Fehlprägung auf den Menschen zu vermeiden, haben wir uns bei der Versorgung komplett vermummt und eine Paradieskranich-Kopfattrappe benutzt.“
Jonas Feinkohl, der Revierleiter des Vogelreviers
Da Kraniche, wie viele Vögel, jedoch dazu neigen, sich auf die ersten Lebewesen zu prägen, mit denen sie Kontakt haben, war hier Kreativität gefragt: „Um die Fehlprägung auf den Menschen zu vermeiden, haben wir uns bei der Versorgung komplett vermummt und eine Paradieskranich-Kopfattrappe benutzt, um das Küken zur Futteraufnahme anzuleiten. Zum Glück hat es bereits nach drei Tagen selbstständig gefressen, sodass wir das nicht ewig machen mussten“, grinst der Revierleiter.
Der Aufwand hat sich ausgezahlt: „Nach ein paar Tagen haben wir das Küken erstmals mit den Altvögeln zusammengelassen. Seit dem Alter von zwei Wochen ist es jetzt dauerhaft mit seinen Eltern zusammen und wird von diesen vorbildlich versorgt und beschützt. Menschen gegenüber ist es weiterhin sehr scheu, was dem arttypischen Verhalten entspricht – eine Fehlprägung haben wir also erfolgreich vermieden“, fasst Feinkohl zufrieden zusammen.

Mittlerweile ist der Jungvogel bereits fünf Wochen alt und ordentlich gewachsen. Nach dem Laborergebnis einer untersuchten Federprobe kann der Tierpfleger auch das Geschlecht des Kükens verkünden: „Es ist ein Männchen! Das EEP, über das die Zoopopulation der bedrohten Art in Europa koordiniert wird, ist bereits informiert und wird entscheiden, in welche Einrichtung der Jungvogel in ein paar Monaten umziehen soll.“
Nachdem die Zucht jetzt erstmalig geklappt hat, blickt Jonas Feinkohl optimistisch in die Kranichzukunft: „Eine Naturbrut werden wir erst mal nicht anstreben, das steht erst wieder auf dem Programm, wenn unser aktueller, mit 27 Jahren schon älterer Hahn einen Nachfolger hat, der die Eier in Ruhe lässt.“ Das Ziel für die nächsten Jahre sei es, den Zuchterfolg aus 2025 zu wiederholen – vielleicht dann sogar mit mehr als einem Küken gleichzeitig.