Der Liedermacher und Kabarettist Sven Garrecht gab ein umjubeltes Gastspiel im Waldbreitbacher Hotel zur Post
Liedermacher und Kabarettist Sven Garrecht in Waldbreitbach: Von „Kleinstadttigern“ und sexy Politessen
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Wortakrobat, „Liederschmieder“ und Tausendsassa am Klavier: Der mit vielen Kleinkunstpreisen ausgezeichnete Kabarettist Sven Garrecht begeisterte das Publikum in Waldbreitbach mit seinem Programm „Wenn nicht jetzt, wo sonst?“. Foto: Julia Hilgeroth-Buchner
Julia Hilgeroth-Buchner

Sven Garrecht ist mit seinem Programm "Wenn nicht jetzt, wo sonst?“ im Hotel zur Post in Waldbreitbach zu Gast gewesen. Der Wortakrobat begeisterte am Sonntagabend (3. November) das Publikum.

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Sven Garrecht macht sich Gedanken. War früher wirklich alles besser? Gibt es so etwas wie eine „Quarterlife-Crisis“? Haben „Heldenlieder“ ausgedient? Warum gibt es keine Streitkultur mehr? Und weshalb, verflixt noch mal, verschmäht ihn die deutsche Weinkönigin, obwohl er so einen schönen Song für sie geschrieben hat?

Fragen über Fragen, die alle dringend beantwortet werden müssen. Und dazu hätte sich der aufstrebende Liedermacher, Kabarettist und Pianist keinen geeigneteren Ort als die urige, überregional bekannte Kleinkunstbühne des Hotel zur Post in Waldbreitbach aussuchen können. Kaum auf die Bühne gehüpft, saß Sven Garrecht auch schon am Klavier und reimte zum Vergnügen des Publikums Fröhlich-Freches über Waldbreitbach.

Lustige Reise durch sein bewegtes Leben

Um es gleich vorwegzunehmen: Die Besucher waren dem Gewinner vieler Kleinkunstpreise im Grunde von der ersten Minute an verfallen. Das lag nicht nur an dessen grandioser, rasanter Wortkunst, die geschliffenen Witz und intellektuelle Formulierungsfreude vereinte. Nein, der Sprachakrobat erwies sich in seinem Programm „Wenn nicht jetzt, wo sonst?“ auch als Meister im Liederschmieden und als Tausendsassa am Jazzklavier. Ganz schön viele Talente auf einmal also, mit denen der aufstrebende Künstler fast zwei Stunden lang um sich warf. War das nicht furchtbar anstrengend? Im Gegenteil, denn von Chaos war keine Spur. Garrecht zerlegte den prallvollen Abend in gut nachvollziehbare Kapitelchen, mit deren Hilfe er das Publikum durch sein bewegtes Leben zerrte.

Schließlich hat er einiges zu erzählen. Da war die in Kindertagen verschluckte Murmel, die zu seiner Überraschung erst kürzlich wieder ans Tageslicht kam und sich doch vorzüglich als Gratissouvenir für CD-Käufer eignet. Da war die Hommage an Seligenstadt, seine Heimat, in der die „Kleinstadttiger“ („Männer mit zu engen Hosen und neuen Hüften“) auf Brautschau gehen. Da war aber auch sein Haupthaar, das ihn schon in recht jungen Jahren verlassen hat („Ab der Stirn ist nur noch ödes Land“) – eine Tatsache, die ihn nun zum notorischen Mützenträger macht.

Hoffnung auf Veränderung in der Kirche

Darüber hinaus dachte Garrecht laut über den inneren Schweinehund, über die Genderdebatte, über seine Qualitäten als bekennender Schwiegermutterschwarm und viele andere Zu-, Miss- und Umstände nach. Dabei schlug er mitunter auch leise, nachdenkliche Töne an. Als er von einer Kampagne junger Priester berichtete, die sich für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare eingesetzt hatten, wurden die Besucher mit einem Mal ganz still. Und der anschließende Song „Diese Staubschicht“ über die von vielen Menschen ersehnte Reform der katholischen Kirche verfehlte seine Wirkung nicht.

Das alles gelang auch deshalb so vortrefflich, weil es Sven Garrecht nie beim plumpen Raushauen von Pointen beließ. Neben seinen unglaublich virtuosen Klaviereinlagen bediente er sich einer Vielfalt an dichterischen Formaten. Unter anderem erwies er sich als äußerst kreativer Produzent von Limerick-Reimen, die sonst immer ein bisschen überholt wirken, bei Garrecht aber als kurzer und knackiger Vermittler unverblümter Botschaften dienen. Das Publikum lachte jedenfalls Tränen über die tiefgründigen Fünfzeiler aus dem Märchenreich.

Ode an Lieblingspolitesse

Und später auch über die stilistisch ganz anders gelagerte, raffiniert komponierte und sprachlich brillant ausgetüftelte Ode an die körperlichen Vorzüge seiner Lieblingspolitesse. Mit „Für Elise“, einer großartigen und ziemlich coolen Interpretation des Beethoven-Werkes, ging die Show zu Ende. Fazit: Sven Garrecht bot dem Publikum mit seinem jungenhaften Charme, seinen hand- und hausgemachten Liedern, seiner scharfen Beobachtungsgabe und seiner springlebendigen Bühnenpräsenz einen mehr als lohnenswerten Abend, der ganz sicher in die Erfolgsgeschichte der Waldbreitbacher Kleinkunstbühne eingehen wird.

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