„Dieses Gesetz geht in keinster Weise fair mit den Kommunen um“, betonte der FWG-Fraktionsvorsitzende Karl-Josef Heinrichs in der jüngsten Sitzung des Stadtrats. Beim Wachstumschancengesetz werde getrickst und nicht mit offenen Karten gespielt. „Denn die Anteile der Kommunen an der Einkommenssteuer sollen durch eine komplizierte Berechnung gesenkt werden und die Erlöse in dieses Sondertöpfchen fließen“, sagte Heinrichs.
In einer Pressemitteilung schlüsselt die FWG die Auswirkungen auf den Neuwieder Haushalt auf. Demnach bedeute die Umsetzung des Gesetzes, dass die Deichstadt im laufenden Jahr auf 346.000 Euro verzichten müsse. Im kommenden Jahr seien es dann schon 1,39 Millionen Euro weniger, und für 2026 fehlten der Stadt sogar 3 Millionen Euro.
Dieses Gesetz geht in keinster Weise fair mit den Kommunen um.
Karl-Josef Heinrichs
Diese Zahl korrigiert jedoch der für die städtischen Finanzen zuständige Beigeordnete Ralf Seemann. Wie er auf Anfrage unserer Zeitung mitteilt, liege der Betrag, auf den die Stadt für das Jahr 2026 nach dem ursprünglichen Entwurf des Wachstumschancengesetzes verzichten müsste, bei rund 2 Millionen Euro. Seemann weist zudem darauf hin, dass das Gesetz nicht in diesem ursprünglich geplanten Umfang umgesetzt werden soll.
Tatsächlich ist das Wachstumschancengesetz bundespolitisch umstritten. Zuletzt war der Gesetzentwurf Thema im Vermittlungsausschuss, der einen alternativen Vorschlag mit einem deutlich niedrigeren Umfang erarbeitet hat. Ob dieses kleinere Entlastungspaket umgesetzt wird, liegt nun an der Zustimmung des Bundesrats, der sich in seiner Sitzung am 22. März damit befasst.
Große Herausforderung für Neuwied
Sollte der Bundesrat zustimmen, würde sich die Belastung für die Stadt Neuwied verringern. „Sofern der alternative Vorschlag zum Tragen kommt, müssten wir etwa mit 25 bis 30 Prozent der ursprünglichen Mindereinnahmen für den städtischen Haushalt rechnen“, erklärt Ralf Seemann. „Das ist besser, aber trotzdem eine große Herausforderung für den sowieso angespannten Haushalt, da wir in den nächsten Jahren neben den regelmäßigen Kostensteigerungen auch die Finanzierung des höheren Kreditaufwandes für die strategischen Ausbauziele wie Kindertagesstätten, Schulen und Gewerbegebiete stemmen müssen.“
Das hatte Seemann auch schon im Stadtrat angemerkt. „Aus heutiger Sicht wüsste ich noch nicht, wie wir die zusätzliche Belastung im Haushalt abbilden sollen“, sagte er in der jüngsten Sitzung. Zugleich unterstrich er, dass das Gesetz eigentlich gut gedacht sei. „Es soll zu mehr Impulsen zu Investitionen von Unternehmen führen, die Transformation der Wirtschaft unterstützen und auch das Steuersystem vereinfachen. Der Pferdefuß ist tatsächlich, dass es zulasten der Kommunen geht.“
Aus heutiger Sicht wüsste ich noch nicht, wie wir die zusätzliche Belastung im Haushalt abbilden sollen.
Ralf Seemann
Vor diesem Hintergrund haben der Gemeinde- und Städtebund sowie der Städtetag ebenfalls bereits deutliche Kritik geübt. So sieht der Städtetag im Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses zwar eine Verbesserung. „Dennoch bleiben Sorgen, denn die kommunale Investitionsfähigkeit wird auch in der neuen Regelung nicht gestärkt“, heißt es in einer Pressemitteilung.
Die Neuwieder FWG kann eine Belastung der Kommunen durch das Wachstumschancengesetz grundsätzlich nicht nachvollziehen, betont sie in ihrer Pressemitteilung. „Damit werden die schwarzen Zahlen, die wir seit dem vergangenen Jahr mit unserem Haushalt schreiben, schon wieder infrage gestellt“, werden die Ratsmitglieder Lars Ebert und Jörg Niebergall in der Pressemitteilung zitiert.
FWG fordert Transparenz
Die FWG fordert, die benötigten Mittel aus anderen Bereichen des Bundeshaushaltes zu finanzieren. Zudem solle das Vorhaben transparent und offen gestaltet werden. „Das bisherige Vorgehen macht nach Ansicht der FWG noch einmal deutlich, dass die Kommunen als letztes Glied nicht im Blickfeld von Bund und Land sind“, heißt es in der Pressemitteilung abschließend.