Nach Insolvenz der DRK-Klinik
Nach Treppensturz fünf Stunden in Neuwieder Notaufnahme
Ein Ehepaar konnte nach eigenen Angaben jüngst erst nach fünf Stunden die Notaufnahme im Marienhaus-Krankenhaus St. Elisabeth verlassen. Seit April ist das die einzige Anlaufstelle für Notfälle in Neuwied.
Jörg Niebergall

„Nicht schön“ nennt ein Ehepaar seine Erfahrung in der nunmehr einzigen Notaufnahme in Neuwied. Mehrere Stunden habe die Frau nach einem Sturz auf den Rücken warten müssen, bis sie behandelt wurde. Das sei vor April anders gewesen, sind sie sicher.

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Über Stunden hätten sie in der inzwischen einzigen Notaufnahme in Neuwied kein medizinisches Personal gesehen, klagt ein Ehepaar aus der Deichstadt. Nach einem Treppensturz zu Hause war die 70-jährige Frau (Name der Redaktion bekannt) an einem Maiabend von ihrem Mann ins Marienhaus-Krankenhaus St. Elisabeth gefahren worden. Was sie dort erlebt hätten, sei nicht schön gewesen, sind sich die Senioren einig.

Nach dem Sturz sei die Frau in der Bewegung eingeschränkt gewesen und habe Schmerzen gehabt, erinnern sich die Neuwieder. In der Notaufnahme hätten sie sich in die Reihe der zunächst 30 bis 40, später etwa 50 Wartenden eingereiht. Etwa die Hälfte seien Patienten gewesen, schätzt der Mann. Nach der Aufnahme ihrer Daten hätten sie für Stunden kein medizinisches Fachpersonal gesehen, klagt er. Für beide eine belastende Wartezeit: „Wenn man rückwärts die Treppe runterfällt, kann ja alles Mögliche sein, auch ein gebrochener Wirbel“, sagt die Frau.

Stillstand nach Eintreffen des Rettungshubschraubers

Die Notaufnahme im Elisabeth-Krankenhaus ist inzwischen die einzige in der Deichstadt. Anfang April hat die Marienhaus-Gruppe, die das Klinikum St. Elisabeth betreibt, dort das insolvente DRK-Krankenhaus als Träger übernommen. Beide Krankenhäuser hatten vorher jeweils eine eigene ambulante Notaufnahme. Um Doppelstrukturen zu vermeiden, wurde die Anlaufstelle des ehemaligen DRK-Krankenhauses und heutigen St. Matthias geschlossen. Alle ambulanten Eingriffe werden im Klinikum St. Elisabeth gebündelt – bei personeller Besetzung wie zuvor, wie das Ehepaar vermutet.

Insgesamt hätten sie mehr als fünf Stunden in der Notaufnahme verbracht, berichten die beiden. Doch sie seien nicht allein gewesen. Menschen mit Brüchen hätten ebenso lange wie sie darauf gewartet, geröntgt zu werden. In der gesamten Zeit habe es nur einen Unfallarzt gegeben. Als dann ein Rettungshubschrauber eingeflogen sei, habe der Betrieb komplett stillgestanden. Nur noch Blutabnahmen seien vorgenommen worden, schildern die Neuwieder ihre Eindrücke.

„Anmeldung war gegen 18 Uhr, erste Begutachtung durch eine medizinische Fachkraft gegen 22 Uhr.“
Der Ehemann der gestürzten Frau

„Anmeldung war gegen 18 Uhr, erste Begutachtung durch eine medizinische Fachkraft gegen 22 Uhr. Danach Röntgen und danach kurzes Arztgespräch. Wir waren kurz vor Mitternacht wieder zu Hause“, fasst der Rentner zusammen. Ihre Anlaufstelle sei zuvor immer das St. Elisabeth gewesen, stellt der Mann fest und erklärt weiter: „Was mich so irritiert: Trotz Zusammenlegung von Marienhaus-Klinikum und DRK ist nur ein Notfallmediziner im Elisabeth-Krankenhaus verfügbar.“ Sie sei schon lange Patientin des Elisabeth-Krankenhauses und vor der Zusammenlegung sei sie, wenn etwas gewesen sei, in der Notaufnahme sofort dran gewesen, merkt die Frau an.

Grundsätzlich stelle sich die Situation in allen Krankenhäusern mit einer Notaufnahme ähnlich dar, erklärt Dietmar Bochert, Pressesprecher der Marienhaus GmbH, auf Nachfrage: „Durch verschiedene Faktoren wie immer weniger niedergelassene Allgemeinmediziner, einer Fehleinschätzung von Patienten oder Angehörigen hinsichtlich des ‚Notfalls′ sowie der Nichtkenntnis oder der Nichtbeachtung des Kassenärztlichen Bereitschaftsdienst laufen die Notaufnahmen landauf landab und so auch in Neuwied über.“

Triagesystem sorgt dafür, dass weniger Menschen sterben

Alle Patienten würden bei der Anmeldung von einer medizinischen Fachkraft nach vorgegebenen Kriterien durch das Triagesystem eingeschätzt. Diese Ersteinschätzung sorge dafür, dass die Patienten nach den Dringlichkeitsstufen ärztlich untersucht würden, was die Patientensicherheit gewährleiste und signifikant zu einer geringeren Mortalitätsrate beitrage, so der Sprecher.

Bei nicht dringlichen oder lebensbedrohlichen Fällen entstünden Wartezeiten bis zum ersten Arztkontakt, erklärt Bochert weiter: „Beispielsweise werden Patienten nach schwerem Verkehrsunfall, die dann per Hubschrauber oder Rettungswagen kommen, immer als dringlicher eingestuft als ein glatter Bruch oder eine Schnittverletzung.“ Diese Patienten erhielten direkten Arztkontakt. Blutende Wunden würden durch die zuständige Pflegekraft erstversorgt, wenn eine längere Wartezeit absehbar sei.

Wenn Patienten aus den genannten Gründen länger warten müssten, hätten sie immer die Möglichkeit, vor dem ersten Arztkontakt ein Schmerzmittel zu erhalten, ist er sich sicher. Bereits bei der Anmeldung werde nach dem Schmerzgrad und dem Bedarf nach einem Schmerzmittel gefragt. Das kann das Ehepaar aus Neuwied nicht bestätigen.

Sie sei nicht nach ihren Schmerzen gefragt worden, sagt die Frau, und, soweit sie es mitbekommen habe, auch kein anderer der Patienten. „Schön ist das nicht“, stellt die 70-Jährige schließlich fest. Und ihr Mann merkt an, das liege nicht nur am Krankenhaus: „Unser Gesundheitssystem ist im Eimer.“

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