Ehemalige Lehrerin hat selbst gesehen, was Mobbing anrichtet - Jetzt stellt sie ein Selbsthilfeangebot auf die Beine
Hilfe für Mobbingopfer im Kreis Neuwied: Wenn die Schulklasse zum Angstraum wird
Mobbing im Klassenzimmer: Das ist ein extrem häufiges Problem – und eines, das manche für ihr Leben prägt.
picture alliance / dpa

15 Jahre lang war Ursula Schneider, die ihren echten Namen nicht in der Zeitung lesen will, Lehrerin an einer Realschule plus im Kreis Neuwied, und allein in dieser Zeit hat sie erlebt, wie sich zwei Schüler und ein Lehrer das Leben genommen haben – wegen Mobbing.

Lesezeit 2 Minuten

Es ist ein Thema, das sie nie losgelassen hat, auch Jahre nach ihrer Zeit an der Schule. „Wenn jemand immer wieder die Erfahrung macht: Ich bin nicht gut genug – das prägt für das Leben“, sagt sie. Und gerade deshalb will sie betroffene Schüler, aber auch Eltern, Lehrer, Mitschüler unterstützen.

In vielen gesellschaftlichen Bereichen ist Mobbing ein Problem

Unter dem Dach der Neuwieder Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe, die bei der Caritas angesiedelt ist, will die 59-Jährige ein Angebot für Menschen aus Stadt und Kreis Neuwied schaffen, die Hilfe oder Beratung rund um Mobbing an der Schule suchen. Man schreibt eine E-Mail oder ruft an, tauscht sich mit der Pädagogin aus, eruiert, was in diesem speziellen Fall helfen könnte.

„Ob sich irgendwann eine Selbsthilfegruppe gründet, ist zweitrangig“, sagt Elisabeth Adrian, Selbsthilfekoordinatorin der Kontakt- und Informationsstelle in der Stadt. Erst einmal geht es darum, rauszukommen aus der Isolation. „Wir sind mit diesem Thema nicht allein, das ist eine ganz wichtige Erkenntnis.“

In vielen gesellschaftlichen Bereichen und allen Altergruppen ist Mobbing ein Problem, vom Arbeitsplatz bis zum Neubaugebiet. Aber: „Schüler sind besonders vulnerabel“, betont Ursula Schneider, und deshalb trifft es diese besonders stark, wenn sie Opfer von Mobbing werden.

Zum Opfer werden vor allem diejenigen, die irgendwie anders sind als die Norm

In einer Zeit, in der sie eher Bestätigung brauchen und viele noch nicht das nötige Selbstvertrauen haben, um sich anderen entgegenzustellen, prägt es besonders, wenn man ausgegrenzt, ausgelacht oder fertiggemacht wird. „Das brennt sich ein“, sagt die Lehrerin – und kann das ganze Leben beeinflussen.

Das kann so aussehen, dass jemand sich nicht mehr aufzeigt, weil dann alle lachen, und man infolge schlechte Noten bekommt. Oder, dass man sich gar nicht mehr in die Schule traut. Oder Depressionen entwickelt.

Die 59-Jährige erzählt von einer Schülerin, die sich immer geräuspert hat, bevor sie etwas gesagt hat. Eine harmlose Angewohnheit, aber irgendwann machte die Klasse das Räuspern immer dann geschlossen nach, sobald das Mädchen etwas sagen wollte. Einige Zeit später wechselte es die Schule.

Nicht alle Schulen haben einen konstruktiven Umgang mit Mobbing gefunden

Zum Opfer werden vor allem diejenigen, die irgendwie anders sind als die Norm: dicker oder dünner, größer oder kleiner, vielleicht mit einer Behinderung, Sprachstörung, Lernschwäche oder einer anderen Eigenheit. „Manche funktionieren eben nicht so, wie es von ihnen erwartet wird“, sagt die Pädagogin – und einige von ihnen werden zum Opfer.

An jeder Schule gibt es das Problem, aber nicht alle haben offenbar einen konstruktiven Umgang damit gefunden. „Mir selbst wurde von der Schulleitung gesagt: ,Das Wort Mobbing möchte ich nicht hören, das gibt es nicht an dieser Schule.'“ Prävention sei ja noch gut für das Image, aber zu einem Mobbingproblem zu stehen, sei unter anderem schlecht für die Anmeldezahlen, würden manche Schulen befürchten.

Und so wird ein extrem verbreitetes Problem zum Tabuthema. Das will Ursula Schneider ändern – indem sie Schüler stärkt und Betroffenen die Möglichkeit gibt, ihre Erfahrungen nicht nur mit sich selbst auszumachen.

Top-News aus der Region