Bahn lobt den Fortschritt
Es ist nachvollziehbar, wenn Pressestellen ein möglichst positives Bild ihres Unternehmens zeichnen wollen, doch sollten die Fakten dann auch stimmen. Schon Anfang Dezember erstaunte die Meldung der Deutschen Bahn, dass die Modernisierung des Bahnhofs von Linz „nahezu abgeschlossen“ sei. Man lobte die erneuerten Bahnsteige mit saniertem Dach, die modernisierte Personenunterführung, das nachhaltige Beleuchtungs- und taktile Wegeleitsystem für Blinde und Sehbehinderte. Dies alles würde „für noch mehr Komfort der Reisenden“ sorgen. Doch die für die Bahnkunden wichtigste Aussage zur Barrierefreiheit kam erst ganz zum Schluss: Die Inbetriebnahme der beiden neuen Aufzüge wird wohl erst im Frühjahr 2023 gelingen.
Nutzer des Bahnhofs Linz und auch die Verwaltung werden mit den offiziellen Aussagen der DB nicht übereinstimmen, dass die Station „im neuen Glanz erstrahlt“, weil die Personenunterführung modernisiert sei und die neuen höheren Bahnsteige eine neue Ausstattung oder ein „saniertes Dach“ erhalten haben. Tatsächlich wurde die historische Bahnsteigüberdachung, die auf dem Mittelbahnsteig eine Länge von rund 95 Metern hatte, komplett abgerissen und durch einen lediglich 38 Meter langen Neubau ersetzt. Außerdem befinden sich Wände und Decke in der Unterführung aufgrund des abgeschlagenen Putzes nach wie vor in einem Rohbauzustand. Zwar bietet die lange Rampe von den Bushaltestellen vor dem Bahnhof hinauf zu Gleis 1 einen für Rollstuhlfahrer geeigneten Zugang zu den Zügen Richtung Neuwied und Koblenz, aber Züge in Richtung Norden – oder eine Fahrt mit der Kasbachtalbahn – ist für Rolli-Fahrer immer noch nicht möglich.
Die Stromversorgung der Aufzüge ist das Problem
Die beiden Aufzüge sind auch mehr als fünf Monate nach der Montage noch nicht in Betrieb und auf dem Bahnsteig mit Gittern abgesperrt. Da hilft auch die Formulierung der DB nicht weiter: „So werden über die beiden bereits installierten Personenaufzüge sämtliche Gleise in naher Zukunft für mobilitätseingeschränkte Kunden, Fahrgäste mit Kinderwagen oder Fahrrädern sowie Reisende mit viel Gepäck ohne Hürden erreichbar sein.“
Die Begründung für die Verzögerung stimmt nachdenklich: „Zuvor gilt es jedoch, eine stabile Stromzufuhr für die neuen Anlagen zu gewährleisten.“ Dies klingt nach der Wiederholung eines Fehlers, der 2008 im Bahnhof Idar-Oberstein ganz ähnlich verlief. Kurz vor der Abnahme durch den TÜV stellte sich dort heraus, dass die Stromkabel nicht ausreichend dimensioniert waren, um die Elektromotoren der Aufzüge mit der erforderlichen Energie zu versorgen. Mehr als ein halbes Jahr zog sich die Inbetriebnahme an der Nahe noch hin. Für Linz heißt es nun: „Nachdem sich die Maßnahme aufwändiger gestaltet als geplant und den zusätzlichen Austausch bereits vorhandener Leitungen erfordert, werden die Aufzüge erst im Frühjahr 2023 in Betrieb gehen.“ Der abschließende Satz: „Das DB-Team prüft aktuell mögliche Beschleunigungsmaßnahmen“ stimmt nicht wirklich hoffnungsfroh.
Die DB betont in ihrer Meldung die Bedeutung der Barrierefreiheit bei dem rund 10 Millionen Euro teuren Bahnhofsprojekt, dessen Finanzierung aus den der Deutschen Bahn zur Verfügung stehenden Bundesmitteln zu 60 Prozent, Mitteln des Landes Rheinland-Pfalz zu weiteren 30 Prozent sowie der Stadt und Verbandsgemeinde Linz zu je fünf Prozent erfolgte und offenbar keine Eigenmittel des Unternehmens benötigte.
Stadtbürgermeister ist wenig begeistert
Wenig begeistert zeigt sich der Linzer Stadtbürgermeister Hans Georg Faust von der Verzögerung. „Wir nehmen die Erklärung der DB zur Kenntnis, dass noch technische Fragen geklärt werden müssen. Wir bedauern aber sehr, dass noch kein barrierefreier Zugang realisiert ist. Es wundert aber schon, dass die Klärung noch bis zum Frühjahr dauern soll. Wir erwarten, dass das Problem baldmöglichst behoben wird“, kommentiert Stadtchef Faust die Mitteilung der Deuten Bahn von Anfang des Monats.
Hans-Peter Günther/Sabine Nitsch
Linzer Bahnhof ungeeignet: Nach Köln über Neuwied
Auf der 2017 von der Verbandsgemeinde Linz und in Zusammenarbeit mit dem VdK St. Katharinen erstellten Internetseite www.umbaujetzt.de ist noch ein Beitrag des SWR vom 17. Januar 2018 zu finden. Darin weist Staatssekretär Andy Becht Rollstuhlfahrer auf die Möglichkeit hin, von Linz aus zunächst zum barrierefrei umgebauten Bahnhof Neuwied zu fahren, um danach den Zug nach Köln zu nehmen. Dies gilt bis auf weiteres auch heute noch – und die Fahrzeit verlängert sich dadurch von einer Stunde auf fast zwei Stunden. hpg