Neuwied
Interview mit Erstwählern: Warum Wähler immer am Ball bleiben müssen
Marion Ziegler

Neuwied. Am Sonntag nehmen Birte Rohowski, Louisa Barg und Robert Gundlach zum ersten Mal an einer Landtagswahl teil. Die drei 18-jährigen Schüler sind außerdem einem Aufruf ihrer Schule gefolgt und haben sich als Wahlhelfer gemeldet. Im Interview sprechen sie über Populismus, Podiumsdiskussionen und Protestwahl.

Marion Ziegler

Ihr habt euch freiwillig als Wahlhelfer gemeldet. Wieso?

Birte: Wenn man zum ersten Mal wählen gehen darf, dann sollte man das auch tun. Und wenn man dann auch noch die Möglichkeit hat, zu sehen, wie das abläuft, finde ich das sehr wichtig.

Louisa: Das zeigt ja auch, dass das den Jüngeren nicht ganz egal ist. Das wird ja immer mehr verurteilt.

Sind denn andere junge Wähler politikverdrossen?

Birte: Ich finde schon, dass viele politikverdrossen sind. Jeder, den ich frage, hat zwar eine Meinung, ist aber null informiert. Ich kann mir auch vorstellen, dass bei vielen die Wahl so unpräsent ist, dass sie einfach vergessen, wählen zu gehen.

Robert: In der Schule kann man zum Beispiel die politischen Programme der Parteien nicht behandeln. Man muss sich eine eigene Meinung bilden und da fehlt den Jüngeren vielleicht die Motivation dazu.

Birte: Ich fand es auch schwierig, mich anhand der Programme richtig zu informieren. Vieles ist sehr langweilig und trocken. Ich mache das hauptsächlich über die Nachrichten.

Louisa: Man muss immer am Ball bleiben. Das ist auch ein Problem.

Wie informiert ihr euch außerdem über Politik?

Louisa: Der Wahl-O-Mat war hilfreich.

Birte: Das habe ich auch gemacht, um erst einmal zu schauen, was überhaupt für mich in Frage kommt. Man bekommt auch viel von Bekannten und Verwandten mit. Ich rede auch mit meinen Eltern darüber und bekomme schon mal Ärger, dass ich mich besser informieren soll.

Robert: Ich war beim Wahl-O-Mat überrascht, wie eng alle Ergebnisse beieinander lagen.

Louisa: Ja, man muss sich am Ende durchlesen, was die Parteien jeweils dazu gesagt haben und warum man Übereinstimmungen hat.

Was haltet ihr davon, dass Malu Dreyer wegen der AfD nicht an der TV-Elefantenrunde teilnahm?

Robert: Ich fand das nicht gut. Bei Podiumsdiskussionen zum Beispiel in Baden-Württemberg kam schnell heraus, dass die AfD keine weiteren Inhalte hat. So etwas finde ich relativ wirksam. Man sollte da den Dialog finden und überzeugen, dass es ein Programm braucht an stelle von rein populistischen Inhalten.

Birte: Ja, finde ich auch. Es ist auch ein bisschen feige, sich nicht zu stellen. Vielleicht bestärkt das auch die AfD sogar. Da sollte man lieber dagegen argumentieren als gar nicht.

Helfen euch solche Diskussionsrunden, eine Meinung zu bilden?

Birte: Das ist noch ein Grund mehr für Politiker, das zu sagen, was gut ankommt.

Robert: Und wenn ein Politiker nicht hundertprozentig auf eine Frage antworten kann, dann wird da ganz viel interpretiert. Man sollte sich lieber die Parteiprogramme anschauen und mit den eigenen Interessen vergleichen.

Louisa: Man kann sich auch darüber informieren, was die bisher getan haben.

Welche Themen sind euch wichtig?

Robert: Bildungspolitik, weil mich das ja selbst noch betrifft.

Birte: Ja, Bildungspolitik, Flüchtlinge, Adoptionsrecht für Schwule, das ist mir wichtig. Dafür sind mir persönlich Straßenbau und Infrastruktur nicht so wichtig. Da bin ich so ein Prototyp-Jugendlicher.

Was erwartet ihr von der neuen Landesregierung?

Birte: Mir ist zum Beispiel wichtig, dass die Flüchtlingspolitik in Rheinland-Pfalz einen vernünftigen Rahmen bekommt und man sich da nicht von irgendwelchen rechten Gruppen beeinflussen lässt.

Robert: Und auch, dass die Flüchtlinge schnell integriert werden und auch arbeiten können.

Habt ihr auch Verständnis für Nicht-Wähler?

Louisa: Man kann die Gründe nicht verallgemeinern, warum jemand nicht wählen geht. Aber ich finde schon, dass es eine verschenkte Chance ist. Wenn immer weniger Leute wählen gehen, dann wiegt ja eine Stimme immer mehr.

Robert: Das Problem dabei ist, dass die eher populistischen Parteien Stammwähler haben, die auch immer wählen gehen. Da sehe ich dann eine Gefahr, wenn andere nicht wählen gehen. Nicht verstehen kann ich, wenn die, die nicht wählen, sich hinterher über die Politik beschweren.

Birte: Selbst, wenn man sich nicht richtig informiert hat, irgendwas weiß man ja immer. Ich glaube, dass viele aus komplettem Desinteresse nicht gehen.

Louisa: Und den meisten ist auch nicht bewusst, dass Nichtwählen genauso das Ergebnis beeinflusst wie wählen zu gehen.

Robert: Aber lieber nicht wählen, als eine Protestwahl.

Die Fragen stellte Marion Ziegler.

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