Tragfähigkeit des Waldes ist langangelegtes Projekt für heimische Forstexperten
Mit Forschergeist zum Wald der Zukunft
Nötige Durchforstungsarbeiten gehören zu den Aufgaben im Herbst. Gerhard Willms, Produktleiter für Waldinformation, Umweltbildung und Walderlebnis des Forstamtes Dierdorf, und die FÖJlerin Lilli Wörsdörfer erläutern im Staatswald Rengsdorf, mit welcher Technik die rund 50 dicksten Douglasien eines Buchen-Douglasienmischbestandes zur Weiterverarbeitung entnommen werden, ohne den Waldboden zu stark zu belasten. Foto: Julia Hilgeroth-Buchner
Julia Hilgeroth-Buchner

Kreis Neuwied. Wer in diesen Tagen in den heimischen Wäldern unterwegs ist, der kann sich an der überwältigenden, lichtdurchfluteten Farbenpracht erfreuen. Doch nicht nur Naturliebhaber profitieren von der herbstlichen Witterung, auch die heimischen Forstexperten wissen sie zu nutzen. Für notwendige Durchforstungsarbeiten sind die verhältnismäßig trockenen Böden ideal, wie Gerhard Willms (Produktleiter für Waldinformation, Umweltbildung und Walderlebnis des Forstamtes Dierdorf) beim Ortstermin mit unserer Zeitung im Staatswald Rengsdorf demonstriert. „Hier wurde schweres Gerät zur Rückung eines entnommenen Douglasienbestandes eingesetzt“, erläutert er. „Man kann aber deutlich erkennen, dass die Reifenspuren in einem vertretbaren Maß bleiben. Wenn der Boden nass ist, entstehen viel tiefere Furchen.“

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Diese praktische Maßnahme ist nur eine von vielen, die den Wald auf den Winter vorbereiten. Dahinter steht jedoch ein Masterplan, der auf einer anderen Ebene abläuft und eher als visionäres Gesamtpaket bezeichnet werden muss. Denn der „Wald der Zukunft“ ist vor dem Hintergrund des Klimawandels schon lange keine kurzfristige Angelegenheit mehr, sondern ein Netzwerk aus intensiven Beobachtungen der Waldvitalität, der Erforschung eines möglichst zukunftstauglichen Baumbestandes und einem unablässigen, umsichtigen Experimentieren, das manchmal auch Fehlschläge impliziert. Uwe Hoffmann, Leiter des Forstamtes Dierdorf, erklärt, mit welchen Herausforderungen man sich konfrontiert sieht.

„Das Ergebnis der bundesweiten Waldinventur war, dass die Vorräte im Baumbestand insgesamt deutlich gesunken sind. Das sieht bei uns auf Landesebene anders aus“, so Uwe Hoffmann. „Bei uns sind die Vorräte noch gewachsen, und auch, wenn wir hier in einer Region sind, die viele Bäume verloren hat und in der viele Fichten abgestorben sind, ist es auf Landesebene so, dass wir das durch Zurückhaltung der Nutzung in anderen Bereichen überkompensiert haben.“ Für die Region selbst müsse trotzdem von großen Einbußen gesprochen werden, denn im Kreis gebe es etwa 5000 Hektar Kahlflächen.

„Es gibt Verluste und Mehraufwendungen für die Waldbesitzer in der Größenordnung von einer Viertelmilliarde. Das sind namhafte Beträge, die die Betroffenen nicht einfach so schultern können.“ Dadurch, dass der Klimawandel nun stark zuschlage, seien die Forstbehörden gezwungen, andere, passendere Baumarten zu finden. „Für unsere Region ist das aber etwas schwieriger, da wir an der warmen Seite von Rheinland-Pfalz sind.“ Das würde hinsichtlich des „kalten Westerwaldes“ niemand vermuten, die Region grenze im Grunde aber direkt an die geschützte Kölner Bucht.

Bekanntlich gebe es innerhalb des Kreises auch Lagen, die für Wein prädestiniert seien und die im Falle, dass es wärmer würde, für bestimmte Baumarten nicht mehr geeignet wären. „Dazu gehören auch unsere Standardbaumarten wie Buche und Eiche, die weniger vital werden und auf Dauer ,gehen. Von der Ausstattung her haben wir über 60 Prozent Baumarten, die eigentlich hier zu Hause sind. Sie sind nun gefährdet, und das macht uns Sorgen.“ Nun gelte es auch, neue Behandlungskonzepte zu finden, die zügiger zum Ergebnis kämen. Dazu gehört laut Uwe Hoffmann eine schnellere Verjüngung und die Technik, Bestände so „hinzustellen“, dass im Falle eines Ausfalls schon eine zweite Schicht an Bäumen darunter ist. Das erfordere Eingriffe und Geld. Die 5000 Hektar Kahlflächen seien teils bepflanzt und teils der Naturverjüngung unterstellt worden.

„Wir müssen auf diesen Flächen aber dafür sorgen, dass Baumarten, die im Klimawandel eine Chance haben, auch überleben können.“ Die Natur würde das nicht von sich aus regeln, sondern als Entwicklungszwischenschritt häufig Birke und Fichte und somit eher „Verlierer“ hervorbringen. Es führe also nicht zum Ziel, völlig auf Naturverjüngung zu setzen. Viele Bürger würden nicht wahrhaben wollen, dass Rheinland-Pfalz zu den Regionen mit den stärksten Veränderungen gehören werde. „Sie träumen sich den Wald von vorgestern und glauben, dass die Welt es schon heilt.“

Die Ermittlung der „richtigen“ Baumarten wäre ein langwieriger Lernprozess. Man habe bereits vieles probiert und auch „Hoffnungsträger“ verloren. Zwar sei erwiesen, dass sich viele Bäume in gewissem Maße an neue Bedingungen anpassen könnten. Der Klimawandel würde diese Fähigkeiten aber häufig überstrapazieren. Der Blick auf wärmeliebendere Arten südlich der Alpen wäre berechtigt, allerdings seien diese nicht resistent gegen die hierzulande typischen Spätfröste. Die Wahl geeigneter Arten sei folglich nicht einfach und oft auch nicht erschwinglich. „Wir versuchen, auf einem Großteil der Flächen mit Naturverjüngung zurechtzukommen, denn die finanziellen Mittel reichen nicht, um sie professionell zu begründen, zu schützen und zu pflegen.“

Besonders wichtig ist dem Forstamtsleiter Uwe Hoffmann, mit den Bürgern in Kontakt zu bleiben. „Wir müssen die Bevölkerung interessiert halten am Schutz eines solchen Biotops. Und auch, wenn wir kein Holz mehr brauchen sollten, ist der Wald einfach eine tolle Idee für die Landschaft und für alle Fragen, die wir als Gesellschaft zu lösen haben.“

Von Julia Hilgeroth-Buchner

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