Eins bestätigen alle übereinstimmend: Die Wälder unserer Region sind seit Beginn der Kontaktbeschränkungen Mitte März viel stärker frequentiert: „Es sind sowohl Einheimische als auch Tagesausflügler. Hinzu kommen seit den angekündigten Lockerungen noch kurzfristige Buchungen. In unserem Onlineshop haben wir viel mehr Wander- und Radkarten verkauft als sonst“, berichtet Florian Fark, Leiter der Tourist-Information Wiedtal.
Auch Uwe Hoffmann, Forstamtsleiter in Dierdorf, erzählt, dass in seinem Bereich in den letzten Wochen mehr Menschen im Wald anzutreffen sind. „Allerdings auch vermehrt zu unüblichen Zeiten und auf nicht erlaubten Pfaden, beispielsweise mit dem E-Bike. Wandern ist okay, aber Zelten oder Übernachten mit dem Wohnwagen oder Mobil, Grillen, offenes Feuer, und Rauchen sind nicht erlaubt. Und das nicht nur wegen aktueller Trockenheit und Waldbrandgefahr, sondern generell.“
Die entsprechenden Rechte und Pflichten der Waldnutzer sind ab dem Paragraf 22 des Landeswaldgesetzes geregelt: „Jeder darf den Wald zum Zwecke der Erholung betreten. (...) Die Lebensgemeinschaft Wald und die Bewirtschaftung des Waldes dürfen nicht gestört werden.“ Radfahren und Reiten sind im Wald nur auf Straßen und Waldwegen erlaubt, die auch von den Fahrzeugen der Forst- und Holzwirtschaft genutzt werden, erklärt Uwe Hoffmann ergänzend. Auf die Walderholung sowie auf Nutzungsrechte anderer am Wald ist gegenseitige Rücksicht zu nehmen, heißt es im Waldgesetz weiter. Hier lasse allerdings die Zurückhaltung der Waldbesucher zu wünschen übrig, stellt der Forstamtsleiter bedauernd fest: Der Wald als Lebensgemeinschaft müsse wieder eine höhere Akzeptanz finden. Besonders wichtig ist Paragraf 24, der den Waldbrandschutz regelt. Im Wald und in einem Bereich von 100 Metern davor darf kein Feuer angezündet werden. Und selbstverständlich darf im Wald nicht geraucht werden.
Wichtige Regeln, die immer mehr Waldbesuchern offenbar nicht bewusst sind. Die Forstexperten betonen: Egal ob Wandern, Radfahren oder das immer beliebtere Waldbaden: Das „Betreten erfolgt auf eigene Gefahr“, so steht es im Landeswaldgesetz. Denn im Wald können auch Gefahren lauern, wie beim großen Baumabbruch an Pfingstsonntag auf dem Rundweg um den Stausee in Oberbieber, vor dem viele Wanderer plötzlich standen und umkehren mussten. Sollte es im Wald zu einem Notfall kommen und Hilfe ist nötig, können die grünen Tafeln mit weißem Kreuz und siebenstelliger Nummer eine wichtige Orientierungshilfe sein.
Große Sorgen bereiten Uwe Hoffmann und seinem Kollegen, Thomas Tullius vom Forstrevier Linz-Unkel, neben dem erhöhten Besucheraufkommen vor allem das Baumsterben und der Klimawandel: „Vom Waldsterben sind alle heimischen Baumarten betroffen. Als erstes sterben bei den Nadelbäumen die Fichten ab, erkennbar an den rot-braun gefärbten Nadeln. Neben dem Klimawandel ist hierfür seit einiger Zeit ein äußerst aggressiver Borkenkäfer namens Buchdrucker verantwortlich, der sich rasend schnell vermehrt. Im heimischen Forstrevier sind mehr als 200 Hektar Fichtenbestände in gut zwei Jahren abgestorben.“ Uwe Hoffmann ergänzt: „Wir haben wegen des Borkenkäferbefalls in 2019 viermal so viel Holz wie in den Vorjahren geschlagen. Und jetzt schon fast wieder so viel wie im Gesamtjahr 2019, was auf die extreme Trockenheit und Wärme der vergangenen Wochen zurückzuführen ist.“
Thomas Tullius warnt eindringlich: „Wenn der Wald abstirbt, fällt die wichtige Aufgabe der Kohlenstoffbindung weg: Bei Wegfall von zwei Hektar Fichtenbestand können 2000 Tonnen Kohlendioxid nicht mehr gebunden werden.“
Auch die heimischen Laubbäume seien infolge des Klimawandels zunehmend geschwächt, erklären beide Forstamtsleiter. So hat der aus dem Mittelmeerraum eingewandert Eichenprozessionsspinner bei der eigentlich robusten Eiche ein leichtes Angriffsziel und muss umfassend bekämpft werden.
Beide fordern den Aufbau eines neuen Waldes mit Baumarten, die sich vor dem Hintergrund des Klimawandels bei uns in Zukunft bewähren können. Investitionen von 30 bis 40 Millionen Euro seien seitens der Waldbesitzer nötig, so Uwe Hoffmann. „Der Wirtschaftswald in seiner jetzigen Ausprägung steht vor dem Kollaps“, warnt Thomas Tullius eindringlich. „Es muss dringend mit dem Aufbau eines neuen Waldes begonnen werden. Hierzu ist gut ausgebildetes Personal nötig.“