Kreistag lehnt Antrag der Fraktion Die Linke mehrheitlich ab - Bülow reagiert fassungslos
Frauenhäuser erhalten keinen Corona-Zuschuss: Mehrheit im Neuwieder Kreistag lehnt Antrag der Linken ab
Frauen und gegebenenfalls deren Kinder finden in Frauenhäusern Zuflucht, wenn sie zu Hause körperlicher oder seelischer Gewalt ausgesetzt sind. Im Kreis Neuwied gibt es kein Frauenhaus. Betroffene werden von Einrichtungen in der Region versorgt. Foto: dpa
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Kreis Neuwied. Der Kreis Neuwied wird keine Corona-Soforthilfe an die Frauenhäuser in der Region und den Frauennotruf in Koblenz zahlen. Ein Antrag der Fraktion von Die Linke ist von knapp zwei Dritteln des Kreistages abgelehnt worden. Auch ein eindringlicher Appell von Fraktionschef Jochen Bülow während der Online-Sitzung brachte nicht die benötigte Zustimmungsquote.

Die Linken setzen sich nicht zum ersten Mal für die Belange von Frauen mit Gewalterfahrungen und deren Kinder ein. Ihr Ansinnen, den Frauenhäusern, in denen auch Frauen aus dem Kreis Neuwied in Notlagen unterkommen, mit Geldbeträgen in vier- bis fünfstelligen Beträgen zu unterstützen, fand aber auch da schon keine Mehrheit. Jetzt, da sich aufgrund der Corona-Krise die finanzielle Situation der Frauenhäuser laut Jochen Bülow noch einmal verschärft habe, sei es dringend notwendig, als Kreistag ein gemeinsames Zeichen zu setzen. Zumal Hilfe benötigende Frauen aus dem Kreis Neuwied keine Angebote innerhalb der Kreisgrenzen vorfinden. Den Kreishaushalt würden diese Ausgaben jedenfalls nicht schmerzen, ist sich Bülow sicher.

In ihrem aktuellen Antrag warben die Linken dafür, die Frauenhäuser in Hachenburg, Koblenz und Ahrweiler sowie den Frauennotruf Koblenz mit einer einmaligen Corona-Soforthilfe in Höhe von jeweils 10.000 Euro zu unterstützen. Den Einrichtungen seien „neben einer chronischen Unterfinanzierung“ vor allem Möglichkeiten der Selbstfinanzierung wegen der Kontaktbeschränkungen weggebrochen. Secondhand-Läden, Märkte und Veranstaltungen könnten nicht wie gewohnt zur Spendenwerbung und für eigene Einnahmen genutzt werden. Damit seien auch wichtige Projekte der Frauenhäuser gefährdet. „Das Geld vom Kreis würde kurzfristig helfen, die Corona-Folgen abzumildern, nicht strukturell, das ist uns bewusst“, betonte Bülow.

Dass die Frauenhäuser dieses Geld gut gebrauchen könnten, bestätigte eine langjährige Mitarbeiterin des Frauenhauses Westerwald in Hachenburg auf RZ-Anfrage. „Was uns vom Kreis Neuwied an Geld erreicht, ist nicht viel. Die 10.000 Euro hätten unserem Frauenhaus und sich auch den anderen Häusern weitergeholfen.“ Die Finanzierung stehe grundsätzlich, wie von den Linken im Kreis Neuwied korrekt beschrieben, auf wackeligen Füßen. Die Mitarbeiterin sagt zudem, dass das Spendenaufkommen trotz Corona-Krise zwar nicht geringer geworden ist, aber derzeit keine eigenen Einahmen generiert werden können, ohne die einiges auf der Strecke zu bleiben droht. Dabei wird Geld etwa für Projekte wie „Gegen die Angst“ benötigt, bei dem es in sinnvoller Arbeit um die Nachsorge bei Kindern geht, die in Frauenhäusern gelebt haben.

Nach dem Motto „Alle Jahre wieder derselbe Antrag“ reagierten die Christdemokraten auf den Antrag der Linken – und platzierten diesen unter Wahlkampf. CDU-Fraktionschef Michael Christ bemühte einleitend den Filmtitel „Und täglich grüßt das Murmeltier“, um dann zu konstatieren: „Der Antrag wird inhaltlich nicht besser oder mehrheitsfähig, wenn man ihn nur häufig genug stellt.“ Zumal ein Finanzierungsvorschlag fehle. Christ erinnerte daran, dass der Kreis sich entschlossen hat, Zoo, Schlosstheater, Römerwelt, VHS und Utamara zu fördern, man aber nicht allen Vereinen und Organisationen helfen könne, die durch Corona Einbußen beklagen.

Davon abgesehen hat das Land, so Christ, während der Corona-Krise 34 zusätzliche Frauenhausplätze geschaffen, der Bedarf dafür sei aber nicht eingetreten. „Laut zuständigem Ministerium liegt keine strukturelle und Corona-bedingte Beeinträchtigung von Frauenhäusern in der Region vor. Von daher werden wir den Antrag ablehnen.“

Eine Haltung, mit der sich Bülow nicht anfreunden konnte. Ungläubig fragte er zurück: „Seit wann glaubt die CDU, was das Ministerium erklärt?“ In den Einrichtungen bekämen die anderen Fraktionen die Erklärung, dass an der Belastungsgrenze gearbeitet wird und das Geld nicht reicht. „Das Ganze in Richtung Wahlkampf zu schieben, obwohl Sie wissen, dass wir das Thema schon länger verfolgen, ist unfair.“

Doch auch andere Fraktionen hegten Zweifel am Antrag der Linken. Sven Lefkowitz (SPD) verwies darauf, dass sich der Sozialausschuss eingehend mit dem Thema beschäftigt hätte: „Es gibt keine Kapazitätsengpässe.“ Und das Land unterstütze die Frauenhäuser mit viel Geld.

Für die AfD-Fraktion bewegten sich die Frauenhäuser schon vor der Corona-Krise an der Kapazitätsgrenze – und die häusliche Gewalt habe trotz Corona nicht zugenommen. Sprecherin Natalie Bleck hielt fest: „Der Antrag klingt wohlwollend, doch eine Ad-hoc-Aktion bewirkt da wenig.“

Als sich ein mehrheitliches Nein zum Antrag abzeichnete, äußerte Bülow noch einmal sein Unverständnis: „Bei allem Respekt vor Zoo und Theater kann es nicht sein, das Gewaltschutz nicht für wichtig genug angesehen wird.“ Trotzdem votierten 30 Kreistagsmitglieder gegen den Antrag, 11 waren dafür und fünf Mitglieder enthielten sich ihrer Stimme.

Von unserem Redakteur Ralf Grün

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