Vor dem Dorfgemeinschaftshaus im Dierdorfer Ortsteil Giershofen versammeln sich einige Mitglieder der Naturschutzinitiative aus Quirnbach (VG Selters), die fordern, auf Windenergie im Wald zu verzichten und Kritik an den Windkraft-Plänen im Kreis Neuwied äußern. Besuchern der Infomesse zum geplanten Windpark Märkerwald Dierdorf geben sie passende Infos an die Hand. Auf der Messe selbst wird deutlich, dass die Meinungen zur Windenergie auseinandergehen.
Interessiert schauen sich einige Menschen aus der Region die Details zu den Plänen auf verschiedenen Stellwänden an, besonders nachgefragt sind die Visualisierungen zu den Standorten. Die Infomesse ist überschaubar besucht, im Zeitraum von 17 bis 20 Uhr kamen laut Projektentwickler Abo Energy alles in allem rund 60 bis 70 Besucher.
Das Vorhaben Märkerwald Dierdorf
Abo Energy plant im Märkerwald südwestlich von Dierdorf einen Windpark mit bis zu acht Anlagen des Typs Nordex N175. Die Anlagen mit einer Gesamthöhe von je 266,5 Metern sollen jährlich rund 102 Millionen Kilowattstunden Strom produzieren, das entspricht laut Abo Energy der Verbrauchsmenge von 61.000 Personen. Derzeit befinden sich die Anlagen im Genehmigungsverfahren. Wie viele Windräder am Ende genehmigt werden, ist somit noch offen.
Die Anlagen sind zu einem großen Teil auf Kalamitätsflächen geplant, manche aber auch auf vorbelasteten Arealen aufgrund der A3 in unmittelbarer Nähe und auch der ICE-Trasse. Der einzuhaltende Abstand von Windrädern beträgt nach aktueller Gesetzgebung 900 Meter zu geschlossenen Siedlungsgebieten. Die Meinungen zur Windkraft generell und zum Vorhaben fallen auf der Infomesse sehr unterschiedlich aus.
Einschätzungen der Besucher
Petra Buhr von der Naturschutzinitiative (NI), ein bundesweit anerkannter Umweltverband, hält es für wichtig, dass „Naturschutzverbände ihren kritischen Blick miteinbringen“. Beim Thema Windkraft wünscht sie sich generell mehr Augenmaß und merkt im Hinblick auf den Bau und den Betrieb von Windrädern kritisch an: „Wo werden alle Schutzfunktionen beachtet?“ Es gehe neben dem Schutz der Biodiversität auch um die Schutzgüter Gesundheit und Erholung. Die Regierung verfolge eine maß- und zügellose Energiewende, die den Schutz von Natur, Arten und Landschaft völlig außer Acht lasse. „Windindustrieanlagen sind ein massiver Eingriff in die intakte Natur“, betont sie.
Ein Paar aus Urbach informierte sich auf der Messe darüber, wo die Windräder geplant sind: „Das betrifft uns nicht direkt.“ Der Urbacher ist skeptisch, ob Windkraft benötigt wird. Wie seine Frau plädiert er vor allem dafür, auf Photovoltaik als Erneuerbare Energie zu setzen, sie haben auf Ihrem Haus eine Solaranlage installiert. Seine Frau sorgt sich im Zusammenhang mit der Windkraft um die Natur – etwa den Rotmilan. In erster Linie regt der Urbacher an, Energie zu sparen.

Intensiv tauschen sich Olaf Peter Dasbach aus Neuwied und Erhard Böhm aus Kleinmaischeid über das Thema Windkraft aus. Beide sind aus allgemeinem Interesse gekommen, aber auch, um mehr über die Technik hinter den Windenergieanlagen (WEA) zu erfahren. Böhm arbeitete mal bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord und befürwortet grundsätzlich dort Windkraft, wo Flächen schon geschädigt sind und keine zusätzliche Natur zerstört werden muss.
„Es könnte zu einem Überstrapazieren der Bevölkerung werden.“
Erhard Böhm aus Kleinmaischeid blickt auf die vielen geplanten Windräder in der Region.
Bezüglich der Windkraftpläne in der Region äußert er Bedenken in Hinblick auf die potenzielle Anzahl der WEA. Allein in der Verbandsgemeinde Dierdorf könnten in den nächsten Jahren einige Windräder errichtet werden. Entlang der A3 wollen der Energieversorger Vattenfall und der Projektierer „wiwi consult“ einen Windpark entwickeln. Dieser umfasst nach aktuellem Planungsstand 19 Windkraftanlagen, die sich im Genehmigungsverfahren befinden.
Auf Flächen der Gemeinden Groß- und Kleinmaischeid sind es zehn potenzielle Windkraftanlagenstandorte, auf Arealen Dierdorfs fünf, dazu kommt noch das benachbarte Sessenhausen im Westerwaldkreis mit vier Standorten. Weitere Potenzialflächen gibt es im Besitz des Fürstenhauses zu Wied, in Großmaischeid drei und in Kleinmaischeid eine. Darüber hinaus könnte eben der Windpark Märkerwald Dierdorf entstehen mit bis zu acht WEA. „Es könnte zu einem Überstrapazieren der Bevölkerung werden“, sagt Böhm. Dasbach ist kein absoluter Freund von Windrädern, betont aber generell: „Mir ist jede Windkraftanlage lieber als ein Atomkraftwerk.“
„Diese Einnahmen sind dafür da, den Wald klimaresistent umbauen zu können.“
Jörg Schrading von der Märkerschaft Dierdorf
Der Dierdorfer Jörg Pertek, selbst Mitglied der Märkerschaft Dierdorf, befürwortet dagegen die Pläne: „Das Vorhaben finde ich sehr gut.“ Die Märkerschaft Dierdorf könne die Einnahmen aus der Windkraft in die Wiederaufforstung der Waldflächen stecken. Hierauf geht Jörg Schrading von der Märkerschaft Dierdorf näher ein: „Diese Einnahmen sind dafür da, den Wald klimaresistent umbauen zu können.“ Er unterstreicht, dass die Märkerschaft es sich nicht leicht gemacht habe, für das Vorhaben zu stimmen, doch ein Ziel steht für diese ganz oben: „Den Waldbestand langfristig zu sichern.“ Die Einnahmen sollen beispielsweise auch für zusätzliches Personal genutzt werden, um die Wiederaufforstung zu betreuen, die viel Pflege bedeutet.

Zwei Bürgerinnen aus dem Dierdorfer Ortsteil Giershofen sehen die Planungen zwiegespalten. Eine der beiden lebt von der Grundsicherung und kann aktuell kaum noch die Stromkosten stemmen. Sie macht sich Sorgen darum, wohin der Strompreis noch gehen wird und ob nicht die Windkraft einen negativen Einfluss darauf haben könnte.
Hier zeigen Daten vom Forschungsinstitut Fraunhofer für Solare Energiesysteme, dass die Windkraft Onshore Stromgestehungskosten im Jahr 2024 bei 4,3 bis 9,2 Cent pro Kilowattstunde (KW/h) lagen und damit günstiger als Gas (10,9 bis 18,1 Cent pro KW/h) oder Braunkohle (15,1 bis 25,7 Cent pro KW/h) waren. Stromgestehungskosten zeigen die durchschnittlichen Kosten für die Erzeugung einer Kilowattstunde Strom über die gesamte Lebensdauer einer Energieerzeugungsanlage an. Ihre Nachbarin äußert Bedenken mit Blick auf die Flora und Fauna sowie das Kosten- und Nutzenverhältnis von Windkraft.
Fazit des Projektentwicklers Abo Energy
Insgesamt zieht Lena Fritsche, stellvertretende Abteilungsleiterin Kommunikation, ein gutes Fazit für die Infomesse zum geplanten Windpark Märkerwald Dierdorf: „Wir sind sehr zufrieden mit der Veranstaltung. Bei den Gesprächen überwog das echte Interesse an unseren Plänen, klar ablehnende Stimmen haben wir bis auf die Naturschutzinitiative kaum gehört. Auch unser Naturschutzgutachter hat diesen Eindruck bestätigt.“
Zudem ergänzt sie, dass alle Bürgerinnen und Bürger im Zuge der Offenlage der Antragsunterlagen noch einmal die Chance haben, sich genau zu informieren und auch Einwände vorzubringen. Für Bürgerinnen und Bürger, die nicht an der Infomesse teilnehmen konnten, weist Fritsche auf die Internetseite hin. Auf dieser sind auch die Plakate zu finden, die auf der Infomesse zu sehen waren – beispielsweise zu den Standorten: www.windpark-maerkerwald-dierdorf.de