Langjähriger Leiter vor dem Ruhestand -Jugend- und Sozialamt werden wieder getrennt
Ende einer Ära: Neuwieds Sozial- und Jugendamtsleiter Wolfgang Hartmann geht nach 48 Jahren
Noch räumt Wolfgang Hartmann die Akten in seinem Büro mit dem alten Ofen von Friedrich Wilhelm Raiffeisen noch nicht ganz ein. Erst im Mai tritt er in den Ruhestand, die Leitung des Jugend- und Sozialamtes gibt er aber bereits zum Jahreswechsel ab, um einen möglichst reibungslosen Übergang zu ermöglichen. Foto: Jörg Niebergall
jn

Neuwied. Wolfgang Hartmann hat in Neuwied viel erlebt. Wenn er zurückdenkt, erinnert er sich an Zeiten mit vier, fünf Drogentoten in wenigen Wochen, an tragische Fälle mit Mord und Totschlag. Aber auch an die vielen, öffentlich weniger spektakulären Geschichten, bei denen sich Menschen mit ein wenig Hilfe wieder aus Krisen kämpfen konnten. Oder an die Verbesserungen beim Kinderschutz. Oder. Oder. Oder. „Ich könnte viel erzählen“, sagt er, lächelt und unterstreicht: „Viel Gutes!“

48 Jahre ist es her, dass Wolfgang Hartmann seine Laufbahn bei der Neuwieder Stadtverwaltung begann. Drei Jahre später fand er seinen Platz im Sozialamt. „Das war immer spannend und von Anfang an meine Leidenschaft“, hält er fest. Und so arbeitete sich Hartmann hoch – bis zur Leitung des 2006 zusammengelegten Jugend- und Sozialamtes. Verantwortung für viele, viele Menschen in Neuwied und vor allem für seine Mitarbeiter. Aktuell sind das 270.

„Ich hatte keine Karriereplanung, hab nie auf ein Ziel hingearbeitet. Das hat sich irgendwie ergeben“, erzählt er und meint, dass er wohl einfach zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle war. „Und ich war natürlich auch froh, dass man es mir offenbar zugetraut hat.“ Am Donnerstag ist nun Schluss – wenn auch noch nicht ganz. Denn in den Ruhestand tritt er erst im Mai, zum Jahreswechsel gibt er „nur“ die Leitungsfunktion ab. „Das hat vor allem organisatorische Gründe“, sagt Hartmann (64).

Denn die beiden Ämter werden wieder getrennt, die bisherigen Abteilungsleiter Regina Berger (Soziales) und Bernhard Fuchs (Jugend) übernehmen jeweils die Verantwortung. „Vor zwei, drei Jahren habe ich begonnen, mir gemeinsam mit dem OB Gedanken zu machen. Dabei ist die Idee der Aufsplittung langsam gereift“, berichtet Hartmann und erklärt, dass das an einschneidend veränderten Rahmenbedingungen liegt.

Das Jugendamt übernimmt Bernhard Fuchs.
Stadt Neuwied

Neue Sozialamtsleiterin wird Regina Berger.
Stadt Neuwied

Denn traditionell waren Sozial- und Jugendamt eigenständig. Erst, als im Zuge der Hartz-Reformen große Teile der Zuständigkeiten – und Mitarbeiter – an das neu gegründete Jobcenter übergingen, legte OB Roth die Ämter zusammen. „Das Sozialamt war nur noch ein Rumpfamt, Ende 2005 haben wir uns fast gelangweilt“, gibt Hartmann zu. Doch das drehte sich wieder. Im Sozialbereich musste an vielen Stellen nachgebessert werden, was zusätzliche Aufgaben brachte. Viele Flüchtlinge kamen und sind zu betreuen, und vor allem wuchsen die Aufgaben im Kita-Bereich durch den Rechtsanspruch für Unter-Dreijährige. Zahlreiche Erzieherinnen wurden eingestellt. Aus den 160 Mitarbeitern des Jahres 2006 wurden so 270.

Genug zu tun also für zwei Amtsleiter, die sich laut Hartmann auf eine sehr gute Mannschaft stützen können. „Amts- und Abteilungsleiter sind Räder, bei denen vieles zusammenläuft. Aber die wirklich wichtigen Mitarbeiter sind die an der Basis. Auf sie muss man sich verlassen können. Und da haben wir ganz viele Leute, die mit ganz viel Leidenschaft ihre Sache machen“, lobt er.

Und in der Tat: Trotz reichlich Sprengstoffpotenzial im Aufgabenbereich gab es keine Skandale, blieb es über all die Jahre vergleichsweise ruhig – was in Neuwied nicht unbedingt selbstverständlich ist. Die Negativschlagzeilen wurden anderswo geschrieben. In Bremen zum Beispiel, wo der tragische Tod des völlig verwahrlosten Kevin (2) die ganze Republik schockte. Der wohl maßgeblichste Fall, der anschließend dazu führte, dass bundesweit ein neues Kinderschutzgesetz erlassen wurde, das auch in Neuwied viel änderte. „Ein deutlicher Fortschritt. Die Zusammenarbeit der Institutionen hat sich verbessert. Wir können früher reagieren und Hilfe anbieten, und wir bekommen es eher mit, wenn etwas extrem schiefläuft“, ist Hartmann zufrieden und erzählt, dass er und seine Mitarbeiter täglich damit konfrontiert sind, was in den Familien passiert.

Und überhaupt: „Von der Schwangerenberatung bis zur Übernahme von Bestattungskosten: Das ganze Leben dazwischen findet bei uns statt. Da könnte man Bücher schreiben“, hält Hartmann fest. Diese enorme Bandbreite bei den Themen sei natürlich spannend. „Wir entwickeln die Gesellschaft der Stadt ein Stückweit mit“, weiß er.

Die Veränderungen in all den Jahren bezeichnet er dabei als vielschichtig, aber auch nicht dramatisch. Wobei Hartmann mit Bewertungen zurückhaltend ist: Dass die Schere zwischen Arm und Reich in der Gesellschaft auseinandergehe, dieses „Gefühl“ könne man „vorsichtig bestätigen“, sagt er beispielsweise an anderer Stelle. Die Arbeitslosigkeit wiederum sei stark zurückgegangen, wofür man auch Neuwied als Stadt loben müsse, hält er selbst dagegen.

Insgesamt habe man in Neuwied immer gemeinsam mit anderen Institutionen wie der Arbeitsagentur und den Wohlfahrtsverbänden versucht, Menschen zu helfen, „wieder einen Fuß in die Tür zu bekommen. Hilfe zur Selbsthilfe, getreu dem Motto Raiffeisens, in dessen früherem Wohnhaus Teile des Amtes untergebracht sind und dessen Originalofen noch in Hartmanns Büro steht.

Noch räumt Wolfgang Hartmann die Akten in seinem Büro mit dem alten Ofen von Friedrich Wilhelm Raiffeisen noch nicht ganz ein. Erst im Mai tritt er in den Ruhestand, die Leitung des Jugend- und Sozialamtes gibt er aber bereits zum Jahreswechsel ab, um einen möglichst reibungslosen Übergang zu ermöglichen. Foto: Jörg Niebergall
jn

Und was macht er, wenn er das im Mai endgültig räumt? „Die Familie kam in den vergangenen Jahren zu kurz“, sagt er. Alles andere will er auf sich zukommen lassen. „Ich beschäftige mich mein ganzes Berufsleben über mit Haushaltsplänen, Bedarfsplänen – für den Ruhestand mache ich keinen Plan.“

Top-News aus der Region