Die komplette digitale Umsetzung von Dienstleistungen verzögert sich wohl. Gemäß den Vorgaben des Bundes sind Bund, Länder und Kommunen verpflichtet, bis Ende 2022 ihre Verwaltungsleistung elektronisch anzubieten. So sieht es das Onlinezugangsgesetz (OZG) vor. Generell soll es dann möglich sein, die jeweilige Verwaltungsleistung – insgesamt gibt es weit mehr als 500 verschiedene – durchgängig von der Antragsstellung bis hin zur eigentlichen Sachbearbeitung elektronisch abzuwickeln. Mit der Einhaltung des Zeitplanes rechnet Landrat Achim Hallerbach aber nicht mehr: „Von der Erfüllung der Umsetzungsziele bis Ende 2022 geht wohl keiner mehr aus.“ Er erläutert näher, woran es hapert, wie der aktuelle Stand im Kreis Neuwied und was überhaupt geplant ist.
Der Stand im Kreis
Grundsätzlich unterstreicht Landrat Achim Hallerbach, eine ganzheitliche digitale Abwicklung, angefangen bei der Beantragung durch den Bürger, der digitalen Sachbearbeitung (E-Akte) bis hin zum digitalen Bescheid, anzustreben. Bei der Kreisverwaltung Neuwied sollen zwei weitere für 2021 ausgeschriebene Stellen dazu beitragen, die Digitalisierung der Verwaltung zu beschleunigen. Derzeit beauskunftet die Kreisverwaltung 350 Dienstleistungen online auf der eigenen Internetseite www.kreis-neuwied.de, ist einer Pressemitteilung der Kreisverwaltung zu entnehmen. Daneben werden auf der Internetseite 214 Formulare zur Verfügung gestellt, die zu Hause ausgedruckt, ausgefüllt und zur zuständigen Stelle geschickt beziehungsweise dort abgegeben werden können.
Bei 25 Formularen ist ein elektronischer Abgabeprozess möglich. In der Mitteilung werden einige Services vorgestellt, die von Bürgern online abgerufen werden können: ein digitales Ratsinformationssystem und Politik-Ticker, einen Terminservice für die Kfz-Zulassung, die Pflegestrukturlandkarte, die Online-Pflegeplatzbörse oder auch ein psychosozialer Beratungsführer mit Veranstaltungskalender. „Die Liste der OZG-Leistungen wächst stetig an“, sagt Hallerbach. Weiterhin gibt es viele interne Digitalisierungsprozesse – etwa ein elektronisch automatisiertes Fuhrparkmanagement.
Aufgaben sind aufgeteilt
Um die Umsetzung des OZG flächendeckend zu realisieren, wird das Vorhaben, die insgesamt 575 Leistungen, von denen 460 einen kommunalen Bezug aufweisen, zu digitalisieren, aufgabenteilig gesplittet. Dabei übernehmen die Länder und Bundesressorts ausgewählte Themenfelder und erarbeiten arbeitsteilig Lösungen, geht aus der Mitteilung der Kreisverwaltung hervor. Rheinland-Pfalz etwa befasst sich aktiv mit den Bereichen Bildung und Bauen sowie Wohnen. Doch diese theoretisch plausible Vorgehensweise funktioniert in der Praxis nicht optimal, heißt es weiter: „Der Kommunikationsfluss in die Kommunen ist mäßig, und da gibt es noch viele offene Fragen: Wie priorisieren die Kommunen die Entwicklung von Selbstverwaltungsangelegenheiten? Wie lässt sich interkommunale Zusammenarbeit umsetzen? Wie kann ein einheitliches Qualitätsniveau bei der Umsetzung erreicht werden? Viele Basisdienste, die bei der OZG-Umsetzung helfen sollen, wurden auch noch nicht komplett in die Fläche ausgerollt. Wie sieht hier die praktische Umsetzung und Mitwirkungspflicht der Kommunen aus?“
Zudem wurde laut Mitteilung auch die vollständige digitale Abwicklung bislang nicht einheitlich geklärt: „Das OZG verlangt lediglich die digitale Beantragung einer Leistung, einschließlich aller Nachweise, durch den Bürger.“ Hallerbach betont in dem Kontext, dass sich der Streit um die Umsetzung auch häufig darum dreht, wer die Grundlagen schaffen muss und in welche Richtung es passiert, also von Bund über die Länder bis hin zu den Kommunen oder in entgegengesetzter Reihenfolge. Grundsätzlich hält es Hallerbach für sinnvoll, wenn von oben nach unten digitalisiert wird, damit die Kommunen, die Kreise, sich einklinken können. „Es ist die typische Schnittstellenproblematik“, betont der Landrat. Man versuche, so viel wie möglich an erfassten Daten im kommunalen Bereich nach oben zu transportieren. Wie er weiter ausführt, kann es dann manchmal an unterschiedlicher Fachsoftware scheitern oder es kann Probleme aufgrund datenschutzrechtlicher Vorgaben geben.
Arbeitsgruppen gebildet
Damit aber noch größere Fortschritte bei der Umsetzung des OZG erzielt werden, wurden Arbeitsgruppen auf Landkreistagsebene, dem kommunalen Spitzenverband für die Landkreise, gebildet. Achim Hallerbach ist hier als Landrat des Kreises Neuwied etwa Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Interkommunale Zusammenarbeit“. Die Gruppe befasst sich mit ersten Konzeptvorschlägen, wie in der Verwaltung im Zuge der interkommunalen Zusammenarbeit bestimmte Fachbereiche zusammengeführt werden können. Hinter allem steckt das Prinzip „EVA“, also „Einer für alle“. Hallerbach erläutert es näher an einem Beispiel: Wenn etwa die drei Kreise Altenkirchen, Neuwied und Westerwald in dem Bereich Umweltschutz und Bauverwaltung eine andere Digitalisierungsform bis zur Serienreife erarbeiten, dann können es die anderen Kreise auch nach einem solchen Vorbild umsetzen.
„Wir haben nun sieben Arbeitsgruppen gebildet und wollen hier nach den Sommerferien konkrete Ergebnisse vorweisen können“, sagt Hallerbach. Schwerpunkt ist hierbei unter anderem die IT-Sicherheit. Hallerbach fragt passend: „Muss jede Kreisverwaltung für sich ein eigenes Back-up betreiben, oder kann man es zentralisieren?“ Außerdem sollen Verfahren und deren Benutzeroberflächen standardisiert werden. Der Landrat möchte so zum Beispiel erreichen, dass bei den Jugendämtern die Fachsoftware vereinheitlicht wird. Der Datenaustausch soll angeglichen werden. Aktuell sind viele Prozesse in den Kommunen noch ganz unterschiedlich strukturiert.
Das Onlinezugangsgesetz
Das Onlinezugangsgesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen verpflichtet Bund, Länder und Kommunen, bis Ende 2022 ihre Verwaltungsleistungen über Verwaltungsportale auch digital anzubieten. Konkret impliziert das zwei Aufgaben: die Digitalisierung und Vernetzungen, wie es auf der Webseite des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat zum Onlinezugangsgesetzt heißt. Zum einen müssen demnach 575 Verwaltungsleistungen auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene digitalisiert werden. Zum anderen muss eine IT-Infrastruktur geschaffen werden, die jedem Nutzer den Zugriff auf die Verwaltungsleistungen mit nur wenigen Klicks ermöglicht. Die Nutzerorientierung, also Anwenderfreundlichkeit, hat oberste Priorität, wird auf der Seite betont.
Voraussetzung schnelles Internet: Flecken-Programme
Eine wichtige Voraussetzung für eine digitale Verwaltung ist, dass sowohl die Mitarbeiter der Verwaltung als auch alle anderen Bürger über schnelles Internet verfügen. Laut Mitteilung der Kreisverwaltung sorgte das im Jahr 2018 abgeschlossene Breitbandprojekt mit der Förderung der weißen Flecken dafür, dass nahezu alle Haushalte im Kreis mit 30 Mbit/s und mehr versorgt sind. Dagegen zielt das „Graue Flecken“-Programm auf eine Versorgung aller Endkunden mit mindestens 100 Mbit/s ab. Wie Ulf Steffenfauseweh, Pressesprecher der Kreisverwaltung, erklärt, besteht diesbezüglich im Kreis bei 21 900 von 56 000 Privatadressen Handlungsbedarf, bei Unternehmen liegt die Zahl bei 3400 von 8000. Wer die eigene maximale Verfügbarkeit ermitteln möchte, kann sich den Bundes-Breitbandatlas anschauen unter www.ku-rz.de/ breitbandatlas.