Linz. Der Anblick schmerzt: Immer mehr Ladenlokale in Linz stehen leer. In der Mittelstraße reihen sich verwaiste Schaufenster aneinander. Das ehemalige Botex steht mittlerweile seit Jahren leer, ebenso wie das benachbarte ehemalige Friseurgeschäft. In der Boutique Plan B ist bis zum Sommer Räumungsverkauf.
In der Rheinstraße zeigt sich das gleiche Bild. Ladenlokal an Ladenlokal steht leer. Dabei sah es im vergangenen Jahr noch ganz anders aus. Die Stadt schien im Aufbruch. Man hätte sie im Hinblick auf die Stadtentwicklung als ein Glas bezeichnet, dass mehr als halb voll ist. Jetzt scheint es halb leer zu sein.
Was könnte Laufkundschaft in die Innenstadt locken?
Es gibt zwar einige Lichtblicke, wie die Parfümerie am Buttermarkt, die Ende 2024 überraschend aus familiären Gründen schließen sollte. „Dort hat jedoch eine ehemalige Mitarbeiterin das Geschäft übernommen, weil sie wusste, wie gut der Umsatz ist“, berichtet Stadtbürgermeister Helmut Muthers im Gespräch mit unserer Zeitung. Am Markt wurde ein Restaurant mit indischer Küche eröffnet, der Spanische Garten hat einen neuen Pächter, und am Buttermarkt wurde ein leer stehendes Ladenlokal gerade vom F örderverein für Palliativ- und Hospizarbeit Rhein-Wied bezogen. Es ist eine enorm wichtige Adresse für Menschen, die Hilfe suchen. Allerdings ist die Anlaufstelle in prominenter Lage nichts, was den Tourismus fördert und Laufkundschaft in die Geschäfte lockt. Es ist auch absehbar, dass einige weitere Geschäfte in den kommenden Jahren schließen, weil die Inhaber die Altersgrenze erreicht haben.

Was Investoren abschreckt
Zu verstehen ist die plötzliche Entwicklung eigentlich nicht. Die Boutiquen, die da sind, machen guten Umsatz. Immer wieder melden sich auch Interessenten, die ein Geschäft eröffnen wollen. Das scheitert an mehreren Gründen. „Manchmal ist die Miete zu hoch oder die Inhaber wollen gar nicht vermieten. Ein Investor, dem mehrere leer stehende Objekte in Linz gehören, gibt an, dass die wirtschaftliche Lage in Deutschland, die gestiegenen Baukosten, die Zinsen und die Bürokratie notwendigen Umbauten und Sanierungen im Wege stehen“, zählt Citymanagerin Karin Wessel die Gründe für die Leerstände auf.
Und Muthers verweist auf das „Hammersteins“ am Buttermarkt, das seit Längerem geschlossen ist. „Das müsste nicht sein. Ein Interessent steht seit November in den Startlöchern, der gern wieder ein Restaurant dort eröffnen will. Allerdings gibt es – nach unseren Informationen – Verzögerungen wegen der Bürokratie.“ Das haben auch andere Investoren erfahren müssen. Etwa rund um die Immobilie, in der das Botex viele Kunden nach Linz lockte. Endlose Genehmigungsverfahren oder Auflagen, dazu noch die Corona-Zeit haben dem Investor einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Jetzt soll das Ruder in Linz mithilfe des Modellvorhabens „Innenstadt-Impulse“ herumgerissen werden. Linz hat den Zuschlag für das Landesförderprogramm bekommen. „Der Zuwendungsbetrag beträgt 392.000 Euro bei einer Förderung von 90 Prozent der zuwendungsfähigen Gesamtkosten von 435.550 Euro“, informiert Muthers. „Mit dem Projekt sollen Zukunftsperspektiven entwickelt werden. Ziel ist die Stärkung der Ortskerne als multifunktionale, resiliente und zukunftsfähige Zentren mit vielfältigen Nutzungen. Es geht um ein Markenentwicklungskonzept sowie Entwicklung und Umsetzung einer Marketing- und Imagekampagne“, umreißt Muthers, um was es theoretisch geht.
Praktisch ist angedacht, neue Veranstaltungsreihen aufzulegen, um Gäste in die Stadt zu locken und verwaiste Schaufenster in der Stadt mit Infos zur Stadtgeschichte interessant zu gestalten. „Die Stadt muss einen guten Eindruck machen. Es gibt auch theoretisch die Möglichkeit, vorübergehend die Ladenmiete für Interessenten zu subventionieren“, ergänzt Wessel.

„Es ist zwar sehr hilfreich, einzelne Maßnahmen vorantreiben zu können. Aber das sind immer nur Tropfen auf einen sehr heißen Stein. Man muss Strukturen ändern“, so Muthers. Dazu gehöre auch, die Belastungen für die Bürger im Blick zu haben. „Die Grundsteuer zum Beispiel darf nicht noch weiter erhöht werden. Auch die Bürokratie muss vereinfacht und der Wahnsinn rund um die Beantragung von Fördergeldern muss weg. Für uns als Stadt ist das nicht zu leisten“, sagt Muthers. „Es geht um den großen Wurf, dazu brauchen wir neue Konzepte, die aber auch Veränderungsbereitschaft bei allen Akteuren erfordert. Wir müssen alles neu denken. Die aktuellen Herausforderungen sind sehr groß und das nicht nur in Linz. “
„Uns sind die Hände gebunden.“
Karin Wessel, Citymanagerin in Linz
Die Stadt selber habe bei der Stadtentwicklung kaum Möglichkeiten, steuernd einzugreifen. „Wenn jemand seine Immobilie leer stehen lassen will, dann können wir wenig machen. Uns sind die Hände gebunden“, unterstreicht Wessel. Die Stadt müsse trotzdem prüfen, welche Möglichkeiten sie hat, um gegenzusteuern. „Es ist wichtig, strategisch groß zu denken. Wir müssen Überzeugungsarbeit leisten und motivieren. Geschäftsleute, Eigentümer, Bürger und Interessenten müssen wir alle in ein Boot holen“, sagt Muthers.
Groß zu denken, sei vor dem Hintergrund der besonderen Situation in Linz unabdingbar. Viele Immobilien haben unten ein Ladenlokal und oben Wohnungen, zu denen man nur durch das Geschäft gelangt. „Das ist einerseits ein Problem, andererseits kann es ein großer Vorteil sein, weil es Wohnen und Arbeiten unter einem Dach ermöglicht. Immerhin gibt es bis 2027 noch Geld für Sanierungen aus dem Förderprogramm historische Stadtbereiche (ISEK)“, so Muthers.
Nachteile zu Vorteilen machen
„Wir müssen alle motivieren, neu zu denken. Einige großartige Beispiele, bei denen mehrere Häuser zusammengelegt, im Innenbereich neu aufgeteilt und neue Eingänge geschaffen wurden, gibt es bereits.“ Das halb volle Glas kann, davon sind Muthers und Wessel überzeugt, auch eine Chance sein, es wieder randvoll zu machen.