Talkshow im Food-Hotel - Experten: Corona-Krise treibt Digitalisierung voran
Erster Online-Gipfel der Wirtschaft im Kreis: Experten finden vorwiegend positive Worte
Mit wechselnder Besetzung kamen beim ersten Online-Gipfel der Wirtschaft im Neuwieder Food-Hotel die Experten zu Wort. Foto: Rainer Claaßen
Rainer Claaßen

Kreis Neuwied. Die globale Corona-Krise geht auch am Kreis Neuwied, seinen Menschen und den ansässigen Wirtschaftsbetrieben nicht spurlos vorbei. Da waren sich die Gesprächspartner beim ersten Online-Gipfel mit Vertretern von Unternehmen und Verwaltung einig.

Die Initiative für diese neuartige Veranstaltung ging von Landrat Achim Hallerbach und der Wirtschaftsförderung des Kreises aus. Gemeinsam mit dem Moderator Marc Ulrich von der Firma Marketingflotte in Bad Neuenahr wurden hochkarätige Gesprächspartner aus dem Kreis zu einem Gesprächsabend eingeladen, der direkt über mehrere Online-Kanäle übertragen wurde. Das Thema: Wie geht es nach der ersten Phase der Coronakrise in den nächsten Monaten für die Menschen und die Unternehmen in der Region weiter?

Das Gespräch, das in einem zum Studio umfunktionierten Saal im Food-Hotel produziert wurde, war in vier Blöcke unterteilt. Jeweils zwei Gäste äußerten sich zu unterschiedlichen Themen. Zunächst dankte aber der Landrat allen Bürgern, den Mitarbeitern der Kreisverwaltung, ehrenamtlichen Helfern und vielen Organisationen, die in der Krise geholfen haben. Er war offensichtlich beeindruckt von der Hilfsbereitschaft und der Solidarität, die sich in vielen Bereichen gezeigt haben. Und er kündigte an, dass bei den Ämtern und Behörden ab dem 18. Juni wieder weitgehend Normalität hergestellt werden soll.

Er warnte aber davor, jetzt nachlässig zu werden: „Mittlerweile gehen wir mit einem Tempo in Lockerungen hinein, die einen schon etwas unwohl werden lassen. Die Bürger können manche Lockerungen nicht mehr nachvollziehen. In der Schule gibt es etwa andere als im öffentlichen Raum.“ Da bat er um Verständnis, dass regional nur die Vorgaben des Landes umgesetzt werden können. Besonders beeindruckt zeigte er sich von den Leistungen und der Flexibilität des Gesundheitsamtes – und von Unternehmen, die spontan ihr Portfolio an die geänderten Bedingungen angepasst haben.

Für den Vorsitzenden des Vorstands der Sparkasse Neuwied, Dr. Hermann-Josef Richard, ist klar, dass eine globale Krise nicht ohne Konsequenzen am eigentlich robusten Kreis Neuwied vorbeigehen kann. Das zeige sich beim Beratungsbedarf in der Bank: Mehr als 750 Gespräche wurden mit Unternehmern geführt. Richard ist davon überzeugt, dass die Sparkassen und Genossenschaftsbanken in der Krise bisher ihrer Rolle als Partner des Mittelstands gerecht wurden. Aktuell vertraut er darauf, dass die Zuversicht auch die Region wieder nach vorn bringt. Er glaubt, dass auch ein Wiederaufflammen der Krise abgefangen werden könnte.

In der zweiten Gesprächsrunde berichtete Sandra Köster von der Initiative „Wir Westerwälder“ über Unternehmen, die sehr schnell vom Krisenmodus in den Bewältigungsmodus umschalten konnten. Die Initiative will jetzt dabei helfen, die Region als Wohn- und Arbeitsstandort bekannter zu machen – und auch den Tourismus fördern.

Harald Schmillen von der Wirtschaftsförderung hatte in den jüngsten Monaten viel mit den Soforthilfeprogrammen zu tun – und rechnet nun mit einem hohen Beratungsbedarf: „Nach dieser Zäsur geht es für viele Unternehmen jetzt darum, ihre strategische Positionierung zu verbessern.“ Dabei bietet die Wirtschaftsförderung Hilfestellung. Zudem wird gerade eine Social-Media-Kampagne vorbereitet, die bei Touristen aus den nahe gelegenen Metropolregionen für Neuwied und Umgebung wirbt. Unter anderem mit dem Konzept der „Naturgenuss-Gastgeber“, die regionale Produkte lokal in der Gastronomie verfügbar machen.

Alexander Baier, Betriebsberater bei der Handwerkskammer Koblenz, sieht aktuell schwierige Bedingungen für viele Betriebe. Gewinner sind in seinen Augen die Unternehmen, die schon auf Digitalisierung setzen – oder nun die Gelegenheit dazu ergreifen.

Der Regionalgeschäftsführer der IHK Koblenz in Neuwied, Martin Neudecker, freut sich, dass die Kunden wieder regional einkaufen – und fordert dazu auf, das noch intensiver zu tun. Auch er rät den Unternehmen zu einer Kombination aus Online- und lokalem Handel. Er hofft, dass Gastronomie und Hotels vom Trend zum Urlaub in der Heimat profitieren werden.

Marion Blettenberg vom Wirtschaftsforum Neuwied plädiert für eine bessere Vernetzung der Unternehmen in der Region. Mit den Leistungen der Politik ist sie zufrieden. Sie betonte aber auch, dass jetzt neben finanzieller Unterstützung auch andere Solidaritätsmaßnahmen ganz wichtig sind. Vor allem für viele kleine Betriebe, die besonders stark unter den Einschränkungen der vergangenen Wochen leiden.

Auch Dirk Paganetti vom Restaurant „Zur Erholung“ in Verscheid fand positive Worte: Seine Gäste haben den Abholservice gut angenommen – und nehmen jetzt die Beschränkungen recht gelassen hin. Sorgen macht er sich allerdings um die Kneipen, Bars und Discos, die wohl noch länger geschlossen bleiben werden, und für die es keine Alternativen gibt. Insgesamt war der Tenor der Gespräche fast ein bisschen zu Positiv – aber diese Aufbruchsstimmung tut nach Wochen mit vorwiegend schlechten Nachrichten sicher gut.

Von unserem Mitarbeiter Rainer Claaßen

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