Der Ortsgemeinde bleibt trotz Millioneneinnahmen fast nichts übrig - Eine Entlastung bahnt sich an
Hohe Umlagelast: Dernbach schöpft finanzielle Hoffnung
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Regelmäßig spricht der Ortsgemeinderat Dernbach im Dorfgemeinschaftshaus über die eigene finanzielle Lage. Die Ortsgemeinde muss eine hohe Umlagelast tragen. Foto: Archiv Charley Burke
Archiv Charley Burke

Dernbach. Der Ortsgemeinde bleibt trotz Millioneneinnahme fast nichts übrig. Eine Entlastung bahnt sich an.

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Hans-Walter Langhardt war 2023 als damaliger Zweiter Beigeordneter Dernbachs zurückgetreten – aus Frust aufgrund der finanziellen Ausstattung der Ortsgemeinde. Denn trotz Gewerbeeinnahmen in Millionenhöhe blieb Dernbach kaum etwas übrig. Er kritisierte die hohe Umlagebelastung durch den Kreis Neuwied und die VG Puderbach, er sprach von „kalter Enteignung“. Nun schöpft die Ortsgemeinde trotz weiter hoher Umlagelast einen finanziellen Hoffnungsschimmer, der Dernbach mit ihren rund 1100 Einwohnern durchatmen ließe. Damit soll ein möglicher Rechtsweg vorgebeugt werden. Die neuesten Umlageberechnungen nahmen exorbitant hohe Werte an, sogar mehr als 100 Prozent – rechtlich erwartungsgemäß unzulässig.

Die Hintergründe und die aktuelle Situation

Laut Beschlussvorlage aus dem Puderbacher VG-Rat hatte die Ortsgemeinde Dernbach Ende Januar beim Landkreis beantragt, dass die Neuwieder Kreisumlage nicht progressiv, sondern lediglich mit dem Eingangshebesatz in Höhe von 43 Prozent ab 2024 festgesetzt wird – entgegen der Haushaltssatzung des Kreises. Die Ortsgemeinde begründete es damit, dass der Kreis Neuwied zwar seine Kredite in den vergangenen Jahren reduzieren konnte, sich die finanzielle Lage Dernbachs aber zunehmend verschlechtert habe. Doch aus rechtlicher Sicht sei laut Beschlussvorlage eine individuelle Festsetzung nach § 31 Absatz 2 Landesfinanzausgleichsgesetz nicht möglich.

Allerdings teilte der Kreis mit, dass sie das Schreiben alternativ als einen Antrag auf Teilerlass der Kreisumlage werten lasse. Ein solcher Antrag habe dann Aussicht auf Erfolg, wenn Kreis-, Verbandsgemeinde- und Finanzausgleichsumlagen zusammen annähernd oder mehr als 100 Prozent betragen. Denn dann liegt unter anderem ein Verstoß gegen die Steuerertragshoheit vor.

Mit dem Bescheid des Statistischen Landesamtes über die finalen Schlüsselweisungen konnte auch berechnet werden, wie hoch die Umlage für Dernbach im Jahr 2024 ausfällt: Sie beträgt rund 102,1 (!) Prozent und setzt sich zusammen aus 50,14 Prozent progressiver Kreisumlage, 47,82 Prozent VG-Umlage und 4,14 Prozent Finanzausgleichsumlage. Um das in konkreten Zahlen zu verdeutlichen: Die Umlagegrundlage der Ortsgemeinde Dernbach liegt für das Jahr 2024 bei rund 3,67 Millionen, bei 102,01 Prozent Umlagebelastung hätte die Ortsgemeinde aber circa 3,744 Millionen Euro zahlen müssen, also mehr als die eigentlichen Umlagegrundlagen.

Somit haben die umlageerhebenden Stellen Handlungsbedarf gesehen. Die VG-Verwaltung schlug vor, dass durch einen Teilerlass der Kreis- und auch VG-Umlage sich die gesamte Umlagebelastung der Ortsgemeinde Dernbach auf 96,1 Prozent, ein immer noch sehr hoher Anteil, reduziert. Einstimmig hat der Puderbacher VG-Rat in der Oktobersitzung dem Teilerlass zugestimmt, der bei rund 107.000 Euro liegt. Der Teilerlass wird an einen entsprechenden Erstattungsbeschluss des Kreises Neuwied in Höhe von rund 112 500 Euro gekoppelt, zusammen also knapp 220.000 Euro.

Einschätzung des Ortsbürgermeisters

Dernbachs neuer Ortsbürgermeister Patrick Gleixner, der ausdrücklich die gute Zusammenarbeit mit dem Kreis und der Verbandsgemeinde lobt, zeigt sich zufrieden mit dem Beschluss im Puderbacher Verbandsgemeinderat: „Für uns ist es eine große Freude, dass da der erste Schritt getan ist.“ Er wünscht sich nun, dass der Teilerlass in der kommenden Kreistagssitzung Mitte November positiv beschieden wird: „Wir hoffen auch, dass im Kreistag ein Verständnis für unsere missliche Lage besteht.“ Wie er weiter ausführt, werde die Ortsgemeinde dann ihren Ergebnishaushalt verbessern können.

„Für uns ist es eine große Freude, dass da der erste Schritt getan ist.“

Dernbachs Ortsbürgermeister Patrick Gleixner

„In erster Linie möchten wir, dass unsere Bürger davon profitieren“, berichtet Patrick Gleixner. Beispielsweise nennt er hier die Sanierung des Kinderspielplatzes. Doch ihm ist auch bewusst, dass, sofern auch der Kreistag dem Teilerlass zustimmt, sich die finanzielle Lage der Ortsgemeinde nicht so einfach lösen wird. Es verschaffe aber mehr Handlungsspielraum. In dem Zusammenhang betont er, dass das Gewerbegebiet Urbacher Wald zwar hohe Einnahmen bringe, aber auch Einschränkungen dadurch für Dernbach entstehen – etwa durch viel Lkw-Verkehr oder auch Gebiete, die nun nicht mehr zu Naherholung genutzt werden können.

Einschätzung des VG-Bürgermeisters

Auf RZ-Anfrage erklärt Puderbachs Verbandsgemeindebürgermeister Volker Mendel die finanzielle Sonderrolle Dernbachs mit der hohen Steuerkraft, die aus dem Gewerbesteuereinkommen aus dem Gewerbegebiet Urbacher Wald resultiert und dass das Einkommenssteueraufkommen dementsprechend in Dernbach relativ hoch sei. „Das führt in der Kreis- und VG-Umlage zu hohen Ausgaben. Bezogen auf den Teilerlass erläutert er den Grund für diesen Weg: „Die Rechtsprechung sagt, dass wenn eine Kommune eine Umlagebelastung von mehr als 96,1 Prozent hat, man von einer drosselnden Wirkung spricht. Und er ergänzt: „Wenn Dernbach da den Rechtsweg beschreiten würde, hätte sie gute Chancen zu gewinnen.“

Einschätzung der Kreisverwaltung

Zum eingeschlagenen Weg des Teilerlasses teilt Thomas Herschbach, Sprecher der Kreisverwaltung, schriftlich mit: „Der Umlagesatz für Kreis- und Verbandsgemeindeumlage wird grundsätzlich unabhängig voneinander mit einem entsprechenden Passus in der Haushaltssatzung des Kreises beziehungsweise der VG geregelt und muss daher in der Ausführung zunächst auch angewandt werden. Es ist sicherlich nachvollziehbar, dass im Falle des Landkreises ein für 61 von 62 Städten und Ortsgemeinden passender Kreisumlagesatz auch angesichts des 2024 nur sehr knapp ausgeglichenen Haushaltes nicht wegen einer Ausnahme für alle gesenkt wird, sondern hier der nachträgliche Weg des Teilerlasses gewählt wird.“

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Die Ortsgemeinde Dernbach muss eine hohe Umlagelast tragen.
Symbol Monika Skolimowska/dpa. dpa

Neben einigen Punkten, die bereits näher im Abschnitt die Hintergründe und die aktuelle Situation erörtert werden, erklärt Herschbach, dass man sich mit Bekanntwerden der Erhöhung des VG-Umlagesatzes bei der Kreisverwaltung der Lage der Ortsgemeinde Dernbach bewusst gewesen sei und auch das Schreiben der Ortsgemeinde in Kontakt mit der VG Puderbach getreten wäre: „Mit Blick auf die zeitliche Schiene war es aber sinnvoll das Verfahren erst im Sommer nach Bekanntgabe der endgültigen Steuerkraftzahlen durch das Land anzustoßen. Davor lagen die endgültigen Zahlen noch nicht auf dem Tisch.“

Zwar habe die Ortsgemeinde Dernbach in ihrem Schreiben angegeben, dass sich ihre finanzielle Lage in den vergangenen Jahren verschlechtert habe, jedoch gehöre sie sicherlich nicht zu den ärmsten Gemeinden im Landkreis Neuwied: „Vielmehr ist sie so steuerstark, sodass sie unter die progressive Kreisumlage fällt und auch die Finanzausgleichsumlage zahlen muss.“

Weiterhin sei sie nach Kenntnis der Kreisverwaltung im Gegensatz zu anderen Gemeinden des kreisangehörigen Raums auch nicht gezwungen, Liquiditätskredite aufzunehmen. Daher gebe es beim Kreis auch keine weitergehenden Überlegungen, die Ortsgemeinde finanziell zu entlasten. „Schließlich ist es auch nicht Aufgabe des Landkreises, für die finanzielle Mindestausstattung der Kommunen zu sorgen. Diese Aufgabe fällt laut rheinland-pfälzischer Verfassung alleine dem Land Rheinland-Pfalz zu. Nichtsdestotrotz liegt im Jahr 2024 eine unzulässige Umlagebelastung bei der Ortsgemeinde Dernbach vor, die es zu korrigieren gilt“, so die Kreisverwaltung.

Info: Rückblick auf die Sonderrolle Dernbachs

Dernbach nimmt im Kreis Neuwied eine Sonderrolle ein und hat eine große Umlagebelastung, das vor allem zum einen an der hohen Puderbacher Verbandsgemeindeumlage, aber auch an der hohen Kreisumlage liegt, die im Fall von Dernbach progressiv ist. Dies ordnete Thomas Herschbach, Sprecher der Kreisverwaltung, für den Ende 2023 erschienenen Artikel „Sonderrolle: Dernbach zahlt hohe Abgaben“ ein. „Die Progression führt dazu, dass steuerstärkere Gemeinden im Sinne des Solidaritätsgedankens einen höheren Anteil an der Kreisumlage beisteuern, was wiederum steuerschwächere Gemeinden entlastet.“

Ob eine umlagepflichtige Gemeinde in die Progression falle, richte sich nach der Höhe ihrer Steuerkraft pro Einwohner. Neben der Steuerkraft ist es auch von der Einwohnerzahl Dernbachs abhängig, die im Verhältnis zu den Gewerbesteuereinnahmen mit knapp 1100 gering ausfällt: „Je niedriger die Einwohnerzahl, desto niedriger ist bei absoluter Betrachtung der Schwellenwert für die progressive Kreisumlage“, erklärte Thomas Herschbach damals. Weiter führte er an, dass sich die tatsächliche Abschöpfung durch die Kreisumlage bei der Ortsgemeinde Dernbach in den zurückliegenden Jahren zwischen 47 und 50 Prozent bewege. Andere Ortsgemeinden im Kreis würden regelmäßig in ähnlichen Regionen oder höher liegen.

Doch: „Der Unterschied zur Ortsgemeinde Dernbach besteht in diesen Fällen jedoch darin, dass die anderen unter die Progression fallenden Gemeinden nicht zur Verbandsgemeinde Puderbach gehören, die einen vergleichsweise hohen Verbandsgemeindeumlagesatz abschöpft. So ist die Ortsgemeinde Dernbach die einzige deutlich überdurchschnittlich steuerstarke Gemeinde in der VG Puderbach bei ansonsten überwiegend steuerschwachen Gemeinden.“ ten

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