Bürgerliste "Ich tu’s" will Ausgleichsflächen in unmittelbarer Nähe - Stadtrat lehnt Antrag ab
Ist Gewerbe wichtiger als Grünland? Stadtrat Neuwied diskutiert über Ausgleichsflächen
Das Gewerbegebiet Friedrichshof soll bis nach Torney wachsen. Der Eingriff in die Natur muss ausgeglichen werden. Foto: Google Earth / Landsat / Copernicus
Google Earth / Landsat / Coperni

Wer Baugebiete ausweist, muss auch an Ausgleichsflächen denken, um den Eingriff in die Natur zu kompensieren. Die Bürgerliste „Ich tu’s“ forderte für Neuwied eine ortsnahe Ausweisung solcher Flächen. Das sah der Stadtrat anders.

Wo neue Bau- und Gewerbegebiete entstehen, verschwindet oft ein Stück Natur. Daher müssen solche Eingriffe in die Umwelt in der Regel wiedergutgemacht werden – durch sogenannte Ausgleichsflächen. In Neuwied soll das nach dem Willen der Bürgerliste „Ich tu’s“ jedoch nicht irgendwo, sondern auf städtischem Gebiet oder in unmittelbarer Nähe passieren. Ein entsprechender Antrag der Bürgerliste wurde im Stadtrat jetzt aber abgelehnt.

Für die Bürgerliste erläuterte Jutta Etscheidt den Antrag. Sie hob zunächst hervor, dass in Neuwied mehrere neue Gewerbegebiete geplant werden. Dazu zähle etwa die Erweiterung des Friedrichshofs bis nach Torney. „Die damit verbundenen Eingriffe in die Natur kann sich sicher jeder vorstellen“, sagte Etscheidt.

Wenn hier in Neuwied Flächen zugebaut werden, müssen die Ausgleichsmaßnahmen auch hier den Menschen und Tieren zugutekommen.

Jutta Etscheidt, Bürgerliste „Ich tu’s“

Neue Baugebiete und die damit einhergehende Versiegelung von Flächen brächten eine Reihe von Nachteilen mit sich, betonte Etscheidt. Sie nannte unter anderem den Verlust von fruchtbaren Böden, von Biodiversität und von CO₂-Speichern sowie ein höheres Überschwemmungsrisiko und eine Verschlechterung des Kleinklimas. „Wir können die Zerstörung durch Baumaßnahmen nur durch die Aufwertung anderer Flächen ausgleichen“, sagte Etscheidt. Diese Aufwertung solle „in räumlichem und funktionalem Zusammenhang mit der zerstörten Fläche stehen“.

Vor diesem Hintergrund wies Etscheidt darauf hin, dass die Stadt zuletzt in zwei Fällen Ausgleichsflächen im Kreis Mayen-Koblenz für Bauvorhaben in der Stadt herangezogen hatte. „Wenn hier in Neuwied Flächen zugebaut werden, müssen die Ausgleichsmaßnahmen auch hier den Menschen und Tieren zugutekommen“, begründete Etscheidt den Antrag ihrer Fraktion.

Bürgerliste will Konzept für Ausgleichsflächen

Eine zweite Komponente des Antrags bestand darin, dass die Stadt prüfen solle, ein Konzept für Ausgleichsflächen in Neuwied zu erstellen. Ziel sei es, innerhalb des Stadtgebiets zusammenhängende Flächen zu finden, die durch bestimmte Arten der Aufwertung zu einem Biotopverbund entwickelt werden könnten, erläuterte Etscheidt. „Ein Ausgleichsflächenkonzept würde die Verwaltung auf lange Sicht von der mühsamen Suche nach Kompensationsmaßnahmen entlasten und für notwendige Baumaßnahmen ein Zukunftsfenster öffnen.“ Laut Etscheidt könne ein solches Konzept bereits im kommenden Jahr erstellt werden.

Bei den anderen Ratsfraktionen stieß der Antrag auf wenig Gegenliebe. Robert Raab (SPD) nannte Etscheidts Ausführungen eine „langwierige Ansammlung von Allgemeinplätzen“. Er wies darauf hin, dass die Festlegung von Ausgleichsmaßnahmen „umfassend rechtlich geregelt ist“. Für diese Routinearbeit ein Konzept zu entwickeln, sei überflüssig und koste nur Zeit und Geld. Gleichwohl beantragte die SPD-Fraktion, die Debatte über ein solches Konzept in den Planungsausschuss zu verweisen, auch wenn Raab anmerkte: „Schlauer werden wir da-durch nicht.“

CDU fürchtet Stillstand bei der Stadtentwicklung

Auch Martin Hahn (CDU) sah den Antrag der Bürgerliste kritisch. „Es kann nicht sein, dass wir hier ein bürokratisches Monster schaffen“, sagte er mit Blick auf das Ausgleichskonzept. Zum einen habe die Verwaltung schon damit begonnen zu prüfen, wie Flächen hergerichtet werden können, um sie als Ausgleichsflächen in der Stadt zu nutzen. Zum anderen werde es fünf bis zehn Jahre dauern, bis ein Konzept vorliege, wie es der Bürgerliste vorschwebe. Darüber hinaus werde durch die Forderung der Bürgerliste, Ausgleichsflächen nur noch in der Stadt oder in unmittelbarer Nähe auszuweisen, die Schaffung neuer Gewerbegebiete infrage gestellt. Damit sei die Stadtentwicklung am Ende, sagte Hahn. „Das kann nicht sein.“

Die Mehrheit im Stadtrat teilte die Auffassung der Kritiker. Gegen die Stimmen der Bürgerliste und des Vertreters der Linken wurde zunächst die Ausweisung von Ausgleichsflächen ausschließlich auf städtischem Gebiet oder in unmittelbarere Nähe abgelehnt. Anschließend verwies der Stadtrat – wiederum gegen die Stimmen der Bürgerliste und des Vertreters der Linken – die weitere Debatte um ein Ausgleichsflächenkonzept in den Planungsausschuss.

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