Tierschutz am Limit
Fundtiere füllen Tierheim Neuwied
Tierheimleiterin Sabrina Steger mit Vizla Mailo. Der fünfjährige Jagdhund ist eines von vielen Tieren im Neuwieder Tierheim, die ein neues Zuhause suchen.
Justin Buchinger

Deutschlandweit sind die Tierheime ausgelastet. Auch in Neuwied können kaum Tiere angenommen werden. Sabrina Steger, Leiterin des Neuwieder Tierheims, erklärt, warum es vor allem Fundtiere sind.

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„Die Zahl der Fundtiere nimmt exorbitant zu“, sagt Sabrina Steger. Die Leiterin des Neuwieder Tierheims erklärt, dass das Tierheim am Limit sei. „Wir bekommen täglich Anfragen, von Leuten, die sie sich von der Küste runter bis zu uns telefoniert haben.“ Doch Privatpersonen können dort kaum Tiere abgeben.

„Viele Besitzer glauben, dass wir verpflichtet sind, jedes Tier aufzunehmen. Aber das gilt nur für die unsere Vertragspartner.“ Das sind das Veterinäramt, die Stadt Neuwied und die Verbandsgemeinden (VG) Rengsdorf-Waldbreitbach und Puderbach. In den Letzten zwei Jahren seien es fast nur Tiere, die von den Ämtern sichergestellt wurden. Wegen der Belastung hat das Tierheim die VG Dierdorf erst vor Kurzem abgegeben.

Die drei getigerten Katzenjunge wurden im Tierheim geboren. Mutter Hera kam bereits trächtig als Fundtier zu den Tierschützen.
Justin Buchinger

Bei Kleintieren und Vögeln sei es gerade vergleichsweise entspannt, anders ist es bei Hunden und Katzen. Zwar kommen immer wieder größere Gruppen von Tieren durch Fälle von Hortung oder illegalem Handel ins Tierheim, doch die meisten Neuzugänge sind Einzelfälle. Gerade bei Katzen mache das die Aufnahme schwieriger. Sie müssen zunächst einzeln in Quarantäne, was zu Stau bei der Aufnahme führt. Seit 2023 ist die Katzenabteilung durchgehend ausgelastet. Aktuell beherbergt es 28 Katzen und 19 Kitten. Doch hier hätte man immerhin die Unterstützung durch Katzenhilfevereine, die Tiere aufnehmen.

Für Hunde gibt es solche Gruppen kaum. Mit 29 Hunden ist man hier eigentlich schon über der selbst gesteckten Grenze von 25 bis 28 Tieren, mit maximal fünf, die Aggression gegen Menschen gezeigt hätten.

Nur noch Kontingent für Notfälle

Theoretisch dürften in dem Tierheim 40 Hunde und 60 Katzen (je plus Welpen), 30 Meerschweinchen oder Kaninchen, 10 Kleinsäuger, 30 Mäuse, 20 Ziervögel, 30 Tauben und 20 Hühner leben. Doch das seien Maximalwerte für Ausnahmesituationen, die nach Einschätzung des Veterinäramts in den Räumlichkeiten untergebracht werden können, erklärt Steger. Es müsse immer ein Kontingent vorgehalten werden, falls viele Tiere auf einmal sichergestellt werden.

Ein normaler Betrieb sei dann nicht möglich. Die Tiere müssten in Notkäfigen untergebracht werden, Personal muss aus anderen Abteilungen abgezogen werden und Mehrarbeit leisten. Dauerhaft wäre das weder für Mensch noch Tier tragbar.

Auch Kleintiere und Vögel werden im Neuwieder Tierheim aufgenommen. Doch hier ist die Lage derzeit nicht so kritisch, wie bei Hunden und Katzen.
Justin Buchinger

Aber das Problem liege tiefer: Für die Zahl der Haustiere im Land gebe es zu wenige Tierheime. Es seien neue Regelungen nötig, um die Situation zu entschärfen. Etwa Katzenschutzverordnungen, die Besitzer verpflichten, Freigängerkatzen zu registrieren und kastrieren. Solche Verordnungen existieren bereits in Neuwied und Puderbach, doch die Umsetzung werde kaum kontrolliert.

Bei Hunden sei mittlerweile auch der Import durch Tierschutzorganisationen ein Problem. „Ich habe nichts gegen den Auslandstierschutz“, sagt Steger. Doch wenige Organisationen würden die Vermittlung ausreichend begleiten, und unerfahrene Halter seien oft mit den Tieren überfordert. Die Organisationen sollten verpflichtet sein, die Tiere bei Bedarf zurückzunehmen und unterzubringen.

Abgaben wegen Pinkeln, Bellen und Knurren

Zudem habe das Verantwortungsbewusstsein vieler Tierhalter nachgelassen. Halter wollten Hunde abgeben, weil sie auf den Teppich pinkeln, das Kleinkind anknurren oder weil es im Mehrparteienhaus Beschwerden gibt.

„Wir sind ein Tierschutzverein – wir müssen immer rechnen.“ Um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden, hat das Tierheim in Personal und Ausstattung investiert. Hinzu kommen steigende Energiekosten. Etwa zu einem Drittel finanziert sich das Tierheim aus öffentlichen Verträgen, ein weiteres Drittel aus Spenden, Patenschaften und Festen. Der Rest kommt durch Leistungen, wie Vermittlungsgebühren, Hundetraining oder eine Tierpension.

„Das Schöne im Tierschutz ist, dass wir jedem einzelnen Tier helfen. Das Gefühl, wenn man einen Wurf Kitten groß bekommen hat, ist überhaupt nicht zu beschreiben. Mit den Tieren zu arbeiten, tut einfach gut", sagt Sabrina Steger.
Justin Buchinger

Auch hier führen die vielen Fundtiere zu Problemen. Zwar zahlen die Behörden dem Verein pro Tier einen Tagessatz, aber nur für die ersten 30 oder 60 Tage. „Wir haben die Tiere wesentlich länger, als es von den Behörden übernommen wird.“ Hier stehen bald Verhandlungen an, da die Verträge auslaufen.

Doch alle dem Steger arbeitet gerne im Tierheim, „Das Schöne im Tierschutz ist, dass wir jedem einzelnen Tier helfen. Das Gefühl, wenn man einen Wurf Kitten groß bekommen hat, ist überhaupt nicht zu beschreiben. Mit den Tieren zu arbeiten, tut einfach gut.“ Die Liebe zu den Tieren motiviere sie und die 16 Mitarbeiter des Tierheims.

Steger mit ihren Hunden Layla und Cayla
Justin Buchinger

Auch die Vermittlung läuft gut, etwa fanden vor Kurzem innerhalb drei Katzen, alle über 18 Jahre alt, ein neues Zuhause. „Jetzt können sie den Rest ihres Lebens auf der Couch verbringen.“ Als Endpflegestellen übernimmt der Verein bei Bedarf die medizinischen Kosten. Damit diese Arbeit möglich bleibt, braucht das Tierheim Unterstützung – etwa durch Benefizveranstaltungen wie das baldige Event im Restaurant Pino Italia. „Wir sind Pino sehr dankbar“, sagt Steger.

Benefizevent für das Tierheim Neuwied

Das Benefizevent im Pino Italia im Heimathaus findet am 21. Juni um 18 Uhr statt. Besucher erwartet ein drei Gänge Buffet und Live Musik von der Band Sam feat M&M. Karten gibt es bei Pino Italia oder dem Tierheim Neuwied für je 50 Euro, von denen 20 Euro direkt dem Tierheim zugutekommen.

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