Aber von vorn. Eine Bombe hatte am 1. Januar 1945, kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges, das Trümmerstück aus dem Schiff „Kunostein“ herausgeschleudert, der Splitter blieb daraufhin in einer mächtigen Buche am Engerser Rheinufer hängen. „Es muss eine ungeheure Gewalt gewesen sein“, staunt Keßler über die Kraft der Kriegsbombe. Der Anblick im Grünen war für viele Neuwieder ein Blickfang. „Mein Vater sagte: ‚Guck mal, Junge, das ist noch aus dem Krieg.’“, erinnert sich der 78-Jährige, wie er als Schulkind das massive Metallteil zwischen den Baumwipfeln bemerkte.
Mit den Jahren ist das Trümmerteil allerdings immer mehr mit der mächtigen Buche verwachsen, wie Peter Hünermann konstatiert. „Es war nicht ganz leicht, aber wenn man richtig stand, konnte man es sehen“, denkt auch er zurück. „Das war etwas fürs Herz. Die Leute, die es wussten, haben immer darauf geschaut.“ Ganze 60 Jahre lang war das Trümmerstück auf der Buche verblieben, bis der Baum vor mehr als zehn Jahren gefällt werden musste. Doch wohin mit dem Wrackteil? „Das Trümmerstück blieb zunächst auf dem Gelände des Heinrich-Hauses“, berichtet Keßler, der die Chronologie des Metallstückes akribisch in einem großen Ordner dokumentiert hat.
Schiffsteil stand kurz vor dem Schrottplatz
Wie er erzählt, fand das Trümmerstück zwischenzeitlich Platz beim Engerser Helmut Nilges. Als dieser jedoch plötzlich verstarb, wollte die Witwe demnach das geschichtsträchtige Metallstück schon an einen Alteisenhändler verkaufen. „Eine Initiativgruppe, Peter Hünermann, Manfred Kramer und ich, konnte es in letzter Minute retten“, berichtet der ehemalige Stadtrat. Seit rund vier Jahren liegt es nun also auf dem Wochenendgrundstück von Keßler in Heimbach-Weis. „Wir haben mit vier Mann das Ding hier hochgeschleppt“, erinnert er sich an den anstrengenden Transport.
Schon als die Buche gefällt wurde, kam Keßler zufolge die Idee auf, das Trümmerstück auszustellen. Eine Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und eine Mahnung zum Frieden soll das Denkmal darstellen. Zwei rund 70 Zentimeter lange, angeschweißte Eisenpflöcke zur Befestigung hat das Wrack inzwischen auch schon erhalten. „Mit einer Gedenktafel versehen, wäre so ein Erinnerungsdenkmal geschaffen worden“, sagt Keßler. „Es geht um die so wichtige Erinnerungskultur, die immer mehr abhandenkommt.“ Doch bis jetzt konnten die Initiatoren ihr Vorhaben nicht verwirklichen. Denn die Leitung des Heinrich-Hauses hatte es abgelehnt, das Denkmal am Rande des Grundstückes der Einrichtung zu errichten, wo das Schiffstrümmerteil einst in der mächtigen Buche hing. Keßler erzählt, es gebe die Befürchtung, es könnte Gedränge geben von Leuten, die es sehen möchten. Also schaute sich die Bürgerinitiative in der Nähe nach einem anderen geeigneten Plätzchen um. Auserkoren haben sie daraufhin einen Standort ein paar Meter weiter am Ende der Straße „Am Schlossgarten“ in Engers. Doch während Keßler zufolge der ehemalige Oberbürgermeister Nikolaus Roth den Standort bereits genehmigt hatte, stößt der Verschlag, das Denkmal dort zu errichten, heute vonseiten der Stadt auf Kritik.
Stadt hat in mehreren Punkten Bedenken
„Aufgrund der scharfkantigen Metallteile müssen wir aus haftungsrechtlichen Gründen eine nicht übersteigbare Umzäunung anbringen“, schildert der städtische Pressesprecher Erhard Jung auf RZ-Nachfrage. Da gleichzeitig die Grünfläche drum herum gepflegt werden müsse, sei zudem eine Toranlage als Zugang erforderlich. „Die Kosten, ohne den späteren Pflegeaufwand, dürften bei etwa 17.000 Euro liegen“, heißt es in der Stellungnahme.
Ein weiteres Problem: Der Naturschutz, denn der vorgesehene Standort liegt unmittelbar am geschützten Landschaftsbestandteil Rhein. Zudem führt Jung aus, die zu erwartenden Hochwasser des Rheines würden regelmäßig dazu führen, dass sich Unrat an der Umzäunung sammele und sie in Kombination mit dem Wasserdruck beschädigen könnte.
„Wir werden aber vor einer endgültigen Entscheidung noch den Ortsbeirat bitten, sich mit dem Thema zu befassen“, teilt die Stadt weiter mit und formuliert: „Inwiefern das Metallteil tatsächlich der Veranschaulichung der Kriegsgräuel dient, darf sicher unterschiedlich bewertet werden.“
Keßler ist sich dagegen sicher: „Der Standort ist absolut hochwassersicher.“ Zudem habe der Engerser Ortsvorsteher Dieter Neckenig schon Zustimmung signalisiert. „Seit zwölf Jahren machen wir das. Und wir kommen keinen Schritt weiter“, ist Keßler enttäuscht. Auch im Stadtrat hatten er und Hünermann ihr Anliegen bereits vor einigen Jahren vorgebracht, ein Termin in der Sprechstunde von Oberbürgermeister Jan Einig kam hinzu.
Was Keßler und Hünermann dabei immer wieder betonen: Für das Denkmal sollen der Stadt beziehungsweise dem Heinrich-Haus keine Kosten entstehen. „Wenn was fehlt, legen wir es drauf“, verspricht Keßler.
Alles begann an einem klaren, kalten Neujahrstag
Am 1. Januar 1945, als der Zweite Weltkrieg auch Engers erreicht hatte, traf eine Bombe den Schleppkahn „Kunostein“, der am Rheinufer in der Nähe des grauen Turmes vor Anker lag. Wie Manfred Kramer vor einigen Jahren niedergeschrieben hat, verpasste das Geschoss sein eigentliches Ziel, die Kronprinzenbrücke, die für das deutsche Militär strategisch sehr wertvoll war.
Die Wucht der Detonation lässt zahlreiche Splitter des Schiffes durch die Luft fliegen. Und eines dieser Teile wird dabei in eine alte Buche geschleudert, die im Schlossgarten steht. Dort bleibt das Trümmerstück in den Astgabeln hängen. Das Eisenstück wurde nicht gebogen, sondern blieb über Jahrzehnte Bestandteil des Baumes. Fast jeder der älteren Engerser wusste davon.