Wie die Initiative Foodsharing mit heimischen Betrieben kooperiert
Lebensmittelrettung in Neuwied: Initiative Foodsharing kooperiert mit heimischen Betrieben
Die Lebensmittelretter (von links) Nathalie Schneider, Christian Stauber und Nicole Collé (rechts) von der Foodsharing-Gruppe Neuwied holen eine Ladung bei Kooperationspartnerin Elke (2. von rechts) von Elkes Obsthalle in der Neuwieder Innenstadt ab. Foto: Jörg Niebergall
Jörg Niebergall

Neuwied. Ob es der volle Kühlschrank vor dem Urlaub ist, die zu viel gekaufte Käsepackung oder eine ganze Charge Joghurt im Supermarkt, die für die neue Lieferung Platz machen muss: Lebensmittel wegzuwerfen, egal aus welchem Grund, fühlt sich nicht nur falsch an, sondern ist, gemessen am hohen CO2-Verbrauch für die Produktion, zudem richtig schlecht fürs Klima.

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Auch im Kreis Neuwied setzen sich immer mehr Menschen dafür ein, dass weniger Lebensmittel auf dem Müll landen. Die Neuwiederin Nathalie Schneider (37) leitet den Bezirk Neuwied-Andernach des international tätigen Vereins Foodsharing. Von ihr hat sich die RZ erklären lassen, wie man Lebensmittel retten kann.

1 Wie kann man sich am Teilen oder Retten von Lebensmitteln beteiligen? Jeder kann sich als Privatperson in dem Netzwerk anmelden, ein Profil anlegen und privat mit anderen Nutzern als Foodsharer Lebensmittel tauschen und teilen. Wer als Foodsaver aktiv bei der Lebensmittelrettung mitmachen möchte, kann auf der Internetseite des Vereins dem Bezirk Neuwied/Andernach beitreten. In einem obligatorischen Quiz lernt man grundlegende Regeln kennen, welche Lebensmittel überhaupt verteilt werden dürfen, wie sie gelagert werden müssen und was mit dem Müll passiert. Es folgen mehrere Einarbeitungen in kooperierenden Betrieben, wo wichtige Regularien vermittelt werden, etwa zur Kühlkette, erklärt Schneider.

2 Wer macht mit? In der Neuwieder Gruppe sind aktuell 184 Foodsaver aktiv. Sie betreuen 18 Kooperationen mit Supermärkten, Bäckereien und kleineren Läden wie in Neuwied zum Beispiel die Eifeler Backstube und Elkes Obsthalle. Nicht alle wollen ihr Engagement öffentlich machen. „Es gibt Supermärkte, deren oberste Geschäftsführung gern kooperiert, dies jedoch nicht öffentlich betreiben möchten. Was natürlich sehr schade ist, denn die Richtung ist ja momentan, dass Nachhaltigkeit einen immer größeren Stellenwert in der Gesellschaft einnimmt“, sagt Schneider.

3Wie läuft eine Rettungsaktion ab? Wenn ein Markt oder ein Unternehmen mit dem Verein Foodsharing zusammenarbeiten möchte, übernimmt ein Foodsaver die Verantwortung für den Betrieb. „Geklärt werden muss dann zum Beispiel, wie oft und wann wir Lebensmittel abholen und wie groß die Menge jeweils ist“, sagt Schneider. Die Kooperation wird als Team im System angelegt, und Foodsaver können sich bewerben. 20 bis 25 Leute im Neuwieder Bezirk tragen sich regelmäßig in diesem Team für Termine ein. Im Betrieb müssen die Lebensmittel erst einmal sortiert werden. Was wirklich hinüber ist, kommt in den Müll, was in Ordnung ist, nehmen die Foodsaver mit. Die Zusammenarbeit mit den kooperierenden Unternehmen läuft laut Schneider in aller Regel positiv. „Manchmal gibt es den einen oder anderen Mitarbeiter, der sich noch nicht mit Foodsharing auseinandergesetzt hat und nicht versteht, warum da Personen kommen und die Lebensmittel umsonst mitnehmen. Da muss man dann Aufklärungsarbeit leisten, dass das keine private Bereicherung ist und die Sachen sonst im Müll landen würden.“ Die Tafeln haben übrigens immer Vorrang. „Wenn ein Betrieb Lebensmittel an die Tafel abgeben möchte, dann sind wir froh, dass sie dort hingehen und unser Einsatz gar nicht erst notwendig ist.“

Und dann gibt es auch noch sogenannte Großrettungen, erzählt Schneider von der Anfrage eines Unternehmens im Kreis Neuwied, das „anhängerweise“ vegetarischen Aufschnitt abzugeben hatte. „Der war einfach nur falsch etikettiert, aber ansonsten vollkommen in Ordnung. Alles wurde verteilt über Gruppen bei Facebook und WhatsApp. Es wurde viel eingefroren“, erinnert sich die 37-jährige Neuwiederin.

4 Was passiert mit den geretteten Lebensmitteln? Jeder Foodsaver hat sein Netzwerk an Abnehmern im persönlichen Umfeld. Im Gegensatz zur Tafel muss dabei ausdrücklich keine Bedürftigkeit gegeben sein. Jeder kann mitmachen, vom Studenten bis zur Akademikerfamilie, die den nachhaltigen Zweck unterstützen möchte. „Wichtig ist, dass man Lebensmittel retten möchte – und sie dann auch verbraucht“, betont Nathalie Schneider. Nach der Flutkatastrophe wurden viele Lebensmittel ins Ahrgebiet gebracht. „Das ist auch Foodsharing, die Sachen dorthin zu bringen, wo sie benötigt werden“, ergänzt Schneider. Selbst bedienen können sich Abnehmer an zentralen Orten, an denen die Initiative gerettete Lebensmittel zu festgelegten Öffnungszeiten für alle Interessierten zugänglich macht. „Wir hatten bis vor Kurzem einen solchen ,Fairteiler‘ im Sonnenland in der Gemeinde Heilig Kreuz, der jedoch Corona-bedingt schließen musste. Wir versuchen aber, das wieder ans Laufen zu bringen“, erzählt Schneider. Ein neuer Standort in Andernach sei im Gespräch.

5 Was ist die Motivation der Lebensmittelretter? Die größte Motivation sind Medienberichte über Lebensmittelverschwendung und über die ungleiche Verteilung von Lebensmitteln global, sagt Schneider. „Viele möchten sich einsetzen und etwas dagegen tun. Wenn man die Mengen sieht, die da weggeworfen werden, obwohl es sich um einwandfreie Lebensmittel handelt, regt das zum Nachdenken an.“ Pro Jahr werden in Deutschland 12 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen, 52 Prozent davon in privaten Haushalten, sagt Schneider. „Das ist so eine Zahl, die mich dazu gebracht hat zu denken: Wenn jeder für sich im privaten Bereich nachhaltiger mit Lebensmitteln umgeht und Lebensmittelabfälle vermeidet, kann man schon sehr viel bewegen.“

Anmelden und weiter informieren kann man sich unter https://foodsharing.de

Von unserer Redakteurin Simone Wittig

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