Dernbach/Neuwied – Tony Sheridan gilt als Entdecker der Beatles und Begründer der legendären Beatmusik. Eine Welt voll Ruhm und Reichtum lag ihm zu Füßen. Dirk Jacob aus Neuwied und Frank Orth aus Dernbach haben die Karriere des Mannes, der sich selbst als Vagabund bezeichnete, vom Star-Club auf der Reeperbahn bis zu einem seiner letzten Konzerte am 8. September 2012 in Dernbach begleitet und ihn mehrmals persönlich getroffen.
Von unserem Reporter Carsten Liebfried
Am 16. Februar dieses Jahres starb einer der begnadeten Gitarristen der Musikgeschichte im Alter von 72 Jahren in einem Hamburger Krankenhaus nach einer langen und schweren Krankheit.
Orth war sogar auf der bewegenden Trauerfeier im Hamburger Michel. „Er war mein Freund“. Bei der Beerdigung ging er nur wenige Meter hinter dem bunt gefärbten Sarg. Hunderte Fans erwiesen ihrem Tony Sheridan die letzte Ehre. Sein bekanntestes Lied „My Bonnie“ klang durch das Gotteshaus. Noch immer stockt Orths Stimme, wenn er über den Verlust seines Freundes spricht. Bis zuletzt stand er mit ihm in Kontakt. Als es Sheridan schlechter ging, meldete er sich noch einmal bei Orth. „Ich wollte nach Hamburg und ihn besuchen. Der Flug war schon gebucht.“ Eine Grippe machte ihm einen Strich durch die Rechnung.“ Nur wenige Tage später starb Sheridan.
„Er hatte seinen Lebensmut verloren“, mutmaßt Dirk Jacob. Vor Sheridans Auftritt in Dernbach jährte sich im selben Monat der erste Todestag seiner Ehefrau und langjährigen Managerin Anna. Sie wurde nur 34 Jahre alt. „Er trank sehr viel Alkohol an diesem Abend“, bestätigen Orth und Jacob, die ihn noch einmal auf der Bühne bewundern durften. Er habe „etwas wegspülen wollen“, vermutet Orth, der das Konzert veranstaltete. Auch Jacob sind jene Stunden mit Sheridan in Erinnerung geblieben. „Tony hat die Zuhörer verzaubert mit seinem Gitarrenspiel.“ Erstmals traf er den britischen Musiker bei einer Messe für Beatles-Utensilien in Bremen. Das war im Jahr 1986. Seitdem brach der Kontakt nie ab. Persönliche Briefe und Fotos dokumentieren die tiefe Freundschaft.
Ohne Tony Sheridan wären die Beatles nie in den Fokus der Öffentlichkeit geraten, davon ist Jacob überzeugt. Lennon und Co. begleiteten Sheridan in den 60er-Jahren nicht nur als Band auf der Bühne. Monatelang teilten sie sich mit ihm eine Wohnung. John Lennon und George Harrison schauten sich bei Sheridan einige Tricks und Handgriffe beim Gitarrenspiel ab. „Nicht umsonst bezeichnete Paul McCartney ihn als seinen Lehrer“, weiß Jacob. Und der 56-Jährige hat noch mehr Anekdoten und interessante Geschichten zu erzählen. Seine Wohnung gleicht einem Archiv der Rock 'n' Roll-Geschichte. Im Keller seines Hauses steht eine beeindruckende Plattensammlung mit mehr als 20 000 Vinyl-LPs. Akustik- und E-Gitarren hängen an den Wänden. Widmungen und Unterschriften schmücken die Instrumente.
Jacob besitzt zudem Zeitungsartikel, Originalquittungen von Konzerten, seltene Fotoaufnahmen und Autogrammkarten von seinen Helden aus der Jugend wie John Fogerty von Creedence Clearwater Revival. Stolz und ein wenig ehrfürchtig hält Jacob eine Fotoaufnahme in seinen Händen. Es ist ein Originalbild von Tony Sheridan. Aufgenommen während seiner legendären Zeit im Star-Club der 1960er-Jahre in Hamburg als dort einst die Beatles und sogar Jimi Hendrix die Massen mit ihrer Musik begeisterten. „To Dirk, love Tony Sheridan“ (übersetzt: „Für Dirk, in Liebe Tony Sheridan“) steht in schwarzer Schrift auf der glänzenden Folie. „Beim Konzert in Dernbach hat er es mir signiert.“ Es ist das vermutlich letzte Autogramm vor seinem Tod. „Es wird einen Ehrenplatz in meiner Sammlung erhalten“, meint Jacob. Gute vier Monate nach seinem Tod lebt Tony Sheridan bei seinen Freunden in Neuwied und Dernbach im Herzen weiter.