Von unserer Redakteurin Christina Nover
Bad Hönningen – Der Schweiß steht mir auf der Stirn und das liegt nicht nur an den sommerlichen Temperaturen, die außerhalb des DRK-Heims in Bad Hönningen herrschen. Unruhig rutsche ich auf dem glatten Stuhl vor dem Arzttisch umher. Dr. Carsten Lenz blickt auf das blassgelbe Stück Papier, auf dem ich vorher meine Kreuze gesetzt habe. Ich gehe heute zum ersten Mal zur Blutspende – die Angst vor der Nadel hat mich bisher davon abgehalten.
Schon Lenz' erste Frage bringt mich ins Wanken: „Haben Sie heute genug getrunken?“ Mit genug meint er etwa zwei Liter Flüssigkeit. Tee zum Frühstück, Wasser auf der Arbeit und eben, bei der Anmeldung, auch noch ein bisschen. „Ich denke schon“, antworte ich vage. Lenz hakt nach und erklärt mir: „Ihnen wird in etwa zehn Minuten ein halber Liter Flüssigkeit entzogen – das ist in etwa so, als ob sie 30 Minuten in praller Hitze joggen, ohne etwas zu trinken.“ Ich sehe mich zwar schon aus den Latschen kippen, bin aber doch relativ sicher, dass ich die gewünschte Menge getrunken habe.
Manche Erkrankungen schließen Spende aus
Lenz ist zufrieden und blickt wieder auf das Spenderformular in seiner Hand. Dort musste ich unter anderem aufführen, ob ich in den letzten vier Wochen einen Zahnarzttermin hatte und ob ich im Ausland war. Auch eine ganze Liste von Erkrankungen wurde mir zur Auswahl gegeben. Aufgrund meiner Antworten schätzt der Arzt ein, ob bei einer Spende ein Risiko für mich oder den potenziellen Empfänger besteht. Manche Erkrankungen schließen eine Spende aus und selbst die Kopfschmerztablette, die ich einen Tag vorher eingenommen habe, ist von Belang. Lenz stellt ein paar Fragen zu meinen Antworten und misst dann meinen Blutdruck. „Optimal!“, erklärt er und vermerkt das Ergebnis auf dem Zettel.
Er entlässt mich mit einem aufmunternden Lächeln nach draußen und ich gehe langsam in Richtung Spenderaum. An einem Tisch sitzt Nina Rolke vom DRK-Ortsverein Bad Hönningen. Genau 13-Mal im Jahr führt der Verein Blutspenden in der Verbandsgemeinde durch. Damit es sich lohnt, müssen mindestens 70 Menschen vorbeikommen. „Leider sind immer weniger Menschen dazu bereit, Blut zu spenden“, meint Rolke. Die warmen Temperaturen und die Fußball-WM tragen auch nicht gerade zum großen Run bei. Bei sieben bis acht Litern Blut im Körper, ist ein Verlust von 500 Millilitern zwar in der Regel gut zu vertragen, Kreislaufprobleme sind aber durchaus möglich. Und nach der Spende gibt es einige Einschränkungen: Alkohol, Rauchen und schwere körperliche Betätigungen sollten vermieden werden – so steht es zumindest auf dem umfangreichen Infopapier, das jeder Spender am Empfang erhält.
Neuer Ausweis ermöglich Spenden in ganz Deutschland
Die meisten der Menschen, die an diesem Tag durch die Tür treten, sind nicht zum ersten Mal da. Sie zeigen ihren Blutspendeausweis, der mir als Erstspender in den nächsten Tagen zugeschickt wird. Darauf ist auch die Blutgruppe vermerkt. Mit dem neuen Ausweis ist es laut Rolke nun auch möglich, überall in Deutschland spenden zu gehen: „Wenn Sie also gerade mal in Hamburg sind, und Lust haben, spenden zu gehen...“ Wie man „Lust“ aufs Spenden haben kann, ist mir ein Rätsel. Ja gut, es gibt einen Gutschein für die Therme, Schokolade und Verpflegung – aber sich dafür eine Nadel in den Arm stechen zu lassen?
Der Tisch, an dem die Blutwerte gemessen werden, ist frei. Die Frau vom Blutspendedienst nimmt mir am Ohr etwas Blut ab und testet den Hämoglobinwert. Alles in Ordnung. Sie zeigt auf einen der blauen Stühle und ich setze mich zaghaft. „Das erste Mal?“ fragt der junge Mann vom DRK und sprüht Desinfektionsmittel auf meinen Arm. Ich spüre die kalten Tröpfchen auf meiner Haut und weiß, es gibt kein Zurück mehr. Als ich die Nadel sehe entfleucht mir ein „Oh mein Gott.“ „Michael reicht vollkommen“, sagt der Sanitäter grinsend, und kaum hat er die Nadel angesetzt, ist sie auch schon unter einer Lage Mullstoff verschwunden. „Ich wünsche Ihnen eine gute Spende“, sagt Michael und verschwindet zum Nächsten. Das Blut läuft. Auf einer Anzeige kann ich mitverfolgen, wie viel ich schon gespendet hab. Sind die 100 Prozent, also 500 Milliliter erreicht, schaltet sich das Gerät automatisch ab.
Nach 8 Minuten ist alles vorbei
Das gelbe Licht schleicht auf der Anzeige nach oben. Plötzlich leuchtet es rot und piepst. Ich bekomme Panik. „Keine Sorge“, sagt die Frau neben mir und bedeutet mir, dass ich mehr pumpen muss. Sie selbst drückt die Hand im Eiltempo um das Plastikrohr. „Ich hab nicht viel Zeit“, erklärt sie und ist nach vier Minuten fertig. Bei mir sind die 100 Prozent nach 8 Minuten und 41 Sekunden erreicht. Etwas schwummrig ist mir schon. Die Füße werden hochgelegt und der DRK-Nachwuchs kümmert sich aufopfernd um mich. Auch der Arzt schaut noch einmal vorbei und lässt den Blutdruck messen.
Schließlich darf ich in den Ruheraum, in dem Kuchen auf mich wartet. Ich lasse ihn mir schmecken und unterhalte mich mit anderen Spendern. Das „gute Gefühl“, von dem mir so oft berichtet wird, will sich bei mir noch nicht so recht einstellen. Mein Arm unter dem Verband schmerzt ein wenig. Deshalb fällt es mir nicht leicht, auf die Frage „Und, kommen Sie wieder?“, mit einem euphorischen „Ja!“ zu antworten. Ich werde sicher nicht zu denen gehören, die „Lust auf Blutspenden“ haben. Aber ich denke, es ist wichtig. Wie eine Versicherung, in die wir heute einzahlen, um später von ihr zu profitieren. Und selbst wenn ich das Blut nicht brauchen werde – ich weiß, dass es genug andere Menschen gibt, die es tun.
Wo und wann Sie Blut spenden können, finden Sie unter: www.blutspendedienst-west.de