Von unserer Reporterin Stefanie Helsper
Engers – Auf dem Tisch liegen das Feuilleton und ein Werk von Adorno. Wolfgang M. Schmitt jun. empfängt zu Kaffee und Gebäck. Er trägt Anzug, Hemd und Seidenschal. Kein gewöhnliches Outfit für einen 23-Jährigen. Er wirkt etwas wie aus der Zeit gefallen, und auch sonst ist dieser junge Mann ziemlich außergewöhnlich. Er sagt: „Es ist ein großes Glück, dass ich mich ganz der Kultur hingeben kann.“ Und: „Ich beschäftige mich nur mit diesen Dingen“. Diese Dinge, das sind Filme, Oper, Theater, Bücher. Er besitzt mehrere tausend Bücher, ist mehr als hundert Mal im Jahr in Kino und Theater. Verdi, Puccini, Visconti, Hitchcock, Bergmann.
Wolfgang M. Schmitt
Wolfgang M. Schmidt schaut sich auch Hollywood-Blockbuster an. Jede Woche Donnerstag geht's für den Engerser ins Mainstream-Kino. Zur reinen Unterhaltung tut er das wiederum nicht. Seit rund einem Dreivierteljahr gibt es seinen Videoblog „Die Filmanalyse“. Jeden Freitag laden er und sein Bekannter Christian Landfester (25) einen neuen Blog hoch. 33 000 Mal ist der Blog mit inzwischen rund 30 Videos auf der Videoplattform Youtube bisher geklickt worden.
Darin analysiert Wolfgang M. Schmitt jun. die neuesten Streifen. Es geht den jungen Leuten dabei nicht um eine Empfehlung für einen Film, nicht um eine klassische Kritik. Zielgruppe ist ein studentisches, bildungsbürgerliches Publikum, das tiefer eintauchen will. „Wir wollen versteckte Ideologien und untergründige Botschaften erkennen“, meint Schmitt. In Twilight, in Avatar, in Hangover 2. Seine Frage ist: „Welche Wünsche und Begehren sprechen die Filme in uns an?“ Sein Ziel ist eine „Gesellschaftsanalyse durch den Film hindurch“.
Dazu dienen ihm Bourdieu, Kant oder Dahlhaus – Filmtheorien, Musikwissenschaften, Soziologen, Philosophen. Dem Interpretationsniveau angemessen sitzt Schmitt jun. bei den Aufnahmen von Kameramann Thomas Tschöpe in einem schwarzen Ledersessel, hinter ihm eine Bücherwand, dicke Schinken, etwa Marx und Engels. Wie im guten alten Kulturfernsehen, so soll es sein. Dass sein Erscheinungsbild provoziert, weiß er. Wobei es irgendwie auch passt: „Du verbiegst dich ja nicht, um kulturbeflissen zu wirken“, meint Christian Landfester.
Was wie ein Kaminzimmer daherkommt, ist allerdings in einem niedrigen, dunklen Kellerraum aufgebaut. Die Dreharbeiten werden im elterlichen Keller gemacht. Schmitt greift auf dem Weg dorthin noch nach einer Flasche Wasser. „Falls die Herren unten etwas trinken möchten.“ Unten haben die anderen schon alles eingerichtet. Dieses Mal bespricht der Blogger den starbesetzten Film „Happy New Year“. „Willkommen zu 'Die Filmananalyse'“ liest der selbsternannte Anchorman vom Teleprompter auf dem Laptop ab und schaut dabei mit festem Blick in die vor ihm aufgebaute Kamera. Auch ein Wolfgang M. Schmitt jun. verhaspelt sich jedoch mal – dann also von vorn.
Sein Wissen dagegen, das sitzt. Schließlich macht er sonst fast nichts, außer sich mit der Kultur zu beschäftigen. „Ich habe eine protestantische Arbeitsethik“, lacht er. Christian Landfester kann auf dem Niveau von Schmitt nicht immer mitreden. Aber er kann gut organisieren. Das ist sein Part: Trailerrechte bei den Studios beschaffen, Mitgliedschaften bei Filmportalen verwalten zum Beispiel. „Ich habe zum Organisieren kein Talent“, meint Schmitt.
Der belesene 23-Jährige kommt aber auch raus aus dem Elfenbeinturm der schönen Künste, trifft sich mit Freunden. „Ich sitze nicht ständig vor Bücherwänden.“ Aber: „Hobbys in dem Sinne kenne ich nicht.“ Schmitt studiert in Trier – naja, gut, was sonst – Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte. Ein Promotionsangebot hat er schon.
Doch mit diesen Feldern hat Wolfgang M. Schmitt sich schon als Junge beschäftigt. Er bezeichnet sich als Autodidakt. Schmitts Eltern, der Vater Zahntechniker, die Mutter Inhaberin einer Modeboutique, haben ihn in seiner nicht ganz billigen Leidenschaft seit jeher unterstützt. Auch privat neigt der Sohnemann zum Dozieren, das muss er schon einräumen. Doch Schmitt jun. kann auch anders, trägt offline auch mal Jeans – wenn er nicht im Theater ist oder gerade für den Blog doziert: „Ich kann ja nicht in kurzen Hosen über Kant sprechen.“
Unter www.youtube.de/filmanalyse gibt's die Videoblogs aus Engers zu sehen.