Unsere Gesprächspartner verweisen darauf, dass es im Bereich alternativer Energien kein Schwarz und Weiß gibt, sondern eine Lösung des CO2-Problems nur durch Kompromisse und überlegtes Handeln, nicht aber durch strenge Regelungen gefunden werden kann. Schließlich stößt vor allem im ländlichen Raum die „Hauruckmethode“ Habecks auf Gegenwehr und Probleme.
Fest steht: Das geplante Gebäudeenergiegesetz sieht nicht vor, dass Menschen ab 2024 keine Öl- oder Gasheizung mehr betreiben dürfen. Es geht darum, dass ab dem kommenden Jahr keine neuen klassischen Öl- und Gasheizungen mehr eingebaut werden sollen. Hintergrund des geplanten Gesetzes ist, dass in Deutschland mehr als ein Drittel der CO2-Emissionen im Gebäudesektor ausgestoßen werden – und dort gelte es künftig einzusparen.
Nach meiner Einschätzung ist das Verbot des Neueinbaus von Öl- und Gasheizungen nicht umsetzbar.
Dirk Lichtenthäler, Obermeister der Sanitär-Heizung-Klimatechnik-Innung in der Kreishandwerkerschaft Rhein-Westerwald
Das Vorhaben ist allerdings mehr Wunschdenken als Realität, so ist eine Umsetzung aus Sicht von Dirk Lichtenthäler, Obermeister der Sanitär-Heizung-Klimatechnik-Innung in der Kreishandwerkerschaft Rhein-Westerwald, auf diese Weise nicht möglich: „Nach meiner Einschätzung ist das Verbot des Neueinbaus von Öl- und Gasheizungen nicht umsetzbar.“ Derzeit seien rund 8 Millionen Öl- und knapp 20 Millionen Gasheizungen deutschlandweit in Betrieb. „Ein Umdenken auf alternative Energien ist mit Sicherheit gut und auch richtig, aber durch ein Verbot lässt sich diese Umsetzung nicht regeln, vor allem nicht ab 2024“, betont Lichtenthäler.
Aus Sicht der IHK ist dieser Schritt ungeeignet.
Kristina Kutting, IHK-Regionalgeschäftsführerin für Altenkirchen und Neuwied
Ähnlich sieht es Kristina Kutting, IHK-Regionalgeschäftsführerin für Altenkirchen und Neuwied: „Aus Sicht der IHK ist dieser Schritt ungeeignet.“ So bestehe bereits über die politischen Preissignale bei fossilen Brennstoffen ein mittel- und langfristiger Anreiz auf Öl- und Gasheizungen zu verzichten. Bei den Alternativen wie zum Beispiel Wärmepumpen und Pelletheizungen führe dies allerdings zu Preissteigerungen und Lieferengpässen. Auch fehle es an Fachkräften, somit sei das Vorhaben weder logistisch und technisch im kurzen Zeitraum umsetzbar.
Lange Lieferzeiten
Dass Industrie und Handwerk schon jetzt an ihrer Leistungsgrenze angekommen sind, weiß auch Lichtenthäler: „Lieferzeiten von einem halben Jahr sind keine Seltenheit. Und auch die SHK-Betriebe können diese Leistungen nicht erbringen.“ Die Idee ab 2024 mit einem Anteil von 65 Prozent erneuerbarer Energie bei jeder neuen Heizung einzusparen, sei somit schlicht nicht machbar.
Und noch ein weiteres Problem gelte es zu beachten, denn der Einbau einer Wärmepumpe ist nicht in jedem Gebäude möglich. „Eine genaue Prüfung und fachliche Beurteilung der Gebäudestruktur, des vorhandenen Heizsystems und der Heizlast sind im Vorfeld unabdingbar“, erklärt Lichtenthäler. Zudem entstehe ein hoher Kostenaufwand für den Eigentümer, und die Eigentümer hätten auch vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftlichen Lage nicht immer die Mittel zur Umrüstung.
Ländlicher Raum birgt zusätzliche Herausforderungen
Mit Blick auf den Kreis Neuwied offenbart sich eine weitere Perspektive, denn der ländliche Raum birgt aufgrund älterer Bebauung im Bestand zusätzliche Herausforderungen. „Das geben die Heizsysteme oder die finanziellen Mittel der Eigentümer nicht her, da mit einer Umrüstung meist kostenintensivere Sanierungsmaßnahmen verbunden sind“, sagt Lichtenthäler. In größeren Mietanlagen oder Eigentumswohnungen mit unterschiedlichen Besitzverhältnissen sei oft kein Platz. „Dort wo heute ein Gaswandgerät hängt, lässt sich mehr nicht einbauen“, so der Obermeister der Sanitär-Heizung-Klimatechnik-Innung.
Das Thema des Neueinbauverbots von Öl- und Gasheizungen beschäftigt aber nicht nur die Innung und die Industrie- und Handwerkskammer, sondern auch die Politik. So vertritt der heimische Bundestagsabgeordnete Martin Diedenhofen (SPD) die Meinung, dass die ländliche Perspektive beim Plan Habecks deutlich zu kurz komme: „Hauruck-Vorschläge sind kontraproduktiv, denn der Heizungsmarkt ist jetzt schon überlastet ebenso wie die Kapazitäten im Handwerk.“
Hauruck-Vorschläge sind kontraproduktiv, denn der Heizungsmarkt ist jetzt schon überlastet ebenso wie die Kapazitäten im Handwerk.
Der heimische Bundestagsabgeordnete Martin Diedenhofen (SPD)
Diedenhofen fordert vernünftige Übergangslösungen. So sei der Tausch einer Heizung auch immer eine wirtschaftliche Frage. „Wenn wir die Erderwärmung bremsen wollen, müssen wir klimaschädliche Heizungen Stück für Stück austauschen und Häuser weiter energetisch modernisieren, und das muss bezahlbar, fair und pragmatisch passieren“, so Diedenhofen.
Ähnlich kritisch sieht auch die Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Neuwied und Vorsitzende des Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen Sandra Weeser (FDP) die Ankündigungen des Bundeswirtschaftsministers: „Durchdachtes Vorgehen sieht anders aus.“
Der Vorstoß aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, bis 2030 alle Gas- und Ölheizungen verbieten zu wollen, sei dabei vollkommen losgelöst von der Realität in Deutschland. Zwar seien Wärmepumpen ein wichtiger Bestandteil der Wärmewende im Gebäudebestand, aber eben nicht die einzige Lösung, weshalb nach Ansicht Weesers diese „Alles-oder-Nichts“-Forderung nicht funktionieren werde.
Bei der Umsetzung der Klimaschutzziele im Gebäudebereich sollten wir uns daran orientieren, was wirtschaftlich und sozialverträglich machbar ist.
Sandra Weeser (FDP), Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Neuwied und Vorsitzende des Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen
Vielmehr könnte es vor dem Hintergrund zahlreicher Ausnahmen und Übergangsfristen zu einer Bürokratielawine kommen, die in der Fülle nicht adäquat bearbeitet werden könnte. „Bei der Umsetzung der Klimaschutzziele im Gebäudebereich sollten wir uns daran orientieren, was wirtschaftlich und sozialverträglich machbar ist“, beschreibt Weeser den aus ihrer Sicht besseren Weg. Schließlich bringe es dem Klimaschutz nichts, wenn ab 2024 neue Gas- und Ölheizungen verboten werden, gleichzeitig aber nicht genug Handwerker verfügbar seien und Eigentümern die Ressourcen fehlten, um neue Heizungen auf Basis erneuerbarer Energien einzubauen.