Die Erntesaison für die Landwirte im Kreis Neuwied ist so gut wie gelaufen. Der Mais steht derzeit noch auf den Feldern und wartet auf schweres Gerät. Sollten ansprechende Kornmengen zusammenkommen, könnte das die Erntebilanz noch ein wenig aufhübschen. Bislang bilanzieren die Landwirte, mit denen unsere Zeitung gesprochen hat, jedenfalls durch die Bank unterdurchschnittliche Erträge beim Getreide. Von Zufriedenheit könne also keine Rede sein. Besser sah es hingegen bei der Grünlandbewirtschaftung aus.
Wetterabhängiges Lotteriespiel
Ulrich Schreiber, Landwirt in Dierdorf und Kreisvorsitzender des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau, verweist mit Blick auf den Getreideanbau zunächst auf die feuchte Periode von Herbst bis Frühjahr hin. „Vom Wetter her war das für die Landwirte ein richtiges Lotteriespiel“, sagt er. Starker Regen im Herbst habe die Aussaat von Weizen erschwert. Böden waren so nass, dass sie nicht mit Traktor und Co. befahren werden konnten. Und dann sei die Saat teils schlicht aus dem Acker geschwemmt worden. „Letztlich gelang es nicht allen, Weizen in den Boden zu bringen“, weiß Schreiber. Und wenn dann noch Hagel niedergeht, sind die Bauern vollends machtlos. „Da hilft dann nur noch eine Versicherung“, weiß Markus Mille, Geschäftsführer vom Bauern- und Winzerbverband.
Die beim Weizen erzielten Erträge schätzen Landwirte wie Günther Runkler aus Woldert und Werner Neumann aus Neuwied als „absolut unterdurchschnittlich“ ein. Bis zu 25 Prozent weniger Ausbeute landete in den Silos. Runkler sieht sogar teils Verluste in Höhe von 40 Prozent. Dabei habe es in den Vorjahren noch sehr gute Erträge gegeben. Für Runkler liegt das mitunter auch daran, dass die im Vorjahr verwendeten Weizensorten, die gegen Dürre resistenter sind, in diesem Jahr wegen der vermehrten Niederschläge offenbar nicht so gut funktioniert haben. „Die Pflanzen sahen zwar gut aus, unterm Strich fiel aber der Ertrag deutlich geringer aus“, sagt er.
1985 haben wir 45 Mark für den Doppelzentner bekommen, also etwa 22 Euro. Die haben wir jetzt noch nicht erreicht.
Landwirt Werner Neumann
Auch die Qualität des Weizens ließ zu wünschen übrig. Laut Ulrich Schreiber ließ sich kaum Weizen für die Brotherstellung vermarkten. Viel Korn wanderte somit als Futtergetreide auf den Markt. Richtig unerfreulich für die Landwirte: Der Preis für Weizen entwickelte sich in den Keller. Erwirtschafteten sie mit Beginn des Ukrainekrieges und nach Corona noch gutes Geld, als der Preis kurzzeitig bei mehr als 30 Euro pro Doppelzentner lag, dümpelt der Preis nun laut Werner Neumann um die 20-Euro-Marke. Für Neumann ein „Witz“ angesichts seiner folgenden Worte: „1985 haben wir 45 Mark für den Doppelzentner bekommen, also etwa 22 Euro. Die haben wir jetzt noch nicht erreicht.“
Schreibers Amtskollege im Westerwaldkreis, Matthias Müller, führt drei Gründe für die Preismisere an: mehr ukrainisches Getreide auf dem deutschen Markt, was preisdämpfend wirkte, Rekordernten in den Jahren 2022 und 2023 in Russland, das sein Getreide unterhalb des Weltmarktpreises verkaufte, und Rekordernten in den USA und in Brasilien, was zu Verdrängungseffekten auf dem Weltmarkt geführt habe. Warum sich der Preis nicht erholt, wo doch in ganz Europa die Ernten schlechter ausgefallen seien, bleibt nicht nur für Günther Runkler ein Rätsel. Letzterer weist jedenfalls auf die unmittelbaren Folgen für die Landwirte auch im Kreis Neuwied hin: „Angesichts der zudem gestiegenen Betriebskosten fehlt in diesem Jahr einiges an Liquidität.“
Das nasse Frühjahr machte auch die Aussaat von Hafer und Gerste schwierig, so Schreiber. Auch bei diesen Sorten sei die Ertragslage „nicht so prickelnd“ ausgefallen. Die Verlustquote von um die 25 Prozent würde auch bei diesen Getreidesorten zu Buche schlagen.
Unterschiedliche Aussagen zum Raps
Was den Raps angeht, fällt die Bilanz unterschiedlich aus. „Einige sagen, die Ernte war gut, andere sagen, sie war weniger gut“, berichtet der Kreisvorsitzende. Grundsätzlich sei das von Witterung und Bodenqualität abhängig. „Manchen sind die Pflanzen auch von Mäusen abgefressen worden, die sich auf dem Acker durchaus zu einer Plage entwickeln können“, so Schreiber. Günther Runkler spricht von punktuell erzielten Ertragsverlusten beim Raps in Höhe von bis zu 50 Prozent. Im Schnitt hätten sie bei mindestens 20 Prozent gelegen.
Mais steht auf ersten Blick gut da
Der Mais könnte die Bilanz noch ein wenig aufpolieren. Wenngleich auch bei diesem Getreide der Start wetterbedingt missglückte. „Auf einigen Flächen konnte Mais erst im Juni statt im April gesät werden“, berichtet Runkler. Wasser habe es dann genug gegeben. Der überwiegend trockene August habe dann bei der Reifung des Korns geholfen. „Der Körnermais steht noch auf den Feldern. Die Kolben sind relativ gut ausgeprägt“, sagt Neumann.
Ob die Maisernte gut ausfällt, entscheide sich dennoch erst an der Waage. Beim Silomais hat es laut Neumann bereits niedrigere Erträge gegeben: „Wegen der Probleme bei der Aussaat ist der lückenhafter gewachsen, für den gleichen Ertrag wie im Vorjahr hätte es mehr Fläche gebraucht.“
Blicken wir noch auf die Bilanz für Grünland. Anders als in den Dürrejahren führte die feuchte Witterung zu einer besseren Bilanz. Allerdings gab es auch regenreiche Perioden, „da sind die Maschinen regelrecht abgesoffen und haben tiefe Spuren hinterlassen“, weiß Ulrich Schreiber. Dennoch, wie Günther Runkler bescheinigt, fiel die Ernte „bei uns eigentlich sehr gut aus“. Lediglich der August sei so trocken gewesen, dass der vierte Schnitt in Mitleidenschaft gezogen worden ist: „Das konnten wir aber verschmerzen.“
Obsternte fiel überdurchschnittlich aus, wo keine Frostschäden auftraten
Beim Obstgut Müller in Neuwied fällt die Erntebilanz ganz anders aus als bei den Landwirten drum herum. Beim größten Anbauer von Obstsorten aller Art gab es zwar auch Klippen zu überwinden, dennoch hat es laut Inhaber Michael Müller zu einer „überdurchschnittlichen Ernte“ gereicht. Das Problem für alle übrigen Obstanbauer in den Gärten landauf landab waren ein paar ziemlich kalte Nächte im Frühjahr.
Diese fielen besonders ins Gewicht, weil die Vegetationsphase schon zehn Tage früher als sonst gestartet war. Bei vielen Obstanbauern, wie die in den Schrebergärten, gingen durch den Frost bereits erwartete Ernten verloren. Michael Müller konnte sich jedoch wieder einmal auf seine Anlage für die Frostschutzberegnung verlassen. Das feuchte Wetter sorgte obendrein dafür, dass die „Kaliber“, also die Durchmesser der Äpfel größer ausgefallen sind als in den Vorjahren.
Da das Obstgut in der Regel die gleichen Mengen von den Apfelbäumen herunterholt, weil Mitarbeiter im Sommer hingehen und für eine Handausdünnung an jedem einzelnen Baum sorgen, lag das Ernteergebnis aufgrund größerer Früchte über dem der Vorjahre. Die Ausdünnung beim Fruchtbesatz bringt zudem noch einen Vorteil mit sich. „Dadurch überarbeiten sich die Bäume nicht und legen im Holz wieder genügend neue Blüten für das nächste Jahr an“, sagt Müller. rgr