Der alte Bahnhof war am Freitagabend, 27. Juni, bis auf den letzten Platz gefüllt. Zahlreiche Besucher waren gekommen, um den Politikwissenschaftler Herfried Münkler zu erleben. Im Rahmen der 24. Westerwälder Literaturtage, die unter dem Motto „Forever Young?“ stehen, stellte der Autor sein neues Buch "Macht im Umbruch" vor – bei einer von insgesamt 28 Lesungen, die in diesem Sommer in den Landkreisen Altenkirchen, Neuwied und dem Westerwald stattfinden.
Sabine Knorr-Henn von der Projektgruppe Jugend, Kultur und Soziales der Verbandsgemeinde Puderbach eröffnete den Abend mit nachdenklichen Worten über den rasanten Wandel unserer Zeit und übergab damit das Wort an die Hauptakteure des Abends. Jürgen Hardeck, Staatssekretär im Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration des Landes Rheinland-Pfalz, führte durch die Veranstaltung und stellte Herfried Münkler vor.

In „Macht im Umbruch“ analysiert Münkler die aktuellen weltpolitischen Verschiebungen und deren Auswirkungen auf Deutschland. Er fragt, wie sich das Land politisch, wirtschaftlich und kulturell neu aufstellen muss, um angesichts globaler Machtverschiebungen handlungsfähig zu bleiben innerhalb Europas. Dazu erklärt er, dass Deutschland und die EU künftig unabhängiger, widerstandsfähiger und strategischer agieren müssen, um ihre Rolle in einer zunehmend instabilen Weltordnung zu behaupten.
Zunächst verglich der Politikwissenschaftler zwei Reden Putins aus den Jahren 2001 und 2007, in denen dieser unter anderem den Verzicht auf eine Osterweiterung der NATO sowie den Rückzug der USA aus Europa forderte. Münkler stellte fest, dass die Kernaussagen beider Reden nahezu identisch seien, ein Zeichen dafür, dass Putins geopolitische Zielsetzungen konstant geblieben sind. Die deutsche Politik habe diese langfristige Linie jedoch nicht ausreichend erkannt und es daher versäumt, eine vorausschauende Strategie zu entwickeln.
„Putin geht es nur zum Teil um die Ukraine.“
Politikwissenschaftler und Autor Herfried Münkler
Im weiteren Verlauf ging Münkler auf den Krieg in der Ukraine ein: „Putin geht es nur zum Teil um die Ukraine. Sie ist für ihn ein Hebel, um größere geopolitische Interessen durchzusetzen. Im Zentrum steht für ihn das Schwarze Meer.“ Besonders deutlich werde das, so der Autor, durch Putins häufige Bezugnahme auf Katharina die Große, die jene Regionen einst für das Zarenreich erobert hatte.
Mit Blick auf die Rolle Deutschlands betonte er kritisch: „Wir sind ein Akteur, der kein Akteur ist.“ Damit unterstrich er die mangelnde strategische Ausrichtung deutscher Außenpolitik.“ Entscheidend für die Zukunft sei, ob es Deutschland als größtem Land in der Mitte Europas gelinge, seine wirtschaftliche, politische und kulturelle Stärke so einzusetzen, dass ein Zerfall Europas verhindert werden könne.

Ein Panorama menschlicher Sehnsucht
Elke Heidenreich, Herfried Münkler, Sabine Bode, Maxim Leo: Sie alle – und noch viele mehr – sind dieses Jahr zu Gast bei den Westerwälder Literaturtagen, die sich in ihrer 24. Ausgabe dem Thema „Forever young“ widmen.
Zum Abschluss der Veranstaltung beantwortete Münkler Fragen aus dem Publikum. Besonders großes Interesse galt den Gründen für den Aufstieg der AfD sowie der Rolle Chinas in der künftigen Weltordnung.