Anstrengende bürokratische Vorgaben, fehlender finanzieller Spielraum für Gestaltung und hohe Auflagen durch das Land: Die Frustration in vielen Ortsgemeinderäten ist hoch. Möglicherweise hält es auch einige Menschen ab, sich für die Kommunalwahl am 9. Juni im Jahr 2024 als Ortsbürgermeisterkandidat aufzustellen oder zumindest ernsthaftes Interesse für eine Ratsmitgliedschaft zu zeigen. Exemplarisch schaut sich die RZ die Lage in der Verbandsgemeinde Puderbach an.
In der VG wurde vor einiger Zeit das Gerücht an die RZ herangetragen, dass es nur wenige Kandidaten für die Ortsbürgermeisterposten gebe. Damals waren noch viele Entwicklungen zu ungewiss, nun lässt sich zumindest ein erstes (noch lang nicht vollständiges) Bild zeichnen. In dem einen oder anderen Fall herrscht Gewissheit, in Urbach und Dürrholz beispielsweise werden die amtierenden Ortsbürgermeisterinnen nicht mehr zur Wahl stehen. Puderbachs VG-Bürgermeister gewährt erste Einblicke.
Viele Diskussionen und Überlegungen
Allgemein sagt Puderbachs VG-Bürgermeister Volker Mendel, dass es in der einen oder anderen Kommune amtierende Ortsbürgermeister gibt, die aufhören und nicht mehr kandidieren. Hier stellt sich die Frage, wie sich die Situation in den einzelnen Ortsgemeinden entwickelt und ob sich noch Kandidaten finden. „Es gibt schon die verschiedensten Diskussionen und Überlegungen.“ Potenziell für die 16 Ortsgemeinden in der gesamten Verbandsgemeinde werde klar, wer da konkret weitermachen könnte oder sich zumindest mit dem Gedanken auseinandersetze, zu kandidieren. Von 16 Ortsgemeinden beziffert er die Zahl derer aktuell auf zwölf beziehungsweise 13. Mendel stehe unter dem Eindruck, dass sich in den nächsten sechs Monaten noch das eine oder andere ergeben werde. „Es muss irgendwie weitergehen, wir wollen uns das von der Verwaltung nicht vorgeben lassen.“ Viele Bürgermeister würden früh genug Bescheid geben, ob sie weitermachen wollen oder eben nicht.
„Bereits bei der vergangenen Kommunalwahl habe ich gesagt, dass dies meine letzte Amtszeit sein wird. Im Jahr 2024 habe ich 20 Jahre Amtszeit hinter mir.“
Urbachs Ortsbürgermeisterin Brigitte Hasenbring
In zwei Fällen ist es klar: in Dürrholz und Urbach. „Hier haben die Amtsinhaberinnen erklärt, dass sie nicht mehr zur Verfügung stehen“, so Mendel. In Urbach wird Brigitte Hasenbring noch bis zur nächsten Kommunalwahl die Geschicke der Ortsgemeinde hauptverantwortlich und in enger Zusammenarbeit mit dem Rat lenken. „Bereits bei der vergangenen Kommunalwahl habe ich gesagt, dass dies meine letzte Amtszeit sein wird. Im Jahr 2024 habe ich 20 Jahre Amtszeit hinter mir“, erklärt Hasenbring auf RZ-Anfrage.
Sie ergänzt zu den Hintergründen: „Unabhängig von meinen persönlichen Eindrücken war ich auch damals schon der Auffassung, dass dieser Zeitraum lange genug ist. Mit den Jahren schleichen sich Selbstverständlichkeiten ein, die neuen Aufbrüchen eher entgegenstehen.“ Damit meine sie nicht nur die Amtsinhaber, sondern auch die Bevölkerung und Gemeinderäte. Näher geht sie auf die Eindrücke ein, die sie selbst in Urbach wahrnimmt: „Es läuft alles in seinen Bahnen, die Amtsinhaberin macht das und man muss sich nicht kümmern. Offensichtlich war die allgemeine Zufriedenheit gegeben, sonst wäre ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin längst im Rennen.“ Die momentan herrschende Auffassung, dass die Kommunen durch die Vorgaben „von oben“ keine Handlungsfreiheit hätten, habe auf ihre Entscheidung keinen Einfluss gehabt.
Rückblickend fand sie die Zeit interessant, vor allem auch aufgrund der vielfältigen Aufgaben: von Gratulationen zu Ehe- oder Altersjubiläen über die Erweiterung des Neubaugebietes bis zum Hochwasserschutzkonzept und den Aufgaben im Kirchspiel Urbach gibt es ganz unterschiedliche Themen. Die Unterstützung von Ratsmitgliedern, Verwaltung und sonstigen Akteuren sei bei allem entscheidend. „Ich habe mich nicht als Ortschefin gesehen, sondern als ständige Vertretung der Bürgerschaft, unabhängig, ob es sich um Alteingesessene oder später hinzugekommene Mitbürgerinnen und Mitbürger handelt.“
Eine schöne Zeit als Ortsbürgermeisterin erlebt
Ein Gemeinderat und eine Ortsbürgermeisterin werden gebraucht, um Entscheidungen zu treffen, weil nicht jedes Mal alle einzeln gefragt werden können, so Hasenbring weiter. „Deshalb wünsche ich mir auch für die kommende Wahl eine bunt gemischte Truppe im Gemeinderat, damit möglichst viele Blickwinkel bedacht werden.“ Besonders gefreut habe sie sich über die Gründung der Freibadfreunde: „Denn unser Freibad ist etwas Besonderes in der gesamten Verbandsgemeinde Puderbach und kann jede Unterstützung gebrauchen.“
In Dürrholz tritt die amtierende Ortsbürgermeisterin Anette Wagner auch nicht mehr an. Sie sagt dazu auf RZ-Anfrage: „Ich durfte 20 Jahre Ortsbürgermeisterin meiner Heimatgemeinde sein, vorher zehn Jahre im Ortsgemeinderat und davon fünf Jahre als Erste Ortsbeigeordnete. Das ist dann auch genug. Da ist es Zeit für einen Wechsel.“ Bereits rückblickend auf die bisherige Zeit ergänzt Wagner: „Es war eine schöne Zeit mit vielen positiven Erfahrungen. Es hat dabei immer Freude gemacht, all die Jahre mit guten, engagierten Ratskolleginnen und Ratskollegen vertrauensvoll zusammenzuarbeiten und die Gemeinde weiterzuentwickeln.“
Nun nimmt Mendel mehr und mehr mögliche Nachfolger in den Blick. Da gelte es jetzt aus den Räten heraus oder auch aus deren Umfeldern, entsprechende Personen zu identifizieren, diese anzusprechen und mit diesen auch gewisse Aufgabenstrukturen durchzugehen. „Vielleicht ist auch jemand interessiert, der den Rat nicht kennt und einfach die Strukturen und Arbeitsweisen kennenlernen möchte.“ Und: „Ich weiß auch schon von einigen Ortsgemeinden, wo sich zwei oder drei Bewerber schon in Stellung bringen, um den Amtsinhaber zu beerben.“ Mehr verriet Mendel zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht.
Info: Einschätzungen zur kommunalpolitischen Situation
Laut Puderbachs Verbandsgemeindebürgermeister Volker Mendel lassen sich zum aktuellen Zeitpunkt im Hinblick auf die kommunalpolitische Situation zwei Dinge, auch im Zusammenhang mit den Steuererhöhungen, feststellen. In der jüngeren Vergangenheit hatten sich viele Kommunalpolitiker beklagt, dass die Landesregierung die Kommunen zur Erhöhung der Hebesätze zwinge (die RZ berichtete). Denn aufgrund ihrer schlechten Finanzlage und nicht ausgeglichener Haushalte müssten viele Kommunen der Erhöhung der Hebesätze durch einen entsprechenden Ratsbeschluss zustimmen.
Das eine sei, dass sehr viele Ratsmitglieder, die schon mehrere Jahre in den Räten sitzen, ein Stück weit frustriert seien und keine Lust mehr hätten, denn es schleicht sich bei den Ratsmitgliedern ein Gefühl ein, das Mendel folgendermaßen näher beschreibt: „Wir stimmen nur noch über Dinge ab, die eh schon entschieden sind.“ Zum anderen stehen die Kommunalwahlen, die am 9. Juni 2024 stattfinden, zur Debatte. Wer mache weiter und wer höre auf?
Mendel hofft, dass auch viele junge Menschen sich für eine Ratsmitgliedschaft interessieren, hier wünscht er sich dann aber ein anderes Verhalten von den langjährigen Ratsmitgliedern: „Ich erlebe in vielen Räten die Kultur, dass viel Frust verbreitet wird.“ Deshalb richtet Mendel die Bitte an die Ratsmitglieder, es sich genau zu überlegen, ob so der Frust einfach lautstark verkündet werden sollte. Denn dann würden sich junge Leute die Fragen stellen, warum sie die Ämter weiterführen sollen, wenn die langjährigen Ratsmitglieder es schon nicht mehr tun wollen.
Generell sieht Mendel die kommunale Selbststimmung als ein hohes Gut an. „Wir haben immer das Ansinnen, mitzugestalten und sich im Rahmen der Möglichkeiten einzubringen.“ Hier sieht er auch die Chance für die jüngere Generation, die das eine oder andere kritisiert oder auch für gut befindet, sich selbst zu engagieren und etwa im Rat voranzubringen. Damit meint er nicht „leidige Steuerthemen“, sondern vielmehr etwa die Ortsrandgestaltung, Seniorentreffen wiederzubeleben oder Jugendtreffs einzurichten.