Vor der Landratswahl Anfang April hatte Landrat Achim Hallerbach deutlich gemacht, dass sich der Kreis aktiv um das 20. Frauenhaus im Land Rheinland-Pfalz bewirbt. Nun ist das klare Bekenntnis des Kreistages auf fruchtbaren Boden gefallen: Der Kreis erhält von Ministerin Katharina Binz den Zuschlag als neuer Frauenhaus-Standort im Norden des Landes. Das teilt die Kreisverwaltung mit.
Linke haben viele Anträge gestellt
Die Fraktion von Die Linke, damals noch unter dem Vorsitz von Jochen Bülow, der inzwischen als BSW-Fraktionschef im Kreistag sitzt, machte sich in mehreren Antragen nicht nur für mehr Unterstützung für Vereine und Institutionen rund um die Frauenhilfe stark. Sie sprach sich zudem für ein Frauenhaus aus.
Zur Ankündigung der Landesregierung, im Kreis Neuwied ein Frauenhaus einzurichten, erklärt Jochen Bülow jetzt: „Endlich, zehn Jahre nach meinem ersten Kreistagsantrag zum Thema Gewaltschutz von Frauen und Kindern, handelt die Landesregierung und will den Löwenanteil der Finanzierung eines Frauenhauses im Kreis Neuwied übernehmen.“ Dass dies im Vorfeld der Landtagswahl geschieht, strafe vor allem diejenigen Lügen, die behaupten würden, Wahlen würden nichts ändern. „Das Gegenteil ist richtig – der jahrelange Kampf um wirkungsvollen Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt hat sich gelohnt“, freut sich Bülow.
„Wir begrüßen die Entscheidung des Landes.“
Landrat Achim Hallerbach
Wie es in der Mitteilung des Kreises heißt, habe der Landrat „nach zielführenden Appellen an die rheinland-pfälzische Staatsministerin Katharina Binz die Nachricht der Landesregierung mit Genugtuung“ aufgenommen. Von der Ministerin sei Hallerbach schriftlich unterrichtet worden, dass das nächste Frauenhaus in Rheinland-Pfalz mit insgesamt zehn Plätzen im Kreis Neuwied eröffnet werden soll.
„Wir begrüßen die Entscheidung des Landes. Bereits seit Langem befassen wir uns mit dem wichtigen Thema Frauenhaus, und nun haben unsere Bemühungen endlich auch Gehör gefunden.“ Der Kreis-Chef habe die Mitglieder des Kreisausschusses auf dessen jüngster Sitzung bereits darüber informiert.
Laut Kreis teilte die Ministerin wörtlich mit: „Bundesweit sind die Plätze in Frauenhäusern knapp, und auch in Rheinland-Pfalz stoßen wir an unsere Kapazitätsgrenzen. Um den aktuellen Bedarfen gerecht zu werden, streben wir daher die Einrichtung eines neuen Frauenhauses im Landkreis Neuwied an.“ Aus dem Norden des Landes würden das Ministerium immer wieder Berichte von einem Bedarf an Frauenhausplätzen erreichen, der auch von den Frauenhäusern in den benachbarten Kommunen nicht ausreichend kompensiert werden könne.

Neuwieder Landrat zwischen Krisenmanager und Antreiber
Der amtierende Landrat Achim Hallerbach steht mangels Gegenkandidaten vor seiner Wiederwahl. Unsere Zeitung hat sich mit ihm getroffen, um auf wichtige Phasen und Entscheidungen seiner ersten Amtszeit sowie künftige Herausforderungen zu blicken.
In diesem Zusammenhang ist der Landrat von Binz um die weitere Unterstützung durch den Kreis gebeten worden, heißt es weiter. Zugleich verlieh Hallerbach seiner Genugtuung darüber Ausdruck, dass die Ministerin seinen Austausch zur Sache mit Staatssekretär Janosch Littig vom Mai 2024 als „ermutigendes Zeichen“ für den positiven Entscheid gewertet hat.
Das entsprechende Interessenbekundungsverfahren hat die Landesregierung zwischenzeitlich in Gang gesetzt. Über die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege sind nunmehr potenziell interessierte Mitglieder dazu aufgerufen, bis zum 1. August 2025 Bewerbungen für die Trägerschaft eines neuen Frauenhauses im Landkreis Neuwied einzureichen. An das Frauenhaus soll - unter gleicher Trägerschaft - eine ambulante Fachberatungsstelle angegliedert sein, heißt es weiter. Das Land beabsichtigt, ab 2026 in die Förderung eines neuen Frauenhauses und einer angegliederten Fachberatungsstelle einzusteigen.
So werden Frauenhäuser finanziert
Die aktuell 19 rheinland-pfälzischen Frauenhäuser erhalten vom Land zurzeit eine jährliche Sockelförderung von rund 131.600 Euro als Personalkostenzuschuss. Dazu kommt ab dem sechsten Frauenhausplatz eine Platzpauschale in Höhe von derzeit 6000 Euro pro Platz als Personal- und Sachkostenzuschuss. Darüber hinaus erhalten alle Frauenhäuser einen jährlichen Sachkostenzuschuss, der im nächsten Jahr bei rund 4500 Euro pro Frauenhaus liegen wird, informiert der Kreis.
Wie Ministerin Binz in ihrem Schreiben an den Landrat weiter ausgeführt habe, ist diese Finanzierung allerdings nicht auskömmlich: Die Frauenhäuser sind auf - in der Regel - jährliche Zuschüsse der betreffenden Kommunen und/oder Sponsoren und Spenden angewiesen. Auch die Träger leisten einen Eigenanteil.
„Es wird darauf ankommen, die Finanzierung dauerhaft sicherzustellen.“
Jochen Bülow, BSW-Fraktionsvorsitzender im Kreistag
Die Finanzierung treibt auch Jochen Bülow (BSW) um. „Es wird darauf ankommen, die Finanzierung dauerhaft sicherzustellen.“ Zumal bisher die Unterstützung von in Not geratenen Frauen als freiwillige Ausgabe gilt. Bülow sagt wörtlich: „Bei der Haushaltslage des Kreises ist es alles andere als ausgemacht, dass die von der Landesregierung kontrollierte ADD bei knappen Haushalten freiwillige Ausgaben genehmigt, die die Landesregierung für politisch wünschenswert hält.“

„In Stadt und Kreis haben wir bereits ein sehr gutes Beratungsnetzwerk mit unseren Kooperationspartnern aufgebaut. Genau diese Beratungsangebote wie etwa von Caritas, Diakonie, RIG, Runder Tisch gegen Gewalt möchten wir im künftigen Frauenhaus eingebunden haben“, sagt Hallerbach. Sie seien seit Jahren etabliert und kennen die Region sehr gut. „Jetzt unsere Sozialpartner von diesem wichtigen Projekt auszuschließen, wäre eine falsche Entscheidung. Darüber müssen wir mit der Ministerin reden“, appelliert der Landrat in Richtung Mainz, die ortsansässige Expertise zu nutzen.
Das sieht Jochen Bülow ähnlich: „Es gibt in unserer Region ein breites Beratungsangebot und deshalb sollte nicht allein in Mainz am grünen Tisch entschieden werden, welcher Träger die Aufgabe übernimmt und wie eine ambulante Beratungsstelle an das Frauenhaus angedockt wird.“
Austausch mit möglichen Trägern
In diesem Zusammenhang weist Hallerbach auf den bereits stattfindenden Austausch mit möglichen Trägern aus dem eigenen Landkreis hin. So könne sich eine Trägervielfalt mit neuen Ideen und Ansätzen auch bereichernd auf die Konzeption des Frauenhauses auswirken. Fest steht letztendlich aber auch: In der Frage der Trägerschaft ist das Land Rheinland-Pfalz federführend und entscheidend.
„Zur Durchführung des Vorhabens benötigt die Landesregierung den Kooperationswillen unseres Landkreises. Das geht nur dann, wenn wir auch in die Prozessschritte eingebunden werden. Dementsprechend ist seitens des Landes noch Luft nach oben, wir sind bereit“, erklärt der Landrat. Zugleich sei er zuversichtlich, dass die Projektierung des Frauenhauses im Kreis Neuwied im Sinne der gewaltbetroffenen Frauen und ihrer Kinder, im Einvernehmen mit den kommunalen Gremien und gemeinsam mit der Landesregierung umgesetzt werden kann.
Nutzen des Frauenhauses steht außer Frage
„Natürlich sind mit dem Betrieb eines Frauenhauses Kosten verbunden, die wir gemeinsam stemmen müssen“, weiß Daniela Kiefer, Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Neuwied. Betrachtet man allerdings die Folgekosten von häuslicher und sexualisierter Gewalt und vor allem auch den persönlichen Schaden, den die Opfer erleiden, dann dürfte der Nutzen eines Frauenhauses außer Frage stehen, betont sie.
Dass weitere Frauenhausplätze gebraucht werden und das Hilfesystem bei Gewalt an Frauen ausgebaut werden muss, steht für Kiefer außer Frage: Seit Jahren würden die Fallzahlen im Bereich der häuslichen Gewalt steigen. Die Dunkelziffer sei hoch.