Linz – Welch erschütternde Szenen sich vor vielen Jahren in einer Familie aus einer Gemeinde im Kreis Neuwied abgespielt haben mögen, wird die Öffentlichkeit nie erfahren. Doch die Bruchstücke der Verhandlung, zu denen Richter Peter Marhöfer am Montag am Linzer Amtsgericht Beobachter zuließ, sprechen Bände. Es sind Einblicke in eine zerstörte Welt, in eine Kindheit, die offensichtlich nichts als Schmerz hinterlassen hat.
Dass das Verfahren für die beiden Opfer von damals, zwei heute 20 und 19 Jahre alte Frauen, dennoch etwas Gutes hatte, liegt daran, dass deren eigene Mutter sich nach zähen Befragungen am Ende ein Geständnis abgerungen hat. Zum ersten Mal seit mehr als 14 Jahren blickte sie ihren Töchtern ins Gesicht und sagte: „Ja, ich gestehe den Vorwurf ein.“ Der Vorwurf, das ist die damit erwiesene Tatsache, dass die heute 49-Jährige den beiden kleinen Mädchen irgendwann Mitte der 90er-Jahre mindestens einen Pornofilm gezeigt hat. Was den Kindern in dieser Zeit noch zugestoßen ist, erfuhren nur die Prozessbeteiligten.
Für den Missbrauch mit Pornoszenen muss die Angeklagte nun 90 Tagessätze à zehn Euro Strafe zahlen. Möglich ist stattdessen auch eine Arbeitsleistung, denn die Frau ist mittellos. Sie bezieht Hilfe zum Lebensunterhalt und sitzt auf einem großen Berg Schulden. Nüchtern, ohne sichtbare Regung offenbarte sie vor Gericht ihre persönliche Situation – zu der auch gehört, dass keines ihrer acht Kinder bei ihr aufwuchs. Alle sind in Pflegefamilien untergebracht.
Als Mutter und zwei Töchter sich gestern vor Gericht gegenübersaßen, war es der erste Kontakt nach fast anderthalb Jahrzehnten. Und er wird es wohl bleiben. „Willst du meine Telefonnummer haben?“, fragte die Mutter die jüngere Tochter nach Prozessende. „Nein“, antwortete diese nach kurzem Zögern. Ein klares Signal, dass das Band unwiederbringlich zerschnitten ist. Daran änderte die Entschuldigung der 49-Jährigen nichts: „Es tut mir leid, was euch passiert ist“, hatte sie gesagt. „Ich wünsche euch viel Besseres für die Zukunft. Und vielleicht haben wir ja mal Kontakt.“
Es war das Eingeständnis der Schuld, was die beiden Mädchen sich vom Prozess gegen die Mutter erhofft hatten. Die schwierige Aussage vor Gericht blieb ihnen dafür nicht erspart. Doch Richter und Anwälte befragten die Schwestern – beide erschienen mit Rechtsbeiständen – hinter verschlossenen Türen. Die Schilderungen aus einer Kindheit, die schwere Spuren in der Psyche hinterlassen hat, werden den Gerichtssaal nicht verlassen.
Sabine Balleier