Ihre Gesichtszüge wirken herb, fast ein wenig männlich. Der Kopf ist hoch erhoben, die Haltung insgesamt sehr aufrecht, majestätisch. In ihrer Rechten hält sie eine Rose, stolz und siegesgewiss, wie ein Zeichen ihrer Macht als Himmelkönigin, während die linke Hand das faltenreiche Gewand zusammenrafft. Das Kind auf ihrem Schoß scheint sie kaum zu beachten, auch wenn das seinen rechten Arm nach der Rose – die weiße Rose ist ein Symbol der Jungfräulichkeit Mariens, die rote ein Symbol ihrer liebenden Anteilnahme an den Leiden Christi – ausstreckt.
Nach jahrzehntelangen Bemühungen, die schon der Vater von Dr. Reinhard Lahr, dem Geschäftsführer der Abtei-Rommersdorf-Stiftung, in die Wege geleitet hatte, hat sie das Kölner Schnütgen Museum, in dessen Besitz sie seit 1961 war, als Dauerleihgabe der Abtei übergeben. Unter einem klimatisierten Glasgehäuse hat die kleine mittelalterliche Skulptur ihren Platz im Kreuzgang gefunden, gegenüber dem rund 40 Jahre älteren Kapitelsaal.
„Für uns ist das ein ganz besonderer Tag und ein besonderes Ereignis“, meint Reinhard Lahr, als das rote Samttuch von dem Glasgehäuse gezogen wird und die Madonna ans Tageslicht kommt. Frisch restauriert in der Kölner Werkstatt von Verena Ebel und Sarah Grimberg, die vor Beginn der Arbeiten eine genaue Untersuchung der Holzskulptur vornahmen. Dabei entdeckten sie Fressgänge, die Schädlinge im Laufe der Jahrhunderte überall in dem Birnbaumholz, aus dem sie vermutlich geschnitzt wurde, hinterlassen haben, zahlreiche Risse, haarfein die meisten, einige auch größer, wie derjenige an der deshalb vom Abbruch gefährdeten Schnauze des das Böse symbolisierenden Drachens, auf dessen Kopf Marias linker Fuß ruht. Bei der Untersuchung wurden Spuren von insgesamt vier Farbfassungen über der originalen, von der Zeit in einen Elfenbeinton verwandelten Grundierung entdeckt; darunter Teile der Vergoldung der ersten Fassung und Überreste der hellblauen Farbe von Mantel und Kleid, die auf die zweite, 200 Jahre nach der Entstehung der Skulptur angefertigte Farbfassung hindeuten. Die beiden übrigen Fassungen sind, wie Verena Ebel erzählt, jüngeren Datums.
Nach der umfangreichen Konservierung und Restaurierung schimmert jetzt die Thronende Madonna in einem warmen, gebrochenen Goldton, unter dem stellenweise frühere Farbspuren zu erkennen sind, Spuren, die dazu verlocken, in Gedanken die wechselvolle Geschichte der Skulptur nachzuvollziehen, die nach 1914, nach den Zerstörungen während des Ersten Weltkriegs erst einmal in einer Privatsammlung Unterschlupf gefunden hatte, bevor sie das Schnütgen Museum erwarb.