Beim Sommerfest der Landesblindenschule bekommen Besucher Einblicke ins Alltagsleben
Landesblindenschule feiert Jubiläum: Seit 1899 eine Institution in Neuwied
Landesblindenschule Neuwied kurz nach der Eröffnung
Am 22. Juni 1899 ist das Auguste-Victoria-Haus (Provinzial-Blinden-Anstalt) eingeweiht worden. Foto: Archiv Kupfer/Albert Eisele
Archiv Kupfer/Albert Eisele

Feldkirchen. Beim Sommerfest der Bildungseinrichtung für Blinde und sehbinderte Menschen konnten Besucher Einblicke ins Alltagsleben der Schüler bekommen.

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Wer von Feldkirchen in Richtung Rodenbach unterwegs ist, kann am Ortsausgang links die Hinweisschilder sehen: In einer parkähnlichen Anlage liegt die einzige Schule des Bundeslandes, die ganz auf die Bedürfnisse von Blinden und Menschen mit Sehschwäche eingerichtet ist. In diesem Jahr feiert die Landesblindenschule Jubiläum: Schon 1899 wurde sie als evangelische Provinzial-Blindenanstalt der Rheinprovinz unter maßgeblicher Beteiligung des Fürstenhauses zu Wied in Neuwied gegründet.

Provinzial-Landtag hat damals 527.000 Mark investiert

527.000 Mark hatte der Provinzial-Landtag damals in die Einrichtung der Schule investiert. „Das Anstaltsgebäude gereicht in seinem, in allen Teilen streng durchgeführten gotischen Stile, unserer Stadt zur großen Zier“, schrieb die „Neuwieder Zeitung“ zur Eröffnung im Juni 1899. Bis Ende der 1980er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts diente das Gebäude gegenüber der Kreisverwaltung als Blindenschule.

Doch für den Unterricht war es nicht mehr zeitgemäß. 1975 erfolgte der Spatenstich am heutigen Standort, als Schule wird er seit 1978 genutzt. Der spätere Abriss des historischen Gebäudes war kein Ruhmesblatt in der Geschichte Neuwieds. Für die Beteiligten ist der Umzug an den Standort in Feldkirchen bis heute allerdings ein Segen. Die großzügige Anlage bietet viele Möglichkeiten – davon überzeugten sich viele Besucher beim Jubiläumsschulfest vor wenigen Wochen: Neben Unterrichtsräumen gibt es diverse Werkstätten, einen Internatsbereich, in dem bis zu 60 Schüler in zehn Gruppen dicht am Schulgebäude wohnen können. Hinzu kommen moderne Sportanlagen und verschiedene besondere Angebote wie ein Bällebad, eine Gymnastikhalle, ein Raum der Stille sowie ein Snoezelnraum, in dem eine Vielfalt an sensorischen Anregungen angeboten wird.

Plätze reichen bei Weitem nicht aus

Die mehr als 200 Plätze genügen allerdings bei Weitem nicht, um alle Betroffenen des Landes an der Schule zu unterrichten. Viele besuchen Regelschulen in ihrer jeweiligen Heimatregion. Dort unterstützen dann Lehrer mit Spezialausbildung die lokalen Teams – in Absprache mit der Leitung der Schule in Neuwied. Auch besondere technische Hilfsmittel – etwa spezielle Schreibmaschinen, mit denen Texte in der Brailleschrift verfasst werden können – werden den Schulen dann jeweils zur Verfügung gestellt. So können Blinde auch das Abitur erreichen – alternativ ist das auch an der Deutschen Blindenstudienanstalt in Marburg möglich.

In Feldkirchen kann der Abschluss der Sekundarstufe 1 erreicht werden. Es besteht auch die Möglichkeit, einen Abschluss als Fachpraktikerin oder Fachpraktiker für Bürstenherstellung zu erlangen – ein Berufsbereich, in dem Blinde traditionell Einsatz finden. Aber auch viele alltagspraktische Themen werden vermittelt. So ist das Ziel der Orientierungs- und Mobilitätsschulung, dass sich die Schüler sicher und selbstständig in Gebäuden und im öffentlichen Raum fortbewegen können. Auch Essens- und Nahrungszubereitung, Körperpflege, Anziehen, Kleiderpflege, selbstständiger Einkauf sind Themen, die für Blinde oft schwieriger sind, und in denen sie an der Landesblindenschule mit viel Alltagsbezug unterrichtet werden. Zudem ist eine integrative Kindertagesstätte auf dem Areal untergebracht. Von den 40 Kindern, die hier betreut werden, leben 12 ebenfalls mit einer Sehbehinderung.

Auf dem neuesten Stand

Beim Sommerfest zeigte sich auch, dass die Schule ein fester Bestandteil der Stadt ist – viele Besucher nahmen sich die Zeit, um das Areal und die Schule zu erkunden. Neben den technischen Hilfsmitteln, die an der Schule eingesetzt werden, um das Lernen und den Alltag zu erleichtern, hat die Entwicklung von Smartphones das Leben von Sehbehinderten in vielerlei Hinsicht vereinfacht – wer nicht sehen kann, kann sich im Internet verfügbare Texte über einfach zu handhabende Tools vorlesen lassen. Und auch die Navigationsfunktion erleichtert Blinden die Orientierung an Orten, die sie noch nicht kennen. Trotz solcher Erleichterungen ist ein spezielles pädagogisches Angebot, wie es in Feldkirchen zur Verfügung steht, auch weiterhin sehr wichtig.

Als Teil eines fünfköpfigen Führungsteams leitet Valerie Jülich-Albeck die Schule. Sie ist sowohl mit der Lehrerschaft als auch mit der Ausstattung der Schule sehr zufrieden. In der Bevölkerung würde sie sich noch etwas mehr Rückhalt wünschen – etwa indem mehr Unternehmen Praktikums- oder auch Ausbildungsplätze für Blinde und Sehbehinderte anbieten. Auch wenn sie die Neuwieder grundsätzlich als sehr offen wahrnimmt, sieht sie noch Potenzial. Interessierte erhalten von der Schule die nötige Unterstützung. Aktuell genießen die Schüler der Landesblindenschule – wie viele andere auch – allerdings erst mal die Sommerferien.

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