Kreis Neuwied
Corona-Krise: Die Kurzarbeit im Kreis Neuwied nimmt wieder zu
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Kreis Neuwied. 2020 ist in der Gesamtbetrachtung ein wirtschaftlich ernüchterndes Jahr. Vor allem die Corona-Pandemie beeinträchtigt die wirtschaftliche Entwicklung auch im Kreis Neuwied sehr. Doch auch der Jahresstart lief nicht wie erhofft.

„Schon zu Beginn des Jahres und völlig unabhängig von der Corona-Pandemie waren die Wachstumsimpulse aufgrund weltwirtschaftlicher Eintrübungen nicht mehr so stark wie 2018 und 2019“, erklärt Karl-Ernst Starfeld, Chef der Neuwieder Arbeitsagentur, der für die Kreise Neuwied und Altenkirchen zuständig ist.

Aber im März haben sich in Deutschland die Ereignisse überschlagen, und mit Corona gingen auch im Kreis viele ökonomische Einbußen einher: „Mit dem ersten Lockdown gerieten insbesondere die Dienstleistungsbranche und zunehmend auch das verarbeitende Gewerbe in Turbulenzen“, erklärt er. Dies habe sich in einem nie da gewesenen Ansturm auf die Kurzarbeit und bis zum Sommer 2020 in stark steigender Arbeitslosigkeit geäußert. Dies zeigt auch die Grafik mit der Entwicklung der Arbeitslosenquote. Erst mit dem Ende des Lockdowns im Sommer setzte im dritten Quartal eine deutliche wirtschaftliche Erholung ein, die sich jedoch mit dem zweiten Lockdown ab Mitte November wieder zunehmend abschwächte, betont Starfeld.

Derzeit spitzt sich die auch wirtschaftlich missliche Lage weiter zu. Und vorerst ist wegen weiterhin hoher Corona-Fallzahlen und der bestehenden und zudem geplanten Einschränkungen nicht mit einer schnellen Besserung zu rechnen. Wie es sich wirtschaftlich im Kreis widerspiegelt, beschreibt Starfeld so: „Am aktuellen Rand nehmen die Anzeigen von Kurzarbeit aus den heimischen Betrieben wieder erheblich zu, wenn auch noch lange nicht in dem Maße wie im Frühjahr. Wir rechnen zum Jahresbeginn 2021 mit steigender Arbeitslosigkeit aufgrund saisonaler Einflüsse und der andauernden Corona-Pandemie.“

Mit den wirtschaftlichen Beschränkungen infolge der Corona-Krise verringerten sich auch die Erwerbstätigkeit und Beschäftigung in einigen Branchen. Hierzu prognostiziert Starfeld, dass bezüglich der Branchenentwicklung im Jahr 2020 im Kreis Neuwied die Beschäftigung sich etwa im verarbeitenden Gewerbe bis zum Jahresende um circa 720 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte (rund sechs Prozent) reduzieren wird. Besonders betroffen seien demnach der Maschinenbau und das Metall verarbeitende Gewerbe: „Im Juni dieses Jahres waren hier zeitweise 48 Prozent (Mittelwert) der Mitarbeiter in Bezug von Kurzarbeitergeld.“ Darüber hinaus waren, wie auch bundesweit festzustellen war, das Hotel- und Gaststättengewerbe, die Reiseveranstalter und Reisebüros besonders stark betroffen, hier kam es zu massiven Betriebseinschränkungen, sagt Starfeld: „Auch nach dem ersten Lockdown ist das Geschäft nicht wirklich wieder angelaufen.“ Wie es weitergeht, bleibt abzuwarten und offen.

Doch obwohl die Corona-Pandemie überwiegend negative wirtschaftliche Konsequenzen auslöste, konnten auch einige Branchen positiv überraschen. „Positiv verläuft nach wie vor die Entwicklung im Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Baugewerbe“, unterstreicht er. Trotz der turbulenten Lage durch die Corona-Pandemie zieht zum Beispiel das Unternehmen „Baumgärtel GmbH Baustoffe für Zukunft + Umwelt“ aus Neuwied ein positives Resümee, heißt es in einer Pressemitteilung des Unternehmens: „Gemeinsam mit unseren engagierten Mitarbeitern haben wir dieses Jahr einiges bewegt, ganz unabhängig von den Corona-Unwägbarkeiten“, sagt demnach Germar Baumgärtel, geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens. So hat die Firma zum 1. März die Mehrheitsanteile der Matthias Prangenberg KG übernommen und die M. Prangenberg GmbH Baustoffe für Zukunft + Umwelt gegründet. Wie der Mitteilung zu entnehmen ist, fügt sich der mittelständische Baustoffhandel mit einer Baumarktfläche von 800 Quadratmetern als Schwesterunternehmen in das nachhaltige Konzept von Germar Baumgärtel ein.

Für Starfeld sind sowohl das Baugewerbe und auch das Gesundheits- und Sozialwesen die „Top-Branchen“ der Region und blieben weitestgehend von den Corona-Einschränkungen verschont. Eine weitere positive Entwicklung nahm der Markt an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Bereich Postdienstleistungen/Logistik: „Der Treiber ist hier das äußerst stark angestiegene Geschäft im Onlinehandel.“

Davon abgesehen entschieden sich Firmen in der Region laut Starfeld überwiegend zu Maßnahmen der Beschäftigungssicherung: „Neben der Kurzarbeit gibt es vereinzelt Anfragen zu förderungswürdigen Qualifizierungsmaßnahmen der Beschäftigten, hier wirken auch die Betriebsräte verstärkt mit.“ Die Ausbildungsbereitschaft der Arbeitgeber sei, wenn auch derzeit zurückhaltend, auf einem hohen Niveau. „Neueinstellungen finden wieder verstärkt statt“, hebt der Chef der Neuwieder Arbeitsagentur hervor. Eine ganz vorsichtig positive Prognose wagt Starfeld für 2021: „Für das kommende Jahr erwarten wir nach schwierigem Start mit zunehmender Eindämmung der Corona-Pandemie ein ordentliches Wachstum auch für unsere Region, einen fühlbaren Beschäftigungsaufbau und bei weiterem positiven Jahresverlauf leicht sinkende Arbeitslosigkeit.“ An die Situation vor Corona werde die Entwicklung aber nicht heranreichen.

Von unserem Redakteur Lars Tenorth

Positive Aspekte in der wirtschaftlichen Krisenzeit

Kreis Neuwied. Krisenzeiten, wie nun durch die Corona-Pandemie hervorgerufen, bieten trotz zahlreicher Herausforderungen auch immer Potenziale. Obwohl 2020 wirtschaftlich ein sehr schwieriges Jahr ist, versuchen die Unternehmen bestmöglich mit Missständen umzugehen und sich zu arrangieren. Eine positive Entwicklung sind etwa die in vielen Firmen veränderten und der Situation angepassten Arbeitsstrukturen.

„Wir erfahren eine deutlich höhere Bereitschaft der Arbeitgeber, Rahmenbedingungen anders zu gestalten. Flexiblere Arbeitszeitmodelle ermöglichen nebst Homeoffice mehr Flexibilität der Mitarbeiter“, sagt Karl-Ernst Starfeld, Chef der Neuwieder Arbeitsagentur, die für die Kreise Neuwied und Altenkirchen zuständig ist. Er ergänzt, dass den Arbeitgebern durch diese Modelle auch zur Bewältigung von Fachkräfteengpässen ein höheres Potenzial an Erwerbspersonen zur Verfügung steht. Außerdem lassen sich mit einem Schub zur Digitalisierung anstehende Transformationsprozesse besser bewältigen, führt er weiter aus. Die Nutzung digitaler Kommunikationstechniken und damit zusammenhängend die Loslösung vom betrieblichen Arbeitsort habe einen immensen Schub bekommen.

Davon abgesehen nimmt das Kurzarbeitergeld in Deutschland, und damit auch im Kreis Neuwied eine hohe Bedeutung ein, damit die Krise nicht noch mehr Existenzen gefährdet: „Die Regelungen zur Kurzarbeit, die im Zuge der Corona-Pandemie erheblich ausgeweitet worden sind, spielen eine zentrale Rolle bei der Abfederung der Pandemiefolgen für den Arbeitsmarkt“, betont Starfeld. Der sehr starken Nutzung des Kurzarbeitergeldes (Kug) sei es zu verdanken, dass die Arbeitslosigkeit nicht noch stärker gestiegen sei. Dabei verlief die Entwicklung im Kreis Neuwied ähnlich wie im Bundesdurchschnitt: „Bereits in den Monaten März und April hatten ca. 2800 Unternehmen für fast 40.000 Beschäftigte Kurzarbeit angezeigt“, sagt Starfeld. Ab Mai ging die Zahl der Anzeigen, auf deren Basis zunächst die betrieblichen und persönlichen Grundvoraussetzungen geprüft und bewilligt werden, wieder drastisch zurück, führt er fort. Dies bedeutet, dass bis Ende April im Grunde alle Unternehmen, für die bis dahin Kurzarbeit notwendig geworden war, eine Anzeige erstattet hatten.

Laut Starfeld sind davon die monatlichen Anträge auf Zahlung des Kurzarbeitergeldes zu trennen, die innerhalb einer Frist von drei Monaten nach dem abzurechenden Monat gestellt werden müssen: „Hier erreichten wir den bisher höchsten Stand in den Monaten Mai bis Juni 2020, in denen in der Spitze über 2300 Unternehmen Kug für über 23.000 Arbeitnehmer abrechneten.“ Danach sank die Inanspruchnahme laut Starfeld: „Aber selbst für den Monat November liegen aktuell Anträge von über 1000 Betrieben für 13.500 Beschäftigte vor, wobei Anträge für den November wie dargestellt noch bis Ende Februar 2021 gestellt werden können“, betont er. ten

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