Finanzen im Bestattungswesen
Friedhöfe im Kreis Neuwied stecken in Geldnot
Die Kosten für die kommunalen Friedhöfe sind jetzt Teil des Haushalts.
Sebastian Willnow. picture alliance/dpa

Friedhöfe gehören zur Daseinsfürsorge, spiegeln die Kultur wider und kosten Geld. Für Kommunen sind sie ein Zuschussbetrieb - und seit 2023 haben sie keinen eigenen Haushalt mehr, sondern sind dem kommunalen Haushalt unterworfen. 

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Kreis Neuwied. Das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium plant, das mehr als 40 Jahre alte Bestattungsgesetz zu ändern. Im Mai hat der Landtag das Thema erstmals beraten. So soll die Sargpflicht auf Friedhöfen wegfallen, Flussbestattung erlaubt werden, und es wird wohl auch möglich sein, Urnen mit der Asche des Verstorbenen mit nach Hause zu nehmen oder die Asche an einem Ort zu verstreuen, den der Verstorbene sich gewünscht hat. Wann der Landtag das Gesetz beschließen wird und wann es letztlich in Kraft tritt, bleibt abzuwarten.

Die Änderungen klingen vernünftig und entsprechen dem Wunsch vieler Menschen im Land. Kommunen hingegen, die Friedhöfe betreiben, könnten die Änderungen vor noch größere finanzielle Herausforderungen stellen. Denn abseits aller Pietät geht es bei Friedhöfen auch ums Geld, denn sie müssen häufig bezuschusst werden. Wir haben uns im Kreis Neuwied umgehört.

Friedhöfe in Finanznöten

Bereits jetzt sorgen geänderte Bestattungsarten dafür, dass Friedhöfe in Finanzschwierigkeiten sind. Waldbestattungen stehen in Konkurrenz zu herkömmlichen Friedhöfen, Urnen- oder Stelenbestattungen bringen weniger Geld ein. Wenn sich künftig kaum noch jemand auf dem Friedhof beerdigen lässt, die Asche seines geliebten Angehörigen lieber mit nach Hause nimmt oder Vater Rhein übergibt, kommen Friedhöfe in Finanznot, weil sie keine Einnahmen haben. Die Ausgaben für Pflege, Reparaturen oder Personal laufen jedoch weiter.

Schlussendlich ist ein Friedhof ein Wirtschaftsbetrieb mit eigenem Haushalt. Zumindest war das bis Ende 2023 so. Kommunale Friedhöfe hatten Rücklagen, die sich über die Jahre aus den Bestattungsgebühren angesammelt hatten und über die Liegedauer abgeschrieben wurden.

„Es war nur ein kosmetischer Effekt kurz vor der Wahl, damit defizitäre Haushalte plötzlich eine schwarze Null schreiben konnten.“
Frank Becker, Verbandsgemeindebürgermeister in Linz

Seit Ende Dezember 2023 ist das anders: Per Landesverordnung wurden Städte und Gemeinden in Rheinland-Pfalz aufgefordert, die Rückstellungen des Friedhofshaushalts aufzulösen und den kommunalen Haushalten zuzuführen. Das führte in vielen Gemeinden, wie zum Beispiel in Kasbach-Ohlenberg, überraschend zu einem ausgeglichenen Haushalt 2023. Interessanterweise wurde diese Landesverordnung wenige Monate vor der Kommunalwahl bestimmt.

Etliche Bürgermeister an der Rheinschiene – zwischen Neuwied und der Landesgrenze – sprechen in diesem Kontext von einem „Taschenspielertrick“, um die tatsächliche finanzielle Situation der Kommunen vor der Wahl zu schönen. „Das war für meine Begriffe Kalkül vor der Wahl, um die Haushalte aufzuhübschen und die tatsächlich katastrophale Haushaltslage vieler Kommunen zu verschleiern. Denn dieser überraschende Haushaltsausgleich war ja nur ein Einmaleffekt“, bemängelt Susanne Lux, Ortsbürgermeisterin von Kasbach-Ohlenberg, der dieser „Trick“ bei ihrem Amtsantritt 2024 übel aufgestoßen ist.

„Es wurde lediglich die Buchungsmethodik angepasst.“
Landesrechnungshof

In ihrer Gemeinde wurden rund 165.000 Euro dem Haushalt zugeführt. Damit war der Etat plötzlich mit 10.819 Euro im Plus. Auch die Haushaltsabschlüsse der Stadt Linz und von Vettelschoß waren, so hat sie recherchiert, nur deshalb positiv, weil die Erträge für die Grabnutzungsentgelte beziehungsweise die Entgelte für das Bestattungswesen aufgelöst wurden. Ebenso wie in der Stadt Bad Hönningen und anderen Kommunen.

Auch der Linzer Bürgermeister Frank Becker sieht in der Finanzrochade einen geschickten Schachzug, der Haushalte kurzfristig besser dastehen ließ. „Es war nur ein kosmetischer Effekt kurz vor der Wahl, damit defizitäre Haushalte plötzlich eine schwarze Null schreiben konnten“, ist er sicher.

Friedhöfe , wie hier in Erpel, müssen unteralten werden. Die Kosten für die kommunalen Friedhöfe sind jetzt Teil des Haushalts
Sabine Nitsch

Die Rücklagen wurden also aufgelöst und den kommunalen Haushalten zugeführt. Das sei kein Problem, meint der Landesrechnungshof auf Nachfrage unserer Zeitung. Er erläutert auch, dass nie „Rückstellungen“ gebildet wurden, sondern sogenannte Sonderposten. Diese seien nun ertragswirksamer Bestandteil der jeweiligen Haushalte geworden. „Es wurde lediglich die Buchungsmethodik angepasst“, so der Landesrechnungshof.

Friedhofskosten stehen jetzt im kommunalen Haushalt

Ganz so ist es in der Praxis jedoch nicht. Friedhöfe haben jetzt keinen eigenen Haushalt mehr und sind deshalb dem kommunalen Haushalt unterworfen. Wenn der defizitär ist, betrifft das auch die Friedhöfe. Die Kosten-Einnahmen-Deckung sei nach der Auflösung der Rückstellungen noch mehr in Schieflage geraten, meinen etliche Gemeindechefs. Bisher konnten zum Beispiel Stelen oder Instandsetzungen der Trauerhalle aus den Sonderposten entnommen und über Jahre abgeschrieben werden. Jetzt muss alles aus dem Haushalt berappt werden. Viele, wenn nicht die meisten Haushalte sind jedoch defizitär und ringen um eine Haushaltsgenehmigung.

Genau genommen könnte es jetzt sein, dass Bürger gleich zweimal zur Kasse für Bestattungen gebeten werden, befürchtet nicht nur Lux. „Sie haben bereits die Liegegebühren bezahlt, die jetzt aber im Haushalt stehen“, sagt sie. Wenn eine Gemeinde pleite ist, fordert die Kommunalaufsicht Einsparungen und Hebesatzerhöhungen. Zum Defizit gehört auch der Friedhof. Bürger werden damit – wenn man so will – über Steuererhöhungen noch mal für Bestattungen zur Kasse gebeten.

Bestattungen in vielen Kommunen teurer

Eine steile These, die vielleicht nicht ganz richtig ist. Aber vor allem ist sie auch nicht ganz falsch, wie Kämmerer auf Nachfrage bestätigten. In der Folge wurden Bestattungen in vielen Kommunen bereits teurer. In der Verbandsgemeinde Linz und in anderen Kommunen wurden die Ansätze für die Bestattungsgebühren vorsorglich nach oben angepasst, um dem entgegenzuwirken.

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