Die aktuelle wirtschaftliche Lage im Kreis wird von Markus Nölken, Geschäftsführer von Nölken Hygiene Products aus Windhagen, als einigermaßen stabil eingeschätzt – noch. „Allerdings spürt man in verschiedenen Bereichen die Schwierigkeiten bei der Mitarbeitersuche, auch weil die nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge noch nicht den erwünschten Effekt hatten. Nach den pandemiebedingten Schwierigkeiten und den Folgen des Ukraine-Krieges hat sich die Lage inzwischen verbessert“, so Nölken.
Doch trotz dieser stabilen Lage sieht er auch einige Probleme für Unternehmen. „Die bürokratischen Hürden in Deutschland sind hoch, und es scheint, dass jede Woche eine neue Regelung hinzukommt. Auch die Behörden werden immer komplexer und langsamer in ihren Abläufen, was Prozesse unnötig kompliziert macht“, erklärt Markus Nölken.
Andere Länder seien dahin gehend deutlich fortgeschrittener und schneller in der Bearbeitung. Stichwort: Digitalisierung. Unternehmen seien mit zusätzlichen Lasten wie Plastikabgaben, EU-Verpackungsabgaben und umfangreichen Statistikanforderungen konfrontiert. „Während die Bürokratie generell in Deutschland relativ hoch ist, gibt es aber auch einige Regelungen, wie zum Beispiel die EU-Kosmetikverordnung, die auch in anderen EU-Ländern verpflichtend sind. Weil aber auch bei diesen EU-weiten Regelungen selten eine einheitliche Herangehensweise gefunden wird, sondern jedes EU-Land eigene Maßnahmen trifft, um der Regelung gerecht zu werden, ist hier die Mehrbelastung für international agierende Unternehmen besonders hoch“, betont Nölken.
Genehmigungen dauern lange
Im Detail nennt Nölken aus seiner Branche die langen Wartezeiten bei Genehmigungen als Hürde, zum Beispiel in Bezug auf Prüfstatiken. „Die Herausforderungen zeigen sich besonders bei komplexen Projekten, wie wir am Berliner Flughafen sehen konnten. Auch Regelungen wie Arbeitszeitvorschriften, die Einwegkunststoff-Richtlinie, die EU-Kosmetikverordnung, Kennzeichnungsrichtlinien, das EU-Mikroplastikverbot, die Medizinprodukteverordnung und die neuen Zertifikatsrichtlinien tragen zur Komplexität bei“, zählt Nölken auf, was man als Unternehmen alles beachten muss.
Früher, so Nölken, sei dies anders gewesen: „Die Prozesse dauern länger, weil die Abläufe komplizierter geworden sind und immer mehr Stellen beteiligt sind. Zudem sind viele neue Verordnungen hinzugekommen. Neue Richtlinien, Regelungen und Verbote bedeuten, dass sich zahlreiche Fachkräfte neben ihren regulären Tätigkeiten auch darauf konzentrieren müssen, ob alle Anforderungen korrekt umgesetzt und gekennzeichnet sind. Das erfordert erhebliche Ressourcen in Form von Zeit, Geld und Personal“, stellt der Geschäftsführer klar.
Die bürokratischen Hürden in Deutschland sind hoch, und es scheint, dass jede Woche eine neue Regelung hinzukommt.
Markus Nölken von Nölken Hygiene Products
Doch sei für Nölken eins kein Thema: abwandern. „Der hier mittelständisch geprägte Wirtschaftsraum neigt eher dazu, Probleme vor Ort lösen zu wollen, anstatt vorschnell aufzugeben. Wir versuchen stets, unternehmerische Lösungen zu finden“, so Markus Nölken. Das eigene Beispiel zeigt, dass man zur Region und zum Kreis Neuwied steht. „Wir planen, in den kommenden Jahren weiterhin in unsere Standorte in Windhagen und Fernthal zu investieren. Wir investieren bewusst in unsere Standorte in der Region, weil wir von den Mitarbeitern und der Region überzeugt sind“, sagt der Geschäftsführer.
Die IHK sieht auf RZ-Anfrage die wirtschaftliche Lage in der Region als „herausfordernd“. „Trotz einer leichten Verbesserung im Vergleich zum Herbst 2023 bleibt die Stimmung der Unternehmen gedämpft, wie die Ergebnisse unserer IHK-Konjunkturumfrage im Frühjahr 2024 zeigen. Die Geschäftslage der Unternehmen zeigt einen Abwärtstrend, und auch die Erwartungen für die kommenden zwölf Monate sind verhalten. Grund ist eine Häufung von Risiken wie wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen und Fachkräftemangel“, erklärt Kristina Kutting, Regionalgeschäftsführerin der IHK für die Kreise Neuwied und Altenkirchen.
Schlecht im internationalen Vergleich
Auch Kutting beobachtet hohe bürokratische und regulatorische Hürden am Standort Deutschland, die sich auch auf die Unternehmen im Kreis Neuwied niederschlagen. „Viele Unternehmen planen, auf Investitionen in Deutschland zu verzichten, da sie sich von staatlicher Bürokratie stark belastet fühlen. Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland besonders schlecht ab, vor allem aufgrund mangelnder Verwaltungsdigitalisierung“, begründet Kutting.
Wie Markus Nölken sieht Kutting in umfangreichen Vorschriften und technischen Hürden Probleme für Unternehmen, die kaum mehr zu überblicken geschweige denn zu bezahlen sind. Als Beispiel nennt sie die Installationspflicht von Photovoltaik-Anlagen, Melde- und Berichtspflichten sowie lange Wartezeiten bei Genehmigungsverfahren. „Die Regelungsdichte hat in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren enorm zugenommen. Wie aus einer Statistik der Bundesregierung hervorgeht, stieg sowohl die Zahl der bundesrechtlichen Gesetze als auch die Zahl der Einzelnormen in diesem Zeitraum stark an. Galten am 1. Januar 2014 noch 1671 Gesetze mit 44.216 Einzelnormen, so waren es zu Beginn dieses Jahres schon 1792 Gesetze, die aus insgesamt 52.155 Einzelnormen bestanden“, weiß Kutting.
Die steigende Bürokratiebelastung führe in Deutschland und auch im Kreis Neuwied dazu, dass Unternehmen vermehrt über eine Standortveränderung nachdenken. „Diese Tendenzen könnten langfristig wirtschaftlichen Schaden für Deutschland bedeuten“, ist Kutting überzeugt und fügt hinzu: „Die Bürokratie wird zunehmend als erheblicher Standortnachteil wahrgenommen, wie aus Studien und dem Jahresbericht des Normenkontrollrats hervorgeht.“ Konkrete Beispiele von abwanderungswilligen Unternehmen aus dem Kreis seien der Regionalgeschäftsführerin derzeit nicht bekannt.
Die IHK bietet einen Bürokratiemelder für Unternehmen an. Dieser ist im Internet hier zu erreichen. Die dort gesammelten Informationen nimmt die IHK als Anlass, in Gespräche mit der Politik zu gehen.