Landrat Achim Hallerbach tritt am 6. April zur Wiederwahl an. Ohne Gegenkandidaten will der CDU-Mann im Kreis Neuwied in eine zweite Amtszeit gewählt werden. Im Interview mit unserer Zeitung erklärt Hallerbach, wie er mit dieser besonderen Situation umgeht und nennt mögliche Gründe, warum sich kein anderer Bewerber zur Verfügung gestellt hat.
Herr Hallerbach, wäre es Ihnen lieber gewesen, gegen einen Kandidaten anzutreten, so wie es 2017 war?
Wahlen sind keine Wunschangelegenheiten, deshalb müssen die Fakten so genommen werden, wie sie sich darbieten. Wenn keine Mitbewerberin oder Mitbewerber antritt, wird das jeweils seine Gründe haben und die gilt es zu respektieren. Wenn eine weitere Kandidatur eingegangen wäre, dann wäre das so. Das ist Demokratie.
Warum glauben Sie, wurde kein Gegenkandidat gefunden?
Das Amt des Landrats ist mittlerweile, im Vergleich zu den vergangenen Amtsperioden und Vorgängern, sehr herausfordernd und einfach anders geworden. Dies ist kein „Verwaltungsjob“, der Landrat ist mittlerweile Krisenmanager und Problemlöser geworden, obwohl er für viele Problemfelder, mit denen er sich konfrontiert sieht, überhaupt nicht zuständig ist. Trotzdem hat man die Aufgabe vor der Tür. Wer dieses Amt verantwortlich wahrnimmt, der muss auch permanent ansprechbar und erreichbar, also 24/7-Dienst rund um die Uhr, sein. Wer dieses Amt verantwortlich wahrnimmt, der muss seine privaten Anliegen deutlich nach hinten stellen und die Familie muss dieses Amt mittragen, weil es auch an öffentlichen persönlichen Anfeindungen und Kritik nicht mangelt. Selbst am Wochenende stehen Menschen vor meiner privaten Haustür. Und man muss Freude haben, mit Menschen zu kommunizieren, auf Feste und Veranstaltungen zu gehen, letztendlich nah bei den Menschen zu sein. Zuhören ist ganz wichtig, ebenso wichtig ist es, nicht als Besserwisser oder belehrend zu agieren. Es gibt keine Trennung zwischen Dienst und privat. Und der Begriff „Work-Life-Balance“ ist nicht anwendbar. Weil sich die Herausforderungen an das Amt so gewandelt haben, scheint es den Interessentenkreis für diese Aufgabe zu beschränken.
„Wir haben mittlerweile eine ganz andere Kultur des Miteinanders, des konstruktiven und vertrauensvollen Austauschs. Ich gehe davon aus, dass die Kreistagsmitglieder und die Fraktionen das auch so sehen und die gute Zusammenarbeit fortsetzen möchten.“
Neuwieds Landrat Achim Hallerbach
Wir haben im Kreistag eine gute und konstruktive Zusammenarbeit. Mir ist es immer wichtig gewesen, dass wir bei den Diskussionen gute Lösungen und eine breite Zustimmung erhalten. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten Antworten auf die vielen Problemstellungen. Polarisierungen und Parteienstreitigkeiten sind nicht gewünscht. Ich denke, das haben wir in den vergangenen sieben Jahren gut hinbekommen. Wir haben mittlerweile eine ganz andere Kultur des Miteinanders, des konstruktiven und vertrauensvollen Austauschs. Ich gehe davon aus, dass die Kreistagsmitglieder und die Fraktionen das auch so sehen und die gute Zusammenarbeit fortsetzen möchten. Als Landrat ist man schließlich Leiter einer Kommunalverwaltung und kein Abgeordneter im Landtag oder Bundestag, wo die Gesetze erlassen werden. Wir müssen hier vor Ort die Gesetze umsetzen und nach Möglichkeit das Beste für unsere Region herausarbeiten. Und dies ist tagtäglich eine große Herausforderung. Diese Herausforderung sehe ich als Gemeinschaftsaufgabe, deren Bewältigung ich mich in Zusammenarbeit mit unseren über 900 Kolleginnen und Kollegen in den vielen Fachbereichen immer wieder stelle. Auch in unserer Kreisverwaltung haben wir mittlerweile eine ganz andere Kultur des Miteinanders. Nur so können wir erfolgreiche und qualitativ gute Arbeit und Dienstleistungen abliefern. Es gab eine öffentliche Stellenausschreibung für den Landrat und keinen Dschungel hinderlicher Bewerbungsvorgaben: Wer konnte und wollte, der durfte. Dass nur ich will, ist ja kein Makel.
Ist es schädlich für unsere Demokratie, wenn, nach Ortsbürgermeisterwahlen wie 2024 häufig zu sehen, selbst bei Landratswahlen kein Gegenkandidat gefunden wird?
Schädlich für jede Demokratie wäre es, wenn irgendwann einmal die Wahlbeteiligung gegen null tendieren würde. Diese Gefahr sehe ich nicht. Dass sich die Bevölkerung aber mit der Demokratie und ihren Werten identifiziert, wird ja augenfällig anhand der vielen Demonstrationen für deren Erhalt deutlich. Im Übrigen gab es bei den Ortsbürgermeisterwahlen im vergangenen Jahr auch eine Anzahl von mehreren Bewerberinnen und Bewerbern. Bei den Wahlen des Verbandsbürgermeisters stehen in Puderbach und Rengsdorf-Waldbreitbach, wo die bisherigen Amtsinhaber ausscheiden, gleich vier Personen zu Wahl. Seit der Einführung der Urwahl bei der Besetzung der Position des Landrats zu Anfang der 1990er-Jahre bin ich der erste Landratskandidat ohne Gegenkandidaten: Die Einzelbewerbung ist also eher die Ausnahme. Wenn ich wiedergewählt werde, bin ich Landrat bis ins Jahr 2033. Wegen der gesetzlich vorgegebenen Altersgrenze käme dann eine weitere Wiederwahl sowieso nicht mehr infrage. Dass es 2033 wieder mehrere Kandidaten für das Amt des Landrats geben wird, sehe ich als ziemlich gesichert an.
Wie siegessicher sind Sie sich, dass Ihnen die Wähler eine zweite Amtszeit zutrauen?
Es geht nicht um den Sieg eines Einzelnen, sondern darum, dass der Landkreis auf der gewinnenden Seite bleibt. Da wir in meiner ersten Amtszeit mehrere Krisen gemeistert – und zugleich Perspektiven geschaffen haben, bin ich zuversichtlich, dass unser Landkreis von einem Großteil der Bevölkerung auf einem guten Weg gesehen wird. Die Wählerinnen und Wähler sind mündig und intelligent genug zu beurteilen, wie sich ihre Lebensumstände im Landkreis Neuwied darbieten. Dabei muss man natürlich auch immer die jeweiligen Ebenen – Gemeinde, Verbandsgemeinde, Land, Bund – und Zuständigkeiten berücksichtigen. Irgendetwas kann für den einzelnen immer irgendwo verbessert werden, aber in der Summe sind wir gerade im Vergleich zu anderen Kreisen gut aufgestellt. Das sieht man auch an den aktuellen Wirtschaftszahlen. Es wäre natürlich schön, wenn die Bürgerinnen und Bürger von ihrem Wahlrecht auch Gebrauch machen. Deshalb meine herzliche Bitte, das Wahlrecht am 6. April für die Landrats- und Bürgermeisterwahlen auch wahrzunehmen.
Bedarf es beim Amt des Landrats einer Reform? Muss die Verantwortung, insbesondere im Katastrophenschutz, auf mehr Schultern verteilt werden? Sind die Verdienstmöglichkeiten zu schlecht?
Eine Reform der Reform aus den Anfängen der 1990er-Jahre wäre gegebenenfalls die Abkehr von der Urwahl und die Rückkehr zum Prinzip, wonach der Kreistag den Landrat wählt oder wie noch weiter zuvor der Landrat vom Ministerpräsidenten ernannt wurde. Selbst, wenn dies politisch so gewollt wäre, läge es am Land, dies zu ändern. Grundsätzlich ist wichtig: Wer den Dienst als Landrätin oder Landrat ernst nimmt, sollte nicht selbstgefällig über den Dingen schweben, sondern sich mit Bodenhaftung mittendrin befinden. Zu dieser Erdung zählt auch, Verantwortung in Abstimmung mit den jeweils zuständigen Stellen wahrzunehmen und dann nachvollziehbar im Sinne des Schutzes beziehungsweise der Weiterentwicklung des Verantwortungsbereiches und seiner Bevölkerung zu entscheiden.
„Wer wegen des Verdienstes Landrätin oder Landrat sein möchte, ist in diesem Amt fehl am Platz, da sollte man den Gang in die freie Wirtschaft wählen. Landrat zu sein, ist Dienst für die Menschen.“
Neuwieds Landrat Achim Hallerbach
Das gilt gerade für solch sensible Bereiche wie den Brand- und Katastrophenschutz, den wir in den vergangenen Jahren auf eine stabile Basis gestellt und bereits auch viel investiert haben. Wir sind für mögliche Herausforderungen gewappnet. Neben dem Katastrophenschutz beschäftigen wir uns nunmehr auch mit dem Zivilschutz, ein völlig neues Aufgabenfeld. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Ebenen und Einheiten funktioniert auch deshalb einwandfrei, weil sie in den Zeiten des Krisenmanagements mit Corona-Pandemie, der Ahrflut sowie der Energie- und Gasmangellage stets verfeinert und engmaschig ausgebaut wurde. Wer wegen des Verdienstes Landrätin oder Landrat sein möchte, ist in diesem Amt fehl am Platz, da sollte man den Gang in die freie Wirtschaft wählen. Landrat zu sein, ist Dienst für die Menschen.
Die Fragen stellte Daniel Dresen