Spurensuche im Kreis Neuwied
Landratswahl 2025: Warum es keinen Gegenkandidaten gibt
Vom Kreishaus in Neuwied leitet der Landrat die Geschicke. Achim Hallerbach (CDU) ist seit dem Jahr 2018 Amtsinhaber und steht nun vor seiner Wiederwahl.
Archiv Jörg Niebergall

Am 6. April sind mehr als 143.000 Menschen im Kreis Neuwied aufgerufen, an der Landratswahl teilzunehmen. Eine echte Wahl haben sie allerdings nicht in diesem Jahr, denn nur Amtsinhaber Achim Hallerbach (CDU) kandidiert. Doch woran liegt das?

Am 6. März war für Neuwieds Landrat Achim Hallerbach (CDU) ein besonderer Tag: Der Asbacher feierte seinen 59. Geburtstag. Einen Monat später will der Christdemokrat ebenfalls Grund zum Feiern haben: Denn am 6. April kandidiert er für eine zweite Amtszeit als Landrat für weitere acht Jahre. Seit dem Abend des 17. Februar steht fest, dass Hallerbach ohne Gegenkandidaten in die Wahl geht. Die 143.666 Wahlberechtigten im Kreis Neuwied können ihn also nur wählen oder abwählen.

CDU-Mann Hallerbach wurde im Jahr 2018 Nachfolger von Langzeit-Landrat Rainer Kaul (SPD), der von 1993 bis 2017 das Amt innehatte. Im Wahljahr 2017 musste sich der langjährige Erste Kreisbeigeordnete Achim Hallerbach noch gegen Michael Mahlert (SPD), damaliger Bürgermeister der VG Bad Hönningen, durchsetzen. Der unterlegene Mahlert wurde schließlich unter Hallerbach Erster Kreisbeigeordneter und damit vom Konkurrenten zum Stellvertreter. Seit Mai 2024 befindet sich Mahlert im vorgezogenen „Unruhestand“, derzeit vertritt er den erkrankten SPD-Kreisverbandsvorsitzenden Martin Diedenhofen. „Wir setzen in der Kreisspitze auf Stabilität und Verlässlichkeit. Es waren ganz schwierige Zeiten mit der Corona-Pandemie, dem Ukraine-Krieg und der Dieselpreiserhöhung“, sagt Mahlert. Hallerbachs Arbeit sei insbesondere während der Pandemie „sehr gut“ gewesen.

„Es war klar, dass wir durch eine Wahl kein Störfeuer hereinbringen oder Leute verschleißen.“
Michael Mahlert, stellvertretender Neuwieder SPD-Kreisverbandsvorsitzender

Die SPD wolle das bisherige Konstrukt mit CDU-Landrat an der Spitze und Mahlerts Nachfolger als Erstem Kreisbeigeordneten, Philipp Rasbach (SPD), „weiterleben“ lassen. Es sei eine „andere Philosophie“ als vor acht Jahren, als CDU und SPD noch um das Amt des Landrats konkurriert hatten. „Beim Zank auf Bundesebene sieht man ja, wohin das geführt hat“, so Mahlert. Angesprochen, ob es einen Deal zwischen CDU und SPD um die beiden höchsten Posten im Kreis gab, antwortet Mahlert: „Der Deal war, dass wir übereinstimmend agiert haben. Achim Hallerbach ist Landrat und hat eine Perspektive. Ich musste aufgrund der Altersregelung ausscheiden. Es war klar, dass wir durch eine Wahl kein Störfeuer hereinbringen oder Leute verschleißen.“ Beim überwiegenden Teil der Bevölkerung im Kreis Neuwied sei es gut angekommen, dass CDU und SPD als Große Koalition im Kreistag in Krisenzeiten nicht auf „Parteiegoismen“ gesetzt hätten.

Mahlert bezeichnet Landrat Hallerbach als „Glücksfall“

Mahlert kennt Hallerbach seit seiner Zeit als Erster Kreisbeigeordneter unter Landrat Kaul. „Wir sind auf der operativen Ebene immer gut zurechtgekommen. Ich hatte immer das Gefühl: Mit dem Mann kann man arbeiten“, berichtet Mahlert. Er bezeichnet eine weitere Kandidatur Hallerbachs als „Glücksfall“ für den Kreis. „Ob das jeder in der SPD so sieht, weiß ich nicht. Wir wissen aber, was wir an ihm haben“, so Mahlert. Eine der größten Stärken von Landrat Hallerbach sei, dass er sofort erkenne, wenn ein Problem auf Kreisebene auftauche. „Er denkt sehr vorausschauend. Am Thema Gesundheitsversorgung war er schon ziemlich früh dran, als andere noch gesagt haben, dass es so schlimm noch nicht ist.“ Unter Druck treffe er auch die richtigen Entscheidungen. Als das Thema Dieselzuschuss für die Busunternehmen im Kreis Neuwied im Raum stand, habe das Telefonat zwischen Mahlert und Hallerbach „um viel Geld“ nur drei Minuten gedauert, um den Schülerverkehr nicht zu gefährden.

Der frühere Erste Kreisbeigeordnete beobachtet allgemein seit Jahren eine stark sinkende Zahl an Bewerbern für politische Ämter im Kreis Neuwied. Eine abschreckende Wirkung auf eine Kandidatur als Landrat könnte auch die Verantwortung im Bereich Katastrophenschutz sein – spätestens nach der Flut im Ahrtal 2021 – oder im Bereich öffentlicher Personennahverkehr. „Es ist ein permanenter Druck“, berichtet der damalige Stellvertreter von Hallerbach. Hinsichtlich des Kandidatenmangels anderer politischer Lager sagt Mahlert: „Wir haben schon gespannt hingeschaut. Doch vor zehn Jahren hätte mich das Ergebnis mehr gewundert als jetzt.“

Kreischef der Grünen: Grüner Landratskandidat wäre nur „symbolischer Akt“ gewesen

Unsere Zeitung hat sich bei den in der Opposition vertretenen demokratischen Parteien im Kreistag umgehört, warum sie keinen Gegenkandidaten aufgestellt haben. Holger Wolf, Neuwieder Kreissprecher der Grünen, erklärt, dass es absehbar gewesen sei, dass neben der CDU auch die SPD hinter einer zweiten Amtszeit von Hallerbach stehen würde. Die Kandidatur eines Grünen sei daher nur ein „symbolischer Akt ohne realistische Erfolgsaussichten“ gewesen. Hallerbach habe unterschiedliche Herausforderungen bewältigt, darunter auch die Koordination der Flüchtlingsunterbringung. Erste Fortschritte gebe es auch bezüglich der Digitalisierung der Verwaltung. „Allerdings bleibt in zentralen Zukunftsfragen viel zu tun. Der Klimaschutz kommt nur langsam voran, nachhaltige Mobilitätskonzepte sind unzureichend, und auch die Bürgerbeteiligung könnte deutlich verbessert werden“, fordert Wolf.

Kritik der Grünen: Verhalten von CDU und SPD schadet „demokratischen Wettbewerb“

Dass die Bürger keine Wahl zwischen mindestens zwei Kandidaten haben, sei „grundsätzlich kein gutes Zeichen für die Demokratie“, kritisiert Wolf. „Eine echte Wahlmöglichkeit gehört zu einem lebendigen demokratischen Prozess. Besonders problematisch ist, dass es offensichtlich eine Absprache zwischen CDU und SPD gab, keinen Gegenkandidaten aufzustellen. Diese Art von politischem Stillstand schadet dem demokratischen Wettbewerb und verhindert eine inhaltliche Auseinandersetzung über die Zukunft unseres Kreises“, prangert Wolf an.

Kein Rückhalt für Kandidaten der Grünen und Angst vor Anfeindungen

Wolf meint, dass es mehrere Gründe gebe, warum sich kein weiterer Bewerber für das Amt des Landrats zur Verfügung gestellt hat. Bei der Dominanz der Großen Koalition habe es ein parteiloser oder von kleineren Parteien unterstützter Kandidat schwer gehabt. Neben fachlicher Expertise brauche es auch politischen Rückhalt und eine starke öffentliche Präsenz. In einem von CDU und SPD geprägten Kreistag erscheine es für potenzielle Bewerber wenig attraktiv, als Landrat ohne breite Unterstützung regieren zu müssen. In Zeiten zunehmender Polarisierung und öffentlicher Kritik an politischen Entscheidungsträgern würden viele qualifizierte Personen vor einer Kandidatur zurückschrecken – auch aus Angst vor Anfeindungen, insbesondere in den sozialen Medien, so Wolf.

„Mein Eindruck ist, dass es in der Bürgerschaft keine besonders laute Kritik am Landrat gibt, schon gar keine Wechselstimmung.“
Jochen Bülow, BSW-Fraktionssprecher im Kreistag

Aus den Reihen des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) hat sich ebenfalls kein Kandidat getraut, gegen Hallerbach anzutreten. Nach erstmaliger Teilnahme an der Kommunal-, Europa- und Bundestagswahl habe das BSW „auch nicht die Kraft für einen weiteren Wahlkampf gehabt“, erklärt Jochen Bülow, BSW-Fraktionssprecher im Kreistag. Zur Leistung des Amtsinhabers sagt er: „Der Landrat hat durchaus sinnvolle Schritte eingeleitet. Dazu gehören klare Worte gegenüber dem Land bei dem nach wie vor verfassungswidrig unterfinanzierten Kreishaushalt. Gelegentlich würde ich mir wünschen, dass erst die Kreistagsmitglieder und danach die Öffentlichkeit über wichtige Dinge informiert werden.“

Beim Wohnungsbau und beim Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt hätten Kreis und Landrat mehr tun müssen, so Bülow. „Mein Eindruck ist, dass es in der Bürgerschaft keine besonders laute Kritik am Landrat gibt, schon gar keine Wechselstimmung.“ Bülow ist der Meinung, dass Landräte allgemein „einen Knochenjob machen“. „Immer verfügbar, immer erreichbar, erst einmal zuständig für fast alles“ sei das Anforderungsprofil. Er habe hohen Respekt vor diesem persönlichen Einsatz.

„Das Amt eines Landrates ist sicherlich sehr attraktiv, aber nur um sein eigenes Ego aufwerten zu wollen, benötigt niemand eine Kandidatur. Der Amtierende hat gute Arbeit geleistet, mit dem erforderlichen Weitblick und weit weg von Parteiintrigen.“
Udo Franz, Vorsitzender der Neuwieder Kreisvereinigung der Freien Wähler

„Achim Hallerbach ist ein ausgezeichneter Landrat“, meint Tim-Jonas Löbeth, stellvertretender Kreisvorsitzender der FDP Neuwied. Hallerbach genieße für seine Arbeit über Parteigrenzen hinweg große Anerkennung. Die Arbeit in der Kommunalpolitik sei weniger von Parteibüchern, sondern vielmehr von Sachfragen geprägt. Der FDP-Kreisverband selbst befinde sich in einem Generationenwechsel, daher hätten die Liberalen allein aus Altersgründen keinen geeigneten Kandidaten gehabt.

Julia Eudenbach, Neuwieder Kreisvorsitzende der Linken, berichtet, dass kein Parteimitglied ihr gegenüber den Wunsch geäußert habe, als Landrat zu kandidieren. Das Amt scheint nur für wenige attraktiv zu sein: „Der Handlungs- und Gestaltungsspielraum für den Kreis ist klein, finanzielle Hürden und Aufbringungen sind hoch. In der heutigen Zeit ist es wichtig, die Kandidaten zu unterstützen, die bereit und motiviert sind, dieses Amt zu führen.“ Grundsätzlich sei Eudenbach jedoch Befürworterin mehrerer Kandidaten bei einer Wahl.

Udo Franz, Vorsitzender der Neuwieder Kreisvereinigung der Freien Wähler, sieht „in der Summe der Entscheidungen“ keinen Änderungsbedarf, was die Besetzung des Landratspostens angeht, und steht daher hinter Hallerbach. Auf die Frage, ob das Amt als Landrat so unattraktiv geworden ist, dass niemand Hallerbach dieses streitig machen wolle, sagt Franz: „Das Amt eines Landrates ist sicherlich sehr attraktiv, aber nur um sein eigenes Ego aufwerten zu wollen, benötigt niemand eine Kandidatur. Der Amtierende hat gute Arbeit geleistet, mit dem erforderlichen Weitblick und weit weg von Parteiintrigen.“

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