ÖPNV und Kitas entwickeln sich beim Kreis zu Kostentreibern
Kompensation des Steuerausfalls rettet Neuwieder Kreisetat: ÖPNV und Kitas sind neue Kostentreiber
In Sachen Schulbau fließt im nächsten Jahr der größte Investitionsbatzen in die Förderschule Brüder Grimm in Feldkirchen. Foto: Jörg Niebergall
Jörg Niebergall

Kreis Neuwied. Bei einem Volumen von mittlerweile mehr als 300 Millionen Euro ist er wieder mal auf Kante genäht, er hält aber Investitionen in Millionenhöhe bereit, er weist nach einigen Jahren erstmals wieder eine Neuverschuldung in Sachen Investitionen aus, und er bringt es unter dem Strich trotzdem auf ein kleines Plus in Höhe von knapp 2,7 Millionen Euro: Die Rede ist vom Kreishaushalt für das Jahr 2021, der noch nicht vollends im Zeichen von Corona steht und am Montag vom Kreistag virtuell verabschiedet wird.

Zur Wahrheit gehört aber auch, und das betonen Landrat Achim Hallerbach und Kämmerer Florian Hoffstadt im Haushaltsgespräch mit der RZ unisono: „Weil wir den kommunalen Entschuldungsfonds bedienen müssen, liegt die bereinigte Ergebnisprognose nur noch bei 229.000 Euro.“ Mit Blick auf das Ziel, ein ausgeglichener Etat, gelingt dem Kreis also die viel zitierte Punktlandung. Der Landrat wagt angesichts der vordergründig positiven Zahl eine wenig Mut machende Prognose: „Corona wird noch Spuren hinterlassen. Eine Insolvenzwelle in der Wirtschaft droht und damit ein böses Erwachen.“

Florian Hoffstadt führt derweil neben einem Sparkurs zwei wesentliche Gründe für den ausgeglichenen Haushalt an: Da sind erstens die Kompensationszahlungen von Land und Bund wegen der Einbrüche bei der Gewerbesteuer durch die Corona-Pandemie. Das Geld fließt direkt an die Kommunen. Der wegen des strukturellen Defizits grundsätzlich Not leidende Kreis profitiert aber insofern davon, als dass er sich einen Teil über die Kreisumlage holen darf. Hoffstadt nennt eine Zahl: „Insgesamt erreichen die Kommunen etwa 21 Millionen Euro an umlagerelevanter Kompensation.“

Dabei lohnt aber ein Blick auf den Auszahlungsmodus. Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass die Millionen nicht gerade gerecht verteilt werden. Richtig ist sicherlich, dass mehr Geld dorthin geht, wo die Einnahmeeinbrüche besonders hoch sind. Warum dann aber ohnehin schon eher minderbemittelte Kommunen teils gänzlich leer ausgehen, prosperierende Ortsgemeinden wie Windhagen oder St. Katharinen 11 und 1,2 Millionen Euro erhalten, wird man denen, die in die Röhre schauen und stets kleine Brötchen backen müssen, nur schwerlich erklären können. 21 der 62 Kommunen im Kreis gehen komplett leer aus, darunter die beiden Städte Linz und Unkel. In die VG Unkel fließt sogar kein einziger Cent, obwohl sie nicht unbedingt als üppig sprudelnde Gewerbesteuerquelle gilt.

Davon abgesehen hilft die Kompensation dem Kreis enorm. Laut Hoffstadt gäbe es ohne diese Zahlungen im Kreishaushalt einen Rückgang von 3,7 Millionen Euro: „Vereinfacht gesagt, wäre der Etat gekippt.“ Insgesamt wächst die Kreisumlage als wichtigste Einnahmequelle um fast 7 Millionen Euro auf fast 120 Millionen Euro. Der durchschnittliche Umlagesatz für die Kommunen liegt damit bei 45,61 Prozent und damit wahrscheinlich etwa 1,48 Punkte über dem Landesschnitt.

Grund Nummer zwei für die Punktlandung ist aus Sicht des Kämmerers die vom Bund geänderte Zahlungsmodalität für die Kosten der Unterkunft bei den Langzeitarbeitslosen. „Der Bund beteiligte sich bisher mit 49,2 Prozent an den Kosten, jetzt hat er die Quote auf 75 Prozent hochgesetzt. Das bringt uns eine Verbesserung von 3,4 Millionen Euro, die fast alle anderen steigenden Kosten auffängt“, erklärt Hoffstadt.

Womit wir bei den Kostentreibern im Kreistat wären: Zu nennen sind da zunächst mal alte Bekannte im Megabudget „Soziales“ wie die Eingliederungshilfe. Dort fallen 2,9 Millionen Euro mehr an, Tendenz steigend. Der Zuschussbedarf des Stadtjugendamtes Neuwied wächst um 2,5 Millionen Euro, während beim Kreisjugendamt nach dem üppigen Zuschuss im Nachtragsetat 2020 der neue Zuschuss mit 574.000 Euro übersichtlich bleibt. Schließlich führt das Kita-Zukunftsgesetz ab Mitte nächsten Jahres zu Mehrausgaben von 2,9 Millionen Euro, die sich 2022 noch einmal erhöhen, da dann das ganze Jahr ins Gewicht fällt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Trägeranteile an den Personalkosten rückläufig einzuschätzen sind. Angesichts von 40 zusätzlichen Mitarbeitern für die Kitas rollt die Kostenwelle weiter.

Als „neue offene Flanke“ macht Hoffstadt zudem den ÖPNV (Kosten von 1,3 Millionen Euro zusätzlich) aus. Landrat Hallerbach gibt sich keiner Illusion hin: „Es zeichnet sich ab, dass die Buslinien im Kreis nicht mehr eigenwirtschaftlich zu betreiben sind.“ Heißt: Der Kreis und auch die Stadt Neuwied müssen sich Gedanken über die künftige Finanzierung machen. Hallerbach erwartet eine spannende Diskussion im nächsten Jahr, bei der von Kommunalisierung bis zu deutlich größeren Zuschüssen für die Verkehrsbetriebe als bisher alles möglich zu sein scheint.

Das alles führt Landrat Hallerbach zu der Feststellung: „Es bleibt dabei, vom strukturellen Defizit kommen wir nicht weg, solange sich der kommunale Finanzausgleich des Landes nicht ändert.“ Nur zwei Tage nach der Kreistagssitzung entscheidet übrigens der Verfassungsgerichtshof in Koblenz über den Finanzausgleich.

Positiv bleibt die Entwicklung des Schuldenstandes zu werten. So kann der Kreis mehr als 5 Millionen Euro an kurzfristigen Krediten für das laufende Verwaltungsgeschäft zurückzahlen. Zum Jahresende schlagen dann noch 93,5 Millionen Euro zu Buche. Für die Investitionen nimmt der Kreis eine Neuverschuldung von 651.000 Euro in Kauf. Das lässt die langfristige Verschuldung auf 58,9 Millionen Euro anwachsen.

Von unserem Redakteur Ralf Grün

In diese Investitionsvorhaben fließt im nächsten Jahr Geld

Laut Kämmerer Florian Hoffstadt bleibt 2021 wegen Corona in Sachen Investitionen nichts auf der Strecke, „im Gegenteil, wir packen Sachen an, die wir liegen lassen haben“. Gleichwohl fällt die Investitionssumme mit 8,2 Millionen Euro etwas kleiner aus als 2020.

Für die Schulen sind diesmal „nur“ 1,5 Millionen Euro vorgesehen. Das begründet Hoffstadt mit dem Umstand, dass noch Geld aus den Vorjahren für angefangene Bauvorhaben zur Verfügung steht. Der größte Einzelposten betrifft die Brüder-Grimm-Förderschule in Feldkirchen (650 000 Euro) für einen Anbau plus Aufzug. Für die energetische Sanierung der Mehrzweckhalle der Heinemann-Schule in Raubach liegen 187 000 Euro bereit, und an der Sporthalle in Rheinbrohl beteiligt sich der Kreis mit 200 000 Euro. Zudem gibt es Bauvorhaben an vier weiteren Schulen.

In Beschaffungswesen für die Schulen investiert der Kreis 1,75 Millionen Euro, wobei der Löwenanteil dem Digitalpakt entstammt.

In den Kreisstraßenbau fließen 2,1 Millionen Euro. Als neue Maßnahmen tauchen die K 11 bei Linz (Stützwandsanierung, 3. Bauabschnitt) mit 535 000 Euro und die K 42 bei Köttingen (Sanierung der Pfaffenbacher Brücke) mit 550 000 Euro auf.

Bei den sogenannten Investitionszuwendungen muss der Kreis deutlich aufsatteln. Waren es vor drei, vier Jahren noch 200 000 Euro, liegt die Summe nun bei 1 Million Euro. Das ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass sich in Sachen Kita-Bau (500 000 Euro) einiges angesammelt hat. rgr

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