Gutachter Michael Lobeck vom beauftragten Büro Promidare hat dem Verbandsgemeinderat Rengsdorf-Waldbreitbach jetzt die Ergebnisse von Erhebungen und Gesprächen mit Akteuren aus dem Gesundheitssektor in der Alt-VG Rengsdorf sowie in den VGs Dierdorf und Puderbach präsentiert – und dabei den Kommunalpolitikern und Verwaltungsvertretern auch praktische Handlungsempfehlungen an die Hand gegeben. Um eines vorwegzunehmen: Überraschende Wendungen nimmt die Debatte um den Erhalt vorhandener Hausarztpraxen aber nicht.
Die Studie haben die drei VGs in der Raiffeisenregion bereits vor der Pandemie dank Leader-Fördermittel auf den Weg gebracht. Und der Hintergrund ist ernst, denn längst nicht jeder praktizierende Hausarzt in den drei VGs sieht seine Nachfolge als gesichert an. Lobeck machte zudem darauf aufmerksam, dass der Ärztenachwuchs von heute nicht „rund um die Uhr in einer Landarztpraxis arbeiten will, er will im Team arbeiten und sich so eine möglichst ausgewogene Work-Life-Balance bewahren“. Noch dazu würden viele junge Ärzte davor zurückschrecken, zunächst durch Investitionen in die Praxisausstattung in Vorlage zu treten und sich obendrein mit dem Bürokratismuswust herumschlagen zu müssen. So würden sich viele angehende Mediziner für eine andere Fachrichtung entscheiden oder sich Stellen als angestellter Arzt suchen.
Die Lehre daraus: Teamarbeit, weniger Investitionsrisiko, flexiblere Arbeitszeiten und ärztliche Kooperationsmodelle – alles das bieten sogenannte Gesundheitszentren, verbunden mit dem Nachteil, dass dann die Wege für die Patienten länger werden, so Lobeck. Das wiederum fordert aus Sicht des Experten von den Kommunen, sich über ein dazu passendes Mobilitätskonzept Gedanken zu machen. Exemplarisch führte Lobeck die Bürgerbusangebote in Puderbach und Rengsdorf an und empfahl auch den Dierdorfern, einen Bürgerbus ins Leben zu rufen. Diese Fahrdienste müssten dann auch die medizinische Infrastruktur stärker mit in den Blick nehmen.
Eine erste Maßnahme wäre, freiwillig größere Einheiten zu bilden.
Gutachter Michael Lobeck
Aktuell sieht es bei den niedergelassenen Ärzten wie folgt aus: Mehr als ein Arzt pro Praxis ist in den insgesamt 16 Hausarztpraxen in den drei VGs noch die Ausnahme. Lobeck nannte dazu Zahlen: „Wir haben neun Praxen mit einem Arzt, fünf Praxen mit zwei Ärzten sowie jeweils eine Praxis mit drei und vier Ärzten erfasst.“ Das Interesse an einer stärkeren Kooperation haben die Gutachter bei den Medizinern abgefragt. Genauso stand die Frage im Raum, wer sich vorstellen kann, innerhalb eines Gesundheitszentrums zusammenzuarbeiten? „Es gibt durchaus eine gewisse Zahl von Ärzten, die sich das vorstellen können. Es haben aber nicht alle Hurra geschrien“, berichtete Lobeck. Das wiederum machte er daran fest, dass die Ärzte sich alle in einer geregelten Situation befänden und wahrlich nicht über mangelnde Arbeit klagen könnten.
Daraus folgerte der Experte: „Eine erste Maßnahme wäre, freiwillig größere Einheiten zu bilden.“ Ein erster Schritt scheint bereits getan. Lobeck sprach davon, dass Mediziner nach dem Workshop am 29. Juni ein Ärztenetzwerk angestoßen hätten. Ein erstes Treffen soll es schon gegeben haben. Das sei ein gutes Zeichen.
Lobeck führte weitere Punkte an, die helfen könnten, die Gesundheitsversorgung auf gesündere Füße zu stellen. Dazu zählt die Weiterbildung von Arzthelferinnen zu Versorgungsassistentinnen. Diese könnten den Arzt etwa bei Hausbesuchen entlasten. „Das müsste dann natürlich auch entsprechend vergütet werden“, sagte Lobeck. Zudem müsse es in weiteren Debatten darum gehen, mehr Möglichkeiten für angestellte Ärzte zu schaffen. Darüber hinaus könne man ausloten, wer gern mit dem Krankenhaus in Dierdorf kooperieren wolle und wie man die Nachwuchsförderung stärken kann. Dabei verwies Lobeck darauf, dass es in den drei VGs „fast völlig an Weiterbildungsermächtigungen fehle.
Bündeln Sie die Kompetenzen in einer Servicestelle für die Gesundheitsregion.
Michael Lobeck
Eine zentrale Empfehlung des Gutachters lautete: „Bündeln Sie die Kompetenzen in einer Servicestelle für die Gesundheitsregion.“ Diese Stelle sollten sich die drei VGs leisten können, wobei Rengsdorf noch um Waldbreitbach gewachsen ist. Obendrein könne auch dafür eine Leader-Förderung geprüft werden. Eine Person, die sich um die Nachfolge für Arztpraxen kümmert, könnte jedenfalls viel erreichen, etwa Kontakt zu angehenden Medizinern halten, organisieren, dass diese ihre Praxiszeit in der Region absolvieren und dann im besten Fall auch hier Fuß fassen. Die Servicestelle könnte auch eng mit dem Kreis zusammenarbeiten, der sich ebenfalls die Gesundheitsversorgung zur Aufgabe gemacht habe.
Wir sind erfreut, dass Sie zu ähnlichen Erkenntnissen gekommen sind, wie sie auch in unserem Antrag formuliert waren.
Günter Jung (FDP)
Für die Alt-VG Waldbreitbach, die nun mit im Boot sitzt, ließen sich die Vorschläge problemlos übertragen, so Lobeck. Bürgermeister Hans-Werner Breithausen sieht die Servicestelle als nächsten Schritt an. Birgit Haas (SPD) zeigte sich wie Viktor Schicker (CDU) froh darüber, dass man erst den Bericht von Lobeck abgewartet habe, ehe nun konkrete Schritte erfolgen könnten. Und Günter Jung (FDP), dessen Fraktion sich zusammen mit der FWG für ein paralleles Vorgehen innerhalb der VG Rengsdorf-Waldbreitbach starkgemacht hatte, um Zeit zu sparen, sagte: „Wir sind erfreut, dass Sie zu ähnlichen Erkenntnissen gekommen sind, wie sie auch in unserem Antrag formuliert waren.“