Kreis Neuwied/Koblenz – In der mündlichen Verhandlungen vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Koblenz haben sich Vertreter des Kreises Neuwied und des Landes gut zwei Stunden einen Schlagabtausch geliefert. Der klagende Kreis fordert einen „angemessenen Finanzausgleich“, der die drohende Überschuldung verhindern soll. Zudem unterstellt er, dass das Landesgesetz für den Finanzausgleich verfassungswidrig sei. Das Land hält den gewährten Ausgleich für angemessen und obendrein für verfassungskonform. Die Richter des Zweiten Senats moderierten und stellten gezielt Fragen. Im Hinblick auf ihr späteres Urteil (Mitte Januar) ließen sie sich aber nicht in die Karten schauen.
Die Klage des Kreises Neuwied richtet sich gegen das Landesgesetz, genauer gegen den Zuweisungsbescheid aus dem Jahr 2007. 14,5 Millionen sind damals von Mainz nach Neuwied geflossen. Die Kosten deckte diese Summe nicht annähernd, zumal die kreisangehörige Stadt Neuwied die Situation verschärft. Den Zuschussbedarf für im Sozialetat klaffende Löcher konnte der Kreis nur mit Krediten schließen. Mit der Kreisumlage als einzig nennenswerte Einnahmequelle konnte die Kostenlawine trotz mehrmaligen Anhebens nicht gestoppt werden. Die steigende Verschuldung war die Konsequenz. Das sich am Finanzausgleich kaum etwas geändert hat, steht der Kreis kurz vor der Überschuldung – sprich Bankrott.
Die Bemühungen des Landes, mit Stabilisierungsfonds oder Sonderzuweisungen die schlimmste Not bei den Kommunen zu lindern, bezeichnete der Rechtsbeistand des Kreises als „feuerwehrartiges Herangehen, das dem Grundrecht widerspricht“. Was im Finanzausgleichsgesetz gänzlich fehle, ist ein „transparentes Verfahren zur Ermittlung des tatsächlichen Bedarfs“ auf Seiten der Kommunen. Als die beklagte Seite darauf hinwies, dass das „unmöglich zu leisten ist“, führten die Anwälte des Kreises mit Thüringen und Bayern Länder an, in deren Finanzausgleichsgesetzen ein eben solches Instrument der Bedarfsermittlung beschreiben werde – und was hier problemlos anzuwenden wäre.
Die Vertreter des Landes, darunter Staatssekretär Roger Lewentz, hoben auf die vergleichbar schlechte finanzielle Situation des Landes ab. „Vor diesem Hintergrund halte ich die Finanzausstattung der Kommunen für ausreichend“, erklärte Lewentz. Der Anwalt des Landes betonte, dass es keine Rechtsgrundlage gebe, aus der sich ableiten ließe, dass der finanzielle Ausgleich für von Kommunen erbrachten Leistungen Vorrang gegenüber den Aufgaben des Landes, etwa die Ausstattung von Schulen oder Universitäten, genieße. Soll heißen: Das Land könne nicht gezwungen werden, den Kommunen Gutes zu tun, dafür aber seine eigenen Pflichtaufgaben zu vernachlässigen.
Die Richter fragten hingegen: „Das Land kann rechtlich gesehen die eigene Finanzsituation geltend machen, doch kann es das grenzenlos?“ In seine Abwägung will das OVG die Situation aller Kreise und kreisfreien Städte einbeziehen. Unter anderem spielt eine Rolle, ob die Ausgleichszahlungen des Landes mit den Kosten für die Kommunen Schritt gehalten haben? Die Zahlen sprechen für sich (Kosten fast um das Vierfache der Zuweisungen gestiegen), wie das Urteil ausfällt, bleibt allerdings offen.
Zur Erinnerung: In erster Instanz hat das Verwaltungsgericht die Klage des Kreises Neuwied abgewiesen. Nun hoffen Verwaltung und Kreistagsfraktionen auf mehr Erfolg im Berufungsverfahren.