Wahlkreis Neuwied
Kandidaten wollen erneuerbare Energien - auch Kernkraft
Windräder bei Sonnenaufgang, dieses Bild bietet sich den Bürgern im Kreis Neuwied bisher noch nicht. Es gibt schlicht kein Windrad an Rhein und Wied.
Robert Jaeger. picture alliance/dpa/APA

Wie vor vier Jahren beschäftigt das Thema Energiewende immer noch viele Menschen im Land. Unsere Zeitung fragte Direktkandidaten im Wahlkreis Neuwied nach vorhandenen Potenzialen und möglichen Nutzungskonflikten.

Der Anteil der erneuerbaren Energien am Energiemix für die gesamte Bundesrepublik nimmt immer weiter zu. Klimaschutzziele, Schritte zur Klimaanpassung, Ökologie und Unabhängigkeit von Energieexporteuren aus dem Ausland sind Schlagworte in diesem Zusammenhang. Zudem sieht die derzeit gültige Gesetzeslage das Ende von Gas als Energieträger bis zum Jahr 2045 vor. Trotzdem geht der Ausbau der erneuerbaren Energien im Wahlkreis Neuwied, der auch den Kreis Altenkirchen umfasst, eher schleppend voran. Wir wollten deshalb von den Direktkandidaten im Wahlkreis wissen, welche Potenziale und möglichen Nutzungskonflikte sie für die Zukunft sehen?

„Wir setzen auf eine ideologiefreie und technologieoffene Strategie.“
Direktkandidatin Ellen Demuth (CDU)

Für Ellen Demuth (CDU) ist der Ausbau erneuerbarer Energien „ein zentraler Baustein der Energiewende, auch in unserem ländlichen Wahlkreis“. Ihre Partei sehe Potenziale in Technologien wie Windkraft und Freiflächenphotovoltaik, aber auch die Herausforderungen, die sich aus Nutzungskonflikten mit Landwirtschaft, Naturschutz und der Akzeptanz in der Bevölkerung ergeben würden. Wörtlich sagt Demuth: „Wir setzen auf eine ideologiefreie und technologieoffene Strategie.“ Für Freiflächenphotovoltaik müsse man verstärkt versiegelte Flächen wie Parkplätze oder Verkehrswege nutzen, um landwirtschaftliche Flächen zu schonen.

Bei der Windkraft setze Demuth und die Union auf eine Planung im Dialog mit den Bürgern, unter Berücksichtigung des Landschaftsbildes und des Artenschutzes. „Unser Ziel ist eine bezahlbare, sichere und saubere Energieversorgung, die mit den Bedürfnissen unserer Region vereinbar ist“, sagt sie.

„Ich setze gemeinsam mit meiner Partei auf schnellere Genehmigungen und mehr Beteiligungsmöglichkeiten der Kommunen und der Bürger, etwa über Energiegenossenschaften.“
Direktkandidat Jan Hellinghausen

Beide Kreise bieten für Jan Hellinghausen (SPD) Potenzialflächen für erneuerbare Energie, die bislang noch nicht genutzt würden. An Sonnen- und Windenergie führt für ihn kein Weg vorbei, „weil sie entscheidend für bezahlbaren Strom und Klimaschutz“ sind. Dabei müsse die Energieerzeugung von morgen in seinen Augen regional und nachhaltig sein, auch, um Abhängigkeiten zu reduzieren und die Wertschöpfung in der Region zu halten. Zudem sagt er: „Ich setze gemeinsam mit meiner Partei auf schnellere Genehmigungen und mehr Beteiligungsmöglichkeiten der Kommunen und der Bürger, etwa über Energiegenossenschaften.“

Agri-Photovoltaik könne darüber hinaus Landwirtschaft und Energieerzeugung kombinieren, um Nutzungskonflikte zu minimieren. Hellinghausen weiß aber auch: „Gleichzeitig müssen wir als Gesellschaft die bestehenden Flächen effizient nutzen, um unsere Nahrungsmittelproduktion und die Natur zu schützen.“

„Und es ist höchste Zeit, dass wir für Neuwied den Status als einziger Landkreis in Rheinland-Pfalz ohne kommunales Windrad beenden.“
Direktkandidat Thorben Thieme (Bündnis 90/Die Grünen

Mit dem Thema Klimaschutz sind die Grünen schon bei der Bundestagswahl 2021 erfolgreich auf Stimmenfang gegangen. Da wundert es wenig, wenn deren Kandidat Thorben Thieme sagt, dass erneuerbaren Energien die Zukunft gehört – „sowohl in ökologischer und ökonomischer als auch in friedenspolitischer Sicht“. Und er ergänzt: „Indem wir sie jetzt entscheidend ausbauen, schützen wir das Klima und machen uns unabhängig von Autokratien wie Russland und Saudi-Arabien, die sich auf fossile Energien stützen.“

Die Photovoltaik wird von den Direktkandidaten im Wahlkreis Neuwied als sinnvolle erneuerbare Energiequelle genannt.
Patrick Pleul. picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Zugleich sorge die Europäische Union mit ihrem Merit-Order-System und ihrem zweiten CO2-Zertifikatehandel ab 2027 dafür, dass der Strompreis durch den Ausbau der Erneuerbaren sinken werde. Der Kreis Neuwied biete nicht nur an der A3 gute Standorte für Windräder, zudem könnten Agri-PV und Bürgergenossenschaften die Einnahmen landwirtschaftlicher Betriebe steigern. „Und es ist höchste Zeit, dass wir für Neuwied den Status als einziger Landkreis in Rheinland-Pfalz ohne kommunales Windrad beenden.“

„Stattdessen setzen wir auf ein marktwirtschaftliches Strommarktdesign mit dem CO2-Preis als zentralem Steuerungselement.“
Direktkandidatin Sandra Weeser (FDP)

Sandra Weeser (FDP) vertritt eine typisch liberale Position, wenn sie sagt, dass die FDP die erneuerbaren Energien vollständig in den Markt überführen will. „Eine Vergütung am Markt würde auch gewährleisten, dass Photovoltaik- und Windkraftanlagen nur gebaut werden, wenn ausreichend Netze und Speicher vorhanden sind, um die Nutzung des produzierten Stroms sicherzustellen.“

„Stattdessen setzen wir auf ein marktwirtschaftliches Strommarktdesign mit dem CO2-Preis als zentralem Steuerungselement“, führt Weeser weiter aus. Dieser könne perspektivisch Strom- und Energiesteuer ersetzen. So werde ein echter Anreiz für den Umstieg auf klimafreundliche Kraft- und Heizstoffe geschaffen. Erste Priorität beim Ausbau von Photovoltaik muss die Nutzung von bereits versiegelten Flächen sein. Schließlich sollte die Nutzung klimafreundlicher Zukunftstechnologien wie Kernfusion und sicherer Kernkraftwerke ohne Subventionen ermöglicht werden.

„Selbstverständlich spreche ich mich gegen PV-Anlagen auf landwirtschaftlichen Flächen aus und wünsche mir auch hier einen Abbau von Hürden in der Bewilligung und den Aufbau von mehr Biogasanlagen und Fernwärmekraftwerken.“
Direktkandidatin Julia Eudenbach (Die Linke)

Julia Eudenbach (Die Linke) sieht vor allem Potenzial im Ausbau von PV-Anlagen auf Dächern: „Ein möglicher Anreiz wäre etwa der einfachere Verkauf von erzeugtem Strom mittels einer PV-Anlage eines Vermieters an seine Mieter.“ Auch der Abbau von Hürden zu Errichtung und Einspeisung einer PV-Anlage müsse erfolgen. „Selbstverständlich spreche ich mich gegen PV-Anlagen auf landwirtschaftlichen Flächen aus und wünsche mir auch hier einen Abbau von Hürden in der Bewilligung und den Aufbau von mehr Biogasanlagen und Fernwärmekraftwerken.“

„Ich lehne Windräder in Naturschutzgebieten und Freiflächensolaranlagen auf wertvollen Landwirtschaftsflächen ab.“
Direktkandidatin Nalan Özcan (BSW)

Wind, Solarenergie und Biomasse sind die erneuerbaren Energien, die bei Nalan Özcan (BSW) eine Rolle spielen. Dabei müssten unterschiedliche Ziele und Interessen gegeneinander abgewogen werden. „Ich lehne Windräder in Naturschutzgebieten und Freiflächensolaranlagen auf wertvollen Landwirtschaftsflächen ab.“ Aber die Haltung „bei mir kommt der Strom aus der Steckdose“ sei auch keine Lösung. Deswegen befürworte sie die Förderung dezentraler, erneuerbarer Energieproduktion, den Abbau bürokratischer Hemmnisse und vor allem die Digitalisierung der Stromnetze. „Wir wollen verstärkt Dachflächen, bestehende Gewerbe- und Industrieflächen und den Bereich entlang von Autobahnen und Bahnstrecken nutzen.“

„Des Weiteren benötigen wir dringend moderne und effiziente Speichertechnologien.“
Direktkandidat Carsten Zeuch (Freie Wähler)

„Die Energieversorgung gehört in die öffentliche Hand“, betont Carsten Zeuch (Freie Wähler). Die Konzernbildung habe die Abhängigkeit von wenigen Anbietern gezeigt, die eine nicht nachvollziehbare Preisgestaltung vorgeben würden. „Neubauten sollten mit einer Photovoltaikanlage ausgerüstet werden“, sagt Zeuch. Einspeisung und Abnahme von Strom müssten zudem gleichwertig behandelt werden.

Auch er spricht sich für Photovoltaikanlagen über versiegelten Flächen aus und hält Anlagen auf Pfählen auch in der Landwirtschaft für nutzbar. Zudem sei zu überlegen, wie Wasserkraft zu nutzen wäre. Dabei denke er an Turbinen in Fließgewässern, bei denen aber die Umweltverträglichkeit gewährleistet sein müsse. „Des Weiteren benötigen wir dringend moderne und effiziente Speichertechnologien“, sagt Zeuch.

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