Fachwerkhaus mit Wasserschaden
Jugendhilfe Oberbieber: Neue Pläne für alte Papiermühle
Besonders der Erker am Fachwerkhaus der Evangelischen Kinder- und Jugendhilfe Oberbieber ist laut Denkmalschutz schützenswert. Deshalb sollen Treppenhaus und Aufzug in einem gläsernen Anbau untergebracht werden.
Architekturbüro Klaus Zimmer

Millionen von Euro stehen im Raum, wenn Bent Herzog über die ehemalige Papiermühle in Oberbieber spricht. Nach einem Wasserschaden muss das denkmalgeschützte Fachwerkhaus saniert und umgebaut werden – in ein Gebäude mit inklusiven Wohngruppen.

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Ein Wasserschaden in ihrem ältesten Gebäude, einer Papiermühle aus dem 19. Jahrhundert, zwang die Verantwortlichen der Evangelischen Kinder- und Jugendhilfe Oberbieber nach Februar 2024 zu einer Antwort auf die Frage „Neu bauen oder sanieren?“. Nun, 18 Monate später, sind die Pläne für das markante Fachwerkhaus bereits weit fortgeschritten – und zeigen eines der für die Einrichtung größten Projekte ihrer langen Geschichte.

1856 war die ehemalige Papiermühle in Oberbieber zu einem Kinderheim geworden. Das Dorf sei über die Zeit mit der Einrichtung mitgewachsen, blickt Herzog zurück in die Geschichte. Und auch die Einrichtung selbst hat sich vergrößert, bietet Wohngruppen an Standorten in Oberbieber, am Heddesdorfer Berg und in Koblenz und ist Träger der benachbarten Paul-Schneider-Schule. Trotz allen Wachstums: „Das Fachwerkhaus ist das Gesicht der Einrichtung geblieben“, stellt Herzog fest.

Rechts ist der historische Teil des Gebäudes. Der Anbau hinter Bent Herzog entstand deutlich später und steht nicht unter Denkmalschutz.
Maja Wagener

Dort gab es im Februar 2024 einen Wasserschaden. Als der Hausmeister morgens in das Gebäude gekommen sei, sei aus dem obersten Stock große Mengen durch das gesamte Haus geflossen, erinnert sich Herzog. Damals waren die Wohngruppen bereits seit einigen Jahren ausgezogen. Doch in dem Gebäude befanden sich nach wie vor Schulräume, die Cafeteria, eine Großküche und Tagesgruppen.

Seitdem werde das Fachwerkhaus nicht mehr genutzt. Nach dem Schaden sei eine Sanierung mit einem Neubau verglichen worden. Doch der wäre nicht günstiger geworden, sagt Bent Herzog. Zudem stehe die Immobilie in weiten Teilen unter Denkmalschutz. Und: Die Mitarbeiter und Bewohner hätten sich für den Erhalt des Gebäudes ausgesprochen, nennt der Vorstand der Jugendhilfeeinrichtung ein gewichtiges Argument.

„Damit es einen Ort gibt, an dem alles stattfinden kann.“
Vorstand Bent Herzog zu den Plänen für das Untergeschoss

Immerhin 1200 Quadratmeter Fläche umfasst die 150 Jahre alte Immobilie mit ihrem deutlich neueren Anbau – ein Ausmaß, das ihr auf den ersten Blick nicht anzusehen ist. Mit dem Architekturbüro Zimmer aus Neuwied seien Gespräche aufgenommen worden, um einmal zu sehen: „Was ist in diesem Gebäude überhaupt möglich?“, erinnert sich Herzog. Denn

Während er nun auf die Pläne blickt, spricht er von Gemeinschaftsräumen im Untergeschoss, die als Multifunktionsräume geplant sind, in denen Essen, Abendveranstaltungen, interne Schulungen, Gruppenarbeit, Erlebnispädagogik und mehr möglich sein sollen. Der große Raum soll in kleinere abtrennbar sein, um zum Beispiel auch Elterngespräche führen zu können. „Damit es einen Ort gibt, an dem alles stattfinden kann“, sagt Herzog.

Bent Herzog, Vorstand der Evangelischen Kinder- und Jugendhilfe Oberbieber, im Inneren des Fachwerkhauses. Nach einem Wasserschaden im Februar 2024 wird das Gebäude nicht mehr genutzt.
Maja Wagener

Auch eine Küche soll es geben, um bei Veranstaltungen bewirten zu können. Doch eine Großküche wie vorher ist nicht mehr geplant; das Essen soll weiterhin ein Caterer bringen. Bei dessen Auswahl wurden neben den Beschäftigten auch die Kinder und Jugendlichen eingebunden. In jeder Gruppe werden Mädchen oder Jungen gewählt, die deren Anliegen vertreten. Bei einem Probeessen sei sich gemeinsam für einen Dienstleister entschieden worden, erzählt Bent Herzog und verrät, dass das auch für ihn ein schöner Termin war.

In den oberen Stockwerken des Fachwerkhauses sollen drei neue, inklusive Wohngruppen entstehen; dazu größere Nachtbereitschaftszimmer mit Büro für die Erzieher. Denn jede Wohngruppe wird 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche betreut. Um die 300 Quadratmeter stehen pro Gruppe zur Verfügung, aufgeteilt in eigene Zimmer für jedes Kind.

Großer Spielraum und eine Diele mit Leseecke

Zwei teilen sich jeweils ein Badezimmer – eine Veränderung zu den familiär aufgeteilten Wohngruppen, wo die Gemeinschaftsbäder nach Geschlecht aufgeteilt sind. In den Genuss eines eigenen Bads kommen oft nur die jungen Erwachsenen in der Verselbstständigungsphase, die sie darauf vorbereitet, alleine zu wohnen.

Ganz oben sollen die Kleinen wohnen, berichtet der Vorstand weiter. Es werde sechs eigene Zimmer, einen höheren Betreuungsschlüssel für die Drei- bis Sechsjährigen, einen Spielraum und eine etwas großzügigere Gestaltung als bei den Größeren geben. Dort leben acht Kinder und Jugendliche in einer Gruppe. Im ersten Stock solle eine große Diele mit einer Bibliotheksecke entstehen, berichtet Bent Herzog weiter.

Das Treppenhaus soll nach außen verlegt werden.
Archiv Maja Wagener

Das Treppenhaus soll nach außen verlegt werden, um innen mehr Raum zu schaffen. Ein Aufzug wird in dem Anbau aus Glas Raum finden, der am Erker geplant ist. Der sei das beim Denkmalschutz das schützenswerteste, hätten sie gelernt, schmunzelt Herzog. Deshalb müsse der Erker sichtbar bleiben. Der Glasanbau macht das möglich, und mit ihm wird das alte Gebäude barrierefrei. „Wir bewahren die Geschichte und verbinden sie mit Neuem“, fasst der Vorstand zusammen.

Dadurch werde die moderne Jugendhilfe sichtbar. Denn hinter der gesamten Planung steht ein Konzept, in dem Kinder und Jugendliche gesehen und gehört werden und ihnen – so weit das außerhalb einer eigenen Familie möglich ist – ein Zuhause geboten wird. „Man unterschätzt das immer, wie motivierend es für die Kinder und die Mitarbeiter ist, wenn es etwas Neues gibt“, weiß der Vorstand, der hier vor Jahren Zivildienst gemacht hat.

Herzog sieht in dem Millionenprojekt – die Kosten werden auf etwa 3,8 Millionen geschätzt – einen Startschuss für eine Sanierungswelle, denn die Einrichtung habe einige alte Gebäude. Für den Umbau gebe es keine Fördermittel; Geld von der evangelischen Kirche bekämen sie auch nicht. Deshalb finanziere die Einrichtung es aus Eigenmitteln, Krediten und ist auf Spenden angewiesen. Dazu liefen auch Gespräche mit den Jugendämtern. „Wir hoffen alle auf das Sondervermögen, dass damit auch die Jugendhilfe bedacht wird, gibt der Vorstand zu. Doch zuerst würden sicher Kommunen bedacht werden, ist Bent Herzog realistisch. Dort gebe es auch viel zu sanieren.

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