Mit dem Engel der Kulturen setzen sich Carmen Dietrich und Gregor Merten seit fast einem Jahrzehnt für den interreligiösen und interkulturellen Dialog ein. Die Säule für Jerusalem ist ebenfalls ein Projekt von Carmen Dietrich und Gregor Merten. Die Intarsien des Engels schmücken auch die Neuwieder Fußgängerzone. Die Intarsien des Engels schmücken auch die Neuwieder Fußgängerzone. Die Intarsien des Engels schmücken auch die Neuwieder Fußgängerzone. Die Intarsien des Engels schmücken auch die Neuwieder Fußgängerzone.
Von unserem Redakteur Frank Blum
Auch in Neuwied findet sich ein Dietrich/Merten-Werk: Die Intarsie des Engels schmückt die Fußgängerzone an der Ecke Mittelstraße/Engerser Straße. Vor fast genau zwei Jahren, anlässlich des Rheinland-Pfalz-Tages Mitte Juli 2014, haben die Künstler sie unter großer Anteilnahme der Bürgerschaft verlegt.
Warum Neuwied? Die Antwort ist einfach: Dietrich ist in Neuwied geboren, machte 1976 am Werner-Heisenberg-Gymnasium ihr Abitur und besucht die in der Deichstadt lebende Verwandtschaft regelmäßig. Seit 1988 lebt und arbeitet sie mit dem in Düsseldorf geborenen Künstler Gregor Merten zusammen. Die RZ suchte die Künstler in ihrem Atelier im bergischen Burscheid bei Leverkusen auf, um mehr über das Projekt zu erfahren.
Wie kam es überhaupt dazu? Als einschneidendes Datum nennen beide den 11. September 2001. Wie viele seien auch sie entsetzt gewesen über die sich immer weiter der Gewalt öffnenden gesellschaftlichen Entwicklung. „Wir wollten als Künstler einen Beitrag für den Dialog leisten“, umschreibt Dietrich ihre damaligen Ambitionen. „Wir waren und sind der Meinung, dass das Positive, dass sich im durchaus vorhandenen, aber oft auch abgehobenen interreligiösen Dialog vorhanden ist, nur fragmentalisiert bei den Menschen ankommt.“ Das Paar wollte dem vielschichtigen und unterschiedlich auslegbaren Wort ein sich schnell erschießendes Bild an die Seite stellen.
Gestalterische Herausforderung
„Unser Ansatz war scheinbar einfach“; merkt Merten an. „Wir haben die Kennzeichen der drei abrahamitischen Religionen, die den europäischen und nahöstlichen Kulturraum prägen, in Konstellation zueinander gesetzt.“ Dabei galt es, das richtige Kräfteverhältnis zu finden, schließlich sollte kein Symbol größer als das andere sein. Das sei vom Gestalterischen kein einfaches Unterfangen gewesen, meint das Paar, schließlich seien Davidstern, Kreuz und Halbmond doch sehr unterschiedliche geometrische Figuren. „Irgendwann war die Sache dann rund“, erläutern Dietrich und Merten. Ein Kreis symbolisiert den Globus, in dem die drei Zeichen weit auseinanderstehen; um zu verdeutlichen, dass die drei Religionen ihr jeweils Eigenes behalten sollen – in gegenseitigem Respekt voreinander. Wichtig auch: Die Zeichen sind nur halb zu sehen, jeder Betrachter muss sie zu Ende denken. „Wir hatten so ein stimmiges Produkt“, erklärt Merten. Doch das war nicht der Engel der Kulturen. Denn erst nach ein paar Tagen, als Carmen Dietrich aus einer bestimmten Richtung auf die Zeichnung blickte, entdeckte sie, dass die sich im Inneren der Grafik ergebende Figur aussieht wie ein Engel. Daher nannten die Künstler das Symbol und die seiner Verbreitung dienenden Kunstaktionen „Engel der Kulturen“.
Dietrich und Merten wollen sich mit dem „Engel der Kulturen“, der als Symbol im Jahr 2007 fertiggestellt war, an der existenziellen gesellschaftlichen Diskussion beteiligen. Dabei spielen Fragen eine Rolle wie: Wohn bewegen sich die Religionen? Werden sie wieder stärker sichtbar? Prallen sie aufeinander? Verschwinden alle im Ring? „Der Engel der Kulturen soll einen Impuls auslösen, einen Prozess in Gang setzen, an dem sich jeder beteiligen kann.“ Und das ist eigentlich ganz einfach, denn der Engel ist ein vielschichtiges Objekt (siehe Auslagerung).
Die erste Engel der Kulturen-Kunstaktion führten Dietrich und Merten anlässlich des 70. Jahrestags der Reichspogromnacht 2008 in Köln durch. „Bevor wir mit unserer Kunstaktion in die Öffentlichkeit gingen, haben wir uns bei den verschiedenen Religionsgemeinschaften versichert, dass unsere Darstellung keine Konfrontation auslöst“, heben sie hervor. Und auch, dass wohl nur wenige vor acht Jahren glaubten, dass sich daraus ein derart langlebiges Projekt entwickelt. Denn mittlerweile machen Dietrich und Merten nichts anderes mehr: Fast alle zwei Wochen sind sie an einem anderen Ort, um den Engel zu verlegen, haben zudem noch groß angelegte Projekte wie die Abraham-Karawane in Angriff genommen, bei dem sie 2010 die damaligen europäischen Kulturhauptstädte besuchten und mit dem Engel verbanden. 2013/14 haben sie im Westjordanland bei Bethlehem eine LandArt-Umsetzung im Durchmesser von 30 Metern aus Steinen der Umgebung geformt. Immer wieder führen sie Aktionen durch bei Demonstrationen gegen Rechts in verschiedenen Städten im Rheinland und im Ruhrgebiet.
Probleme in Sachsen
Nicht überall stößt ihr Projekt indes auf Gegenliebe bei Verwaltungen. Keine besonders guten Erfahrungen haben sie in Sachsen gemacht. Leipzig hat das zunächst zugesagte Projekt auf Eis gelegt, da es sich „um Politik und nicht um Kunst handele“, in Dresden durfte das Paar den Engel nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit verlegen. Da sie mit einer laut Verwaltung übergroßen Engel der Kulturen-Flagge an einer Anti-Pegida-Demonstration teilnahmen, ist dort auch noch ein Verfahren anhängig.
Gleicht die Arbeit am Projekt daher nicht auch der eines Sisyphos? Das nicht, meinen beide. Sie haben allerdings festgestellt, dass im Zuge der Migrantenfrage und der sexuellen Übergriffe auf der Kölner Domplatte in der Silvesternacht Bürger verhaltener auf das Projekt reagieren, es kritischer hinterfragen. „Das kann für uns nur bedeuten, dass wir uns umso stärker stärker für den interkulturellen und interreligiösen Dialog einsetzen. In diesen sich zuspitzenden Zeiten brauchen wir Brücken, brauchen Symbole und Gesten und duie Begegnung, um einander zu verstehen“, unterstreichen die Künstler.
Und sie erhalten glücklicherweise immer wieder Bestätigung – und das von ganz hoher Seite. Beispielsweise von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz: Der hatte bei der Durchführung der Kunstaktion vor dem Europaparlament in Brüssel gar selbst zum Hammer gegriffen, um die Intarsie fertigzustellen, und hinterher von einer der sinnvollsten Arbeiten gesprochen, die er je gemacht habe. Schulz lobt das Projekt in höchsten Tönen: „Der Engel der Kulturen ist ein Symbol für die europäische Idee, wie es kein besseres geben könnte. Die Skulptur transportiert die Aussage von Respekt und Humanität.“
Um diese Werte zu verteidigen, sei von Zeit zu Zeit auch mal „raubeiniges Auftreten“ vonnöten, unterstreichen die Künstler. Der bekannte CDU-Politiker Wolfgang Bosbach hat das als „charmante Hartnäckigkeit“ umschrieben. Wer mit Stahl arbeitet und offensiv für den interkulturellen Dialog eintritt, der muss eben über Robustheit verfügen.
Sandbild, Intarsie und Säule für Jerusalem
Der Engel der Kulturen ist ein vielschichtiges Produkt: Da ist einmal der große, etwa 80 Kilo schwere Ring aus Stahl in einem Durchmesser von etwa 1,50 Meter, der die drei Symbole trägt. Er wird – für alle sichtbar – durch Städte und Kommunen rollen, wird an ausgewählten Orten auf den Boden gelegt, von Teilnehmern mit weißem Quarzsand gefüllt, mit starken Magneten angehoben und zurück bleibt ein vergängliches Bild der inneren Form. Zur bleibenden Erinnerung wird in allen Städten eine Bodenintarsie verlegt, bestehend aus Stahl, blau eingefärbtem Spezialbeton und einem beschrifteten Aluminiumrahmen. Wichtig dabei: Im Anschluss an das Verlegen wird mit einem Schneidbrenner das gleiche Zeichen für die nächste Stadt hergestellt. Nach dem Ausbrennen werden die Teile mit dem Vorschlaghammer voneinander getrennt, es entstehen zwei Teile: der Ring für die Intarsie der nächsten Stadt und die innere Form des Engels. Diese wird am Rand mit Ort und Datum versehen und aufeinandergeschichtet. So erwächst die „Engel der Kulturen-Säule“ für Jerusalem, die im kommenden Jahr dort einen festen Standort erhalten soll. Mit dabei ist dann der in Neuwied entstandene Engel.