Das Aktionsforum Neuwied wollte mit der Beteiligung an der IHK-Aktion „Heimat shoppen“ ein Zeichen gegen Umweltverschmutzung und Onlinehandel setzen. Rund 6000 Papiertüten wurden in der ersten Septemberwoche verteilt und von den beteiligten Geschäften an die Kunden gebracht.
Einzelhandel
Seitdem die EU-Richtlinie zur Plastikvermeidung in Kraft getreten ist, gibt es in vielen Neuwiedern Geschäften Plastiktüten nur noch gegen Geld. Die Umstellung fiel Kunden wie Unternehmen nicht leicht: „Es war nicht einfach, beim Einkaufen den wie selbstverständlichen Griff des Verkaufspersonals zur Plastiktüte zu unterlassen, und den Kunden klarzumachen, dass entweder auf die Tüte verzichten oder einen Obolus bezahlen müssen“, berichtet Becher. Bei Intersport Krumholz beispielsweise wurden jedoch durch die Tütenabgabe über eineinhalb Jahre hinweg Einnahmen von 4000 Euro generiert, die das Unternehmen der Stiftung Natur und Umwelt des Landkreises Mayen-Koblenz zur Verfügung gestellt hat. Geschäftsführer Oliver Krumholz berichtet neben vielen positiven Reaktionen aber auch von Kritik, mit der Mitarbeiter konfrontiert wurden: „Wir wollen nicht den Eindruck erwecken, unseren Kunden eine Serviceleistung zu verweigern.“ Deshalb wurde nun ein Kompromiss gefunden: „Wir stellen den Kunden frei, ob sie für ihre Tüte einen Betrag entrichten möchten oder nicht.“
Lebensmittelmärkte
Während jene, die viel Geld für Kleidung oder andere Waren ausgeben, gern mal pikiert reagieren, wenn die Tüte zum Einpacken nicht umsonst ist, ist das Bezahlen von Plastiktüten in Supermärkten schon fast in Fleisch und Blut übergegangen. Bei Rewe wurde die Plastiktüte 2016 gar flächendeckend abgeschafft, wie Jörg Müller auf Anfrage berichtet. Alternativ gibt es Baumwolltragetaschen, Permanent-Tragetaschen aus Recyclingmaterial, Kartons und Papiertüten. Und dies soll nur der Anfang sein: „Das Unternehmen hat es sich zum Ziel gesetzt, unnötige Verpackung komplett aus seinen Regalen zu verbannen“, sagt Müller. Die Plastikbeutel in der Obst- und Gemüse-Abteilung sollen beispielsweise durch Mehrwegnetze abgelöst werden. Auch für Konrad Kreuzberg (Edeka) ist die Vermeidung von Plastik ein großes Thema. Er weist aber darauf hin, dass einige Wünsche nicht so leicht zu erfüllen sind: „Wir können nicht einfach eine mitgebrachte Box mit Wurst und Käse füllen und über die Theke schieben. Da gibt es Hygienevorschriften.“ Worauf die Märkte ebenso kaum Einfluss haben, sind die Verpackungen der Waren in den Regalen – hier sind vor allem die Hersteller gefragt.
Gemüseläden
Auch wenn die meisten Waren, die in Gemüse- und Obst-Läden angeboten werden, eigentlich lose zu haben sind, landen sie am Ende doch fast immer in einer oder mehreren Plastiktüten. „Eine Unsitte“, wie Ralf Seemann, der Sprecher der Kreisgrünen, sagt. Er ist der Meinung, dass Neuwied noch im „Dörnchenschlaf“ ist in Sachen Plastikvermeidung. Tatsächlich hat so mancher Betreiber eines Obst- und Gemüse-Ladens in der Neuwieder Innenstadt noch nicht mal etwas von der EU-Richtlinie gehört – geschweige denn darauf reagiert. Mit gutem Beispiel voran geht Elke Meißner, die ihr Geschäft in der Engerser Straße hat. Sie versucht sich seit einiger Zeit an Papiertüten. Sie betont aber: „Die kann ich nicht immer nehmen. Nasser Salat zum Beispiel geht nicht da rein, und wenn es draußen regnet, dann wird es auch mit Äpfeln schwierig.“ Bei den Obstbechern, die Meißner im Angebot hat, lässt sich der Verpackungsmüll aus ihrer Sicht kaum vermeiden. Ihre Suppen hingegen füllt sie gern auch direkt in mitgebrachte Dosen ab.
Gemüseläden kommen kaum ohne Plastiktüten aus.
Aktionen
Um auf den Umweltgedanken aufmerksam zu machen, hat das Aktionsforum Neuwied in der ersten Septemberwoche rund 6000 Papiertragetaschen mit dem Logo „Heimat shoppen“ in Neuwieder Geschäften verteilt. Entscheidender Aspekt bei der IHK-Aktion war es auch, auf die Problematik des Onlinehandels aufmerksam zu machen. Axel Wöckner vom Schuhhaus Wöckner weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich Verpackungsabfälle dort in den meisten Fällen nicht vermeiden lassen: „Neben Kartons fallen Materialien wie Paketklebeband, Tüten, Faltschachteln oder Füllmaterial an.“ Größere Aktionen wie beispielsweise in Idar-Oberstein, wo Greenpeace-Aktivisten im Juli eine Leine mit 1300 Plastiktüten durch die Fußgängerzone spannten, sind in Neuwied aber nicht bekannt.
Sinneswandel
Langsam aber sicher, so sind sich viele Geschäftsleute einig, ist das Thema Plastikvermeidung bei den Menschen angekommen. „Sehr viele Kunden kommen mit Stoffbeuteln zum Einkaufen oder verstauen die Ware in ihren Taschen/Rucksäcken“ berichtet beispielsweise Salvatore Zarbano von der Enoteca. Einer seiner Lieferanten greift auf Tüten aus Maisstärke zurück, die nur aussehen, als wären sie aus Plastik. Der Wandel ist im Gange.