Raiffeisen, Limes, Herrnhuter
Conrad Lunar: Neuwied versäumt sein Welterbe
Conrad Lunar beschäftigt sich vor allem mit Neuwieds antiker Geschichte. Der Neuwieder hält in Legionärsrüstung Vorträge und hat mit dem Drachenkopfrundweg eine Wander- und Radroute geschaffen, die wichtige Punkte in Neuwieds römischer Geschichte verbindet.
Justin Buchinger

Der Obergermanische Limes, Raiffeisen und die Bauweise der Herrnhuter: In Neuwied treffen mehrere Weltkulturerbestätten aufeinander. Conrad Lunar fragt: „Quo Vadis Weltkulturerbe?“  Was das Stadtmarketing dazu meint.

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Das UNESCO-Welterbe sei eine weltweit bekannte Marke, die auch Neuwied für sich nutzen sollte, sagt Conrad Lunar. Der Geschichtsexperte setzt sich vor allem mit Neuwieds römischem Erbe auseinander und hält etwa als römischer Legionär Vorträge an Schulen. Neuwied gebe zu viel an die Römerwelt in Rheinbrohl und die Festung Ehrenbreitstein ab. Dabei habe Neuwied mit 18 der 85 Kilometer des Obergermanischen Limes in Rheinland-Pfalz den größten Anteil am Welterbe, sagt Lunar.

Mit Funden wie dem römischen Legionärshelm Typ „Niederbieber“ und der Drachenkopfstandarte, die in ihrer Art einzigartig sei, sei Neuwied bei Fachleuten immer wieder im Gespräch. Diese wird im Landesmuseum auf der Festung Ehrenbreitstein ausgestellt, die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz warb mit dem Fundstück, und auch das British Museum in London präsentierte die Standarte bei einer Ausstellung prominent. Nur in Neuwied finde man dazu nichts, so Lunar.

Der römischen Legionärshelm Typ "Niederbieber" und die Drachenkopfstandarte: In Neuwied wurden bedeutende Funde aus römischer Zeit gemacht.
Justin Buchinger

Auch die Genossenschaftsidee von Friedrich Wilhelm Raiffeisen als immaterielles Kulturerbe sowie das Herrnhuterviertel sollten mehr als Welterbe beworben werden. Darüber könnte man Verbindungen in der Region, aber auch in die Welt schaffen. Die Marke UNESCO sei auch internationalen Touristen ein Begriff. Besonders mit der Rückkehr des Schiffstourismus sei das sinnvoll. Lunar: „Neuwied steht da anderen Orten in nichts nach, aber wir wissen es nicht.“

Werbeschilder sollten aufgestellt werden

In der Tourismusstrategie der Stadt tauche der Begriff UNESCO nicht einmal auf. Das sei so irritierend, wie dass zum internationalen Welterbetag am 1. Juni keine Veranstaltungen in Neuwied stattgefunden hätten. Besonders, da der Obergermanische Limes vor 20 Jahren zur Welterbestätte ernannt wurde. „Weiß die Stadt nicht, was wir da haben?“

Neuwied müsse dies mehr aufgreifen. Lunar schlägt Werbeschilder an den Verkehrsadern, Anlegestellen und der Innenstadt vor, die Besucher zu den Stätten wie dem Limesturm in Oberbieber leiten. Auch wünscht er sich permanente Informationstafeln, an denen sich Besucher unabhängig von Führungen informieren können.

Das sagt das Stadtmarketing zu Lunars Vorschlägen

Vanessa Selent vom Stadtmarketing Neuwied erklärt dazu, dass man sowohl das UNESCO-Welterbe Limes als auch das Herrnhuter Viertel und das Thema Raiffeisen seit vielen Jahren für die touristische Vermarktung nutze. Beispielsweise mit regelmäßigen Wanderungen über den römischen Grenzwall Limes und den historischen Römer- und Keltenwanderweg. Auch plane die Stadt Aktionen zur Feier des 20-jährigen Welterbestatus des Limes und sichere als Mitglied im Verein der Deutschen Limes-Straße auch eine überregionale Vermarktung.

Raiffeisen spiele seit jeher eine bedeutende Rolle für Neuwied. Etwa im Raiffeisen-Jahr 2018 (200. Geburtstag), in dem sich die Stadt an überregionalen Aktionen beteiligt habe. Auch gebe es regelmäßige Stadtführungen mit dem Titel „Historische Persönlichkeiten in Neuwied“, bei dem Raiffeisen eine zentrale Rolle spiele, so Selent.

Dem Thema Herrnhuter Bürgergemeine widme sich aktuell eine Audioführung der neuen Podcast-Reihe „Neuwied ganz Ohr“ des Stadtmarketings. Auch reguläre Stadtführungen durch das Herrnhuter Viertel gebe es seit vielen Jahren. Zu allen drei Themen halte man in der Tourist-Information eine Auswahl an Materialien bereit.

Werbemöglichkeiten sind eingeschränkt

Grundsätzlich greife man dabei weniger die Begrifflichkeit UNESCO auf, erklärt Selent. Der Fokus liege auf der Strahlkraft der einzelnen Themen. Außerdem sei die Nutzung und Werbung mit den Begriffen UNESCO und Welterbe stark reguliert. Die Welterbestätte der Herrnhuter Brüdergemeine beinhaltet nur die vier Siedlungen Christiansfeld in Dänemark, Bethlehem in den USA, Gracehill in Nordirland und Herrnhut in Sachsen.

Und auch das immaterielle Welterbe der Genossenschaftsidee sei nicht an die Wirkungs- oder Lebensstätten von Friedrich Wilhelm Raiffeisen gebunden. Vielmehr sei es an die Träger Deutsche Hermann-Schulze-Delitzsch-Gesellschaft und Deutsche Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft gebunden, erklärt Selent.

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