Klare Positionierung zu Konflikten im Nahen Osten fällt dem Deutsch-Israelischen Freundeskreis schwer
Freundschaft in Zeiten des Krieges: Neuwieder ringen um Einigkeit im Umgang mit Israel
Werner Zupp vom Deutsch-Israelischen Freundeskreis Neuwied hat bei einem Besuch in Israel die Landrätin von Drom Ha Sharon, Oschrat Gani Gonem, getroffen, die den Deichstädtern einen Brief zu aktuellen Lage in Nahost geschrieben hatte.
Archiv Josef Freise

Wie stellt sich ein Verein, zu dessen klar definierten Zielen „ein dauerhafter Friede in der Region unter Wahrung des Existenzrechtes des Staates Israel, unabhängig von der Tagespolitik der Regierung“ zählt, in der gegenwärtigen Situation im Nahen Osten auf? Vor dieser Frage steht aktuell auch der Deutsch-Isrealische Freundeskreis Neuwied.

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Der Deutsch-Isrealische Freundeskreis wurde im Jahr 1978 gegründet. Basierend auf den Kontakten einzelner Neuwieder Bürger nach Israel entwickelte er sich seither weiter. Regelmäßig besuchten und besuchen ehemalige jüdische Mitbürger und ihre Nachkommen die Stadt, ebenso reisen regelmäßig Neuwieder Delegationen nach Israel. Seit 1987 gibt es auch eine Partnerschaft mit Drom Hasharon, einer eher ländlichen Region nördlich von Tel Aviv. Seit den Angriffen auf Israel im vergangenen Oktober und den verschiedenen Reaktionen des israelischen Staates darauf fallen auch hierzulande die Reaktionen sehr unterschiedlich aus. Es gibt Unterstützung und Solidaritätsbekundungen für Israel – aber auch Ablehnung, Schuldzuweisungen und immer öfter auch offen vorgetragenen Antisemitismus aus verschiedenen Richtungen.

Das hatte auch Auswirkungen auf die Mitgliederversammlung des Freundeskreises, der jetzt im Gemeindehaus der Marktkirche stattgefunden hat. Der ehemalige Pfarrer Werner Zupp hatte als Vereinsvorsitzender dazu eingeladen und schon im Vorfeld angekündigt, dass es eine Aussprache zu der Thematik geben solle. Diese wurde offenbar nicht nur von den Mitgliedern erwartet.

Dürfen wir als Freunde Israels trotzdem kritisch sein oder müssen wir dazu schweigen?

Werner Zupp

Die Fragestellung umriss Zupp im Vorfeld so: „Wie sieht die Solidarität eines Freundeskreises zu Israel aus, wenn gleichzeitig die Regierung dieses Landes einen Krieg ohne Maß führt? Dürfen wir als Freunde Israels trotzdem kritisch sein oder müssen wir dazu schweigen?“

Zum Auftakt des Abends schilderte der Initiator der Neuwieder Stolperstein-Aktion, Rolf Wüst, noch einmal dieses Projekt: Vor den ehemaligen Wohnorten von Opfern des Nationalsozialismus wurden Gedenksteine in den Boden eingelassen, die an jede einzelne betroffene Person erinnern. Zupp bedankte sich bei Wüst, der ein ungeheures Wissen über das jüdische Leben in Neuwied angesammelt hat.

Erschreckende Beispiele von Antisemitismus

Die aktuelle Thematik eröffnete Zupp dann mit erschreckenden Beispielen antisemitischer Ereignissen aus der deutschen Gegenwart. Nach den Hamas-Überfällen des 7. Oktobers 2023 ist die Anzahl dieser Vorkommnisse laut Zupp sprunghaft angestiegen. Das wirkt sich auf die hier lebenden Juden aus – viele ziehen sich zurück.

„Es ist an der Zeit, dass wir uns als Gesellschaft dieses Problems annehmen“, sagte Zupp und führte weiter aus: „Natürlich tue ich mich derzeit schwer, ein Land wie Israel, zu dessen Freunden ich mich zähle, nicht auch zu kritisieren. Aktuell ist es schwer, kritische Solidarität zu leben. Um der Menschen Willen sollten wir es trotzdem tun.“

Eine komplexe Situation

Mit mehr als 30 Besuchern waren auffällig viele Menschen zu der Versammlung gekommen. Diesen wurde die Möglichkeit gegeben, sich zur Thematik zu äußern. Zunächst wurde der Wunsch geäußert, dass der Verein eine klare Position vorgibt, auf die sich die Mitglieder berufen können. Doch das fällt laut Zupp aufgrund der Komplexität der Situation schwer.

Weitere Wortmeldungen gab es von Dietmar Rieth, der zuletzt mit einem Leserbrief zum Thema auf sich aufmerksam gemacht hatte. Ihm war es wichtig, dass bei der Einschätzung der Lage klar zwischen Ursache und Wirkung unterschieden wird.

Ich glaube, dass es stimmt, dass wir Hassprediger nicht zu Wort kommen lassen dürfen. Aber wir sollten auch nicht übersehen, dass es rechtsextremistische Hassprediger in der israelischen Regierung gibt.

Josef Freise

Auch Josef Freise als Vertreter des Arbeitskreises Palästina meldete sich zu Wort. „Ich glaube, dass es stimmt, dass wir Hassprediger nicht zu Wort kommen lassen dürfen. Aber wir sollten auch nicht übersehen, dass es rechtsextremistische Hassprediger in der israelischen Regierung gibt“, sagte er und ergänzte: „Ich begrüße es sehr, dass wir im Arbeitskreis Palästina und im Deutsch-Israelischen Freundeskreis in einem offenen Austausch sind.“

Die Möglichkeiten der Einflussnahme aus Neuwied auf die Konflikte sind beschränkt, aber die Zeichen sind eindeutig: Hier wünscht man sich einen Weg hin zu einer friedlichen Lösung.

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