Die Papaya-Koalition ist abgewählt, aber ein Nachfolger drängt sich nicht gerade auf
Nach dem Ende der Papaya-Koalition: Wohin geht die Reise im Neuwieder Stadtrat?
Am Boden: Die Papaya-Koalition aus CDU, Grünen und FWG verliert ihre Mehrheit im Neuwieder Stadtrat. Wer dort künftig den Kurs bestimmt, ist derzeit noch völlig offen. Foto: Jörg Niebergall
Jörg Niebergall

Und nun, Neuwied? Diese Frage stellt sich unweigerlich beim Blick auf das Ergebnis der Wahl zum Stadtrat. Die Papaya-Koalition aus CDU, Grünen und FWG, die dort in den vergangenen Jahren den Kurs vorgegeben hat, ist abgewählt. Ein logisches Nachfolgebündnis drängt sich nicht unmittelbar auf. Wie gehen die Spitzenkandidaten der Parteien und Gruppierungen, die im neuen Stadtrat vertreten sind, mit der Situation um? Wir haben nachgefragt.

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Martin Hahn (CDU) ist die Enttäuschung auch zwei Tage nach der Kommunalwahl noch anzumerken. „Ich bin mit dem Ausgang sicherlich nicht zufrieden“, sagt er. Kein Wunder: Seine CDU hat zwei Sitze im Neuwieder Stadtrat verloren, und die Papaya-Koalition, mit der er eine Reihe von Vorhaben auf den Weg gebracht hat, ist ihre Mehrheit los. Die Gründe dafür verortet Hahn jedoch nicht in Neuwied. „Vieles, was nicht auf kommunalpolitischer Ebene angesiedelt ist, hat unser Ergebnis beeinträchtigt“, sagt er.

So sieht es auch Hahns Koalitionspartnerin Regine Wilke (Grüne). Ihre Fraktion büßt drei Sitze ein – „zwei wegen Berlin“, sagt Wilke, „und einen würde ich uns selbst zuschreiben“. Die Grünen hätten zwar all ihre Punkte aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt, es aber nicht geschafft, ihren Wählern diese Erfolge auch zu vermitteln.

Stabile Mehrheiten finden

Lars Ebert (FWG), der Dritte im Bund der Papaya-Koalition, ist mit dem Abschneiden seiner Partei zwar zufrieden – die FWG stellt weiter drei Ratsleute –, hat für den künftigen Kurs im Stadtrat aber „noch keine Lösung“. „Wir sind in Gesprächen, aber noch ist es zu früh, darüber etwas zu sagen.“

Für den CDU-Mann Hahn ist wichtig, „dass wir für die Dinge, die wir auf den Weg gebracht haben, auch in Zukunft stabile Mehrheiten finden“. Hahn spricht etwa die Haushaltskonsolidierung an, den Plan, neue Gewerbegebiete auszuweisen und Arbeitsplätze zu schaffen, sowie die Entwicklung in der Innenstadt.

Doch wo sollen stabile Mehrheiten herkommen? Zehn Parteien und Gruppierungen sind im neuen Stadtrat vertreten. Dort ist die CDU zwar mit 13 der 48 Sitze immer noch die Nummer eins. Aber um die Politik der vergangenen Jahre fortzusetzen, braucht sie mehr Partner als bisher – außer es käme zu einer großen Koalition aus CDU und der zweitstärksten Kraft im Rat, der SPD mit elf Sitzen. Beide zusammen hätten immerhin schon mal die Hälfte aller Mandate inne.

Wenn Martin Hahn mich nicht anruft, dann rufe ich vielleicht ihn an. Demokraten müssen miteinander reden.

Sven Lefkowitz

Eine Idee, die Sven Lefkowitz (SPD) jedenfalls nicht von vornherein ablehnt. „Wir als SPD sind gesprächsbereit und gewillt, an einem Strang zu ziehen“, betont er. „Wenn Martin Hahn mich nicht anruft, dann rufe ich vielleicht ihn an. Demokraten müssen miteinander reden.“ Mit dem Ergebnis seiner SPD, die einen Sitz abgeben musste, ist Lefkowitz angesichts der viel größeren Verluste der Sozialdemokraten bei der Europawahl fast schon zufrieden.

Als Mehrheitsbeschaffer kommen auch die kleinen Parteien und Gruppierungen infrage. Da wäre zum Beispiel „Ich tu’s – Die Bürgerinitiative“ mit zwei Mandaten. Da wären Die Linke und die Wählergruppe Etscheidt mit jeweils einem Mandat – wobei Jutta Etscheidt einräumt, dass ihr eine Zusammenarbeit mit der CDU schwerfallen würde, weil die Ideen in Sachen Gewerbeentwicklung und Energiewende doch ein gutes Stück auseinandergehen.

Auch BSW ist gesprächsbereit

Dann gibt es noch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das drei Mandate errungen hat. Eine Koalition unter Beteiligung von CDU und BSW wäre allerdings auch durchaus kurios. Tobias Härtling (BSW) signalisiert indes Gesprächsbereitschaft: „Wir sind nicht so stark, dass wir den ersten Schritt machen, aber wir sind für Gespräche offen.“

Und auch die FDP, die ebenfalls zwei Leute in den Stadtrat schickt, könnte zur Mehrheitsbeschafferin werden. Deren Fraktionsvorsitzender Dietrich Rühle begrüßt es, dass die Zeit der Papaya-Koalition abgelaufen ist. „Die haben an uns vorbei durchregiert“, sagt er. „Dass das jetzt vorbei ist, darüber bin ich froh.“ Rühle hofft, dass das Wahlergebnis dazu führt, dass im Stadtrat künftig eine bessere Diskussionskultur herrscht.

AfD will sich kundig machen

Und dann ist da noch die AfD. Die freut sich „sehr über das tolle Ergebnis“, wie Spitzenkandidat Rainer Koch sagt. Die extrem rechte Partei stellt mit acht Ratsleuten die drittstärkste Fraktion – wenngleich eine ohne viel Erfahrung. Sechs der acht gewählten AfDler hätten noch keine Erfahrung in der Stadtratsarbeit, sagt Koch. „Wir werden jetzt versuchen, uns in der Kommunalpolitik kundig zu machen.“

Den anderen Fraktionen dürfte das herzlich egal sein, denn eine Zusammenarbeit mit der AfD schließen sie kategorisch aus. „Es steht für uns glasklar fest“, sagt etwa Sven Lefkowitz, „dass wir mit denen keinen Millimeter weit gehen.“ In den vergangenen fünf Jahren habe die AfD im Stadtrat „keine Ideen und keine Konzepte für Neuwied“ gehabt. Das heben auch Martin Hahn und Regine Wilke hervor. Dass die AfD trotzdem so stark im Stadtrat vertreten ist, „das muss man erstmal verdauen“, sagt Wilke.

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