Kreis Neuwied
Maaßen-Posse sorgt für viel Kopfschütteln - auch bei Politikern im Kreis Neuwied
Hans-Georg Maaßen: Diese Personalie sorgt für Wirbel - auch in politischen Kreisen im Kreis Neuwied.
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Kreis Neuwied. Entlassen und befördert: Der Fall Maaßen hält die politische Szene in Atem - auch im Kreis Neuwied. Wir haben uns mit Politikern unterhalten - und teils drastische Reaktionen erhalten.

„Beim Schwarzfahren erwischt: Maaßen erhält kostenloses Monatsticket“, witzelte kürzlich das Internet-Satiremagazin „Der Postillon“ – und war damit nicht alleine. Hohn, Spott und Kritik regnet seit Tagen auf die Große Koalition in Berlin herab. Die Politikverdrossenheit wächst. Das sehen auch die Politiker von SPD und CDU aus dem Kreis Neuwied so, die bei einer Umfrage der Rhein-Zeitung fast einhellig von einem Schaden für die Demokratie sprechen. Der Hauptschuldige steht dabei für viele fest – aber nicht für alle ist es der Gleiche.

Für den SPD-Kreisvorsitzenden und Landtagsabgeordneten Fredi Winter ist es ganz klar Horst Seehofer. Und deshalb fordert er ein Machtwort der Kanzlerin, appelliert, dass sie einer Ernennung Maaßens zum Staatssekretär nicht zustimmt. „Wenn sie Interesse an einer Fortsetzung der Großen Koalition hat, kann sie das nicht unterschreiben“, findet er und erinnert an die Kassiererin, die einst wegen der Unterschlagung eines 30-Cent-Pfandbons gefeuert worden ist. „Für solche Leute kämpfe ich“, betont er.

Mit seiner eigenen Parteivorsitzenden geht SPD-Mann Winter zwar etwas milder um, hält aber auch fest, dass Andrea Nahles „keine Glanzleistung“ abgeliefert hat. „Ich saß ja nicht mit am Tisch. Aber sie hätte hartnäckiger sein müssen“, findet er.

Mit Neuwahlen will sich Winter nicht befassen. „Da käme nicht viel anderes heraus“, glaubt er. Hoffnung hat er dafür, das sich das Problem Seehofer mit der Landtagswahl in Bayern erledigt. Das Machtwort der Kanzlerin müsse darauf trotzdem nicht warten.

Demuth (CDU) fordert Seehofers Entlassung

„Tiefpunkt. Merkt diese Runde in Berlin eigentlich noch irgendwas? Politikverdrossenheit statt Rückgrat und Problemlösungskompetenz. Schwach! Hilflos! Formatlos! Es reicht!“ Mit diesen deutlichen Worten hat die Linzer CDU-Landtagsabgeordnete Ellen Demuth die Beförderung von Hans-Georg Maaßen zum Innenstaatssekretär bei Facebook kommentiert. Und sie geht sogar noch einen Schritt weiter: „Die richtige Lösung wäre gewesen, Seehofer und Maaßen zu entlassen und das Gespräch und Schulterschluss mit den verbleibenden Protagonisten in der CSU zu sichern.“ Seehofer schadet „seinen Freunden“ Berlin und Bayern, schimpft die Christdemokratin. ulf

Als Teil einer Großen Koalition auf Kreisebene, in der man vertrauensvoll zusammenarbeite und Unstimmigkeiten intern kläre statt sie nach außen zu tragen, sieht der Erste Kreisbeigeordnete Michael Mahlert (SPD) im Bundesinnenminister die „Mutter allen Übels“ und formuliert deutlich: „Seehofer ist nicht mehr tragbar.“ Der CSU-Chef ordne „alles der bayerischen Landtagswahl unter“ und sorge damit für wachsende Probleme in der Koalition. „Auch Merkel wird das einholen“, ist er sich sicher. Der SPD ginge der Streit an die Substanz. „Wir müssen aufpassen, dass wir vor lauter Staatstragerei nicht als Partei untergehen“, betont Mahlert. Dennoch sei ein Bruch der GroKo aufgrund der Personalie Maaßen nicht der richtige Ausweg aus dem Teufelskreis, für den er in erster Linie Seehofer verantwortlich macht.

Anders sieht das der CDU-Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Erwin Rüddel. „Das große Problem war die Rücktrittforderung, die Frau Nahles formuliert hat, die das alles ausgelöst hat“, sagt Rüddel. Ohne Rücktrittsforderung wäre die Causa Maaßen, der ja insgesamt dennoch gute Arbeit gemacht habe, nach Ansicht Rüddels in zwei bis drei Tagen erledigt gewesen. Dass Maaßen nun zum Staatssekretär aufsteigt, schmeckt indes auch Erwin Rüddel nicht wirklich: „Die Demokratie lebt von Kompromissen. Manchmal gelingt ein guter, und das war ein eher schlechter.“ Allerdings könne man auch nur Kompromisse machen „mit den Leuten, die da sind. Und die Kanzlerin ist nicht in der starken Rolle, dass sie ihren Koalitionspartnern etwas vorgeben kann“, sagt Rüddel. Mit diesen sieht der CDU-Politiker weitere Probleme programmiert, denn die SPD sei mehr mit eigenen Problemen beschäftigt. „Mir wäre eine Jamaikakoalition wesentlich lieber gewesen, denn da wären alle Koalitionäre in sich wesentlich gefestigter gewesen.“

Lana Horstmann, die Neuwieder SPD-Stadtverbandsvorsitzende steht voll hinter der Entscheidung, den Rücktritt von Maaßen zu fordern. Enttäuscht ist sie jedoch vom Ergebnis: „Es hätte mehr Druck aufgebaut werden müssen. Man hätte ganz klar sagen müssen, dass der Weg so nicht mitgegangen wird“, kritisiert sie die Parteispitze. Horstmann ist der Auffassung, dass die CSU – ein Scheitern der Koalition im Blick – die Regierungsverantwortung nicht riskiert hätte.

Dass Maaßen für seine Fehltritte nun noch mit einer Beförderung belohnt wird und dafür ein „ausgewiesener Fachmann“ seinen Platz räumen musste, bezeichnet Horstmann als „falsches Signal“ für die Bevölkerung. „Wer solche Personalentscheidungen fällt, der braucht sich über Politikverdrossenheit nicht wundern. Das ist wieder Wasser auf die Mühlen der AfD“. Statt Nahles zu kritisieren oder die Große Koalition in Frage zu stellen, hofft Horstmann darauf, dass die Entscheidung vielleicht doch noch revidiert wird. Und vor allem: „So was darf nicht noch mal passieren.“

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